Was ist Astrologie?
Was oben ist, ist wie das, was unten ist, und was unten ist, ist wie das, was oben ist.
Hermes Trismegistos
Hinter allem Geschehen der äußeren Welt wirkt ein ewiges zeitloses Gesetz, und seine Wirkung zeigt sich auf allen Ebenen des Universums bis ins kleinste Atom. Dieses Gesetz ist das Gesetz des Rhythmus, der sich in Form von Schwingungen auf alle Lebensformen überträgt und die sichtbare Welt zu einem einheitlichen harmonischen Ganzen ordnet. Die Griechen nannten dieses Gesetz Logos, was im übertragenen Sinne Schöpfer oder Gott bedeutet, denn es stellt den »Pulsschlag des Lebens« dar, der die Vielfalt von Energien und Kräften lenkt, die hinter der sichtbaren Welt wirken und alle Formen der physischen Welt hervorbringen.
Wollen wir das Geheimnis des Lebens entdecken oder das, was die Welt im Innersten bewegt, so müssen wir die Rhythmik untersuchen, der alles irdische Leben unterliegt. Diese wird uns durch die Beobachtung des gestirnten Himmels offenbart, der uns als Spiegelung irdischer Angelegenheiten dienen kann, wenn wir die Bewegungen der Gestirne zur Bewegung der Erde in Beziehung setzen, die durch Drehung um die eigene Achse unsere Zeit bedingt. Denn Zeit entsteht durch Bewegung, durch die Eigendrehung der Planeten und ihr Kreisen um eine zentrale Sonne, die die Quelle materiellen Lebens bildet. Aber auch die zentrale Sonne bewegt sich ihrerseits um den Zentralstern einer Galaxie, der ihre Sonne bildet, und so ihren größeren Rhythmus oder ihre Zeit bedingt.
Leben ist also Rhythmus, und jedes kleinere Leben ist eingebunden in einen größeren Rhythmus, der wiederum alle kleineren Rhythmen harmonisch zu einem umfassenderen einheitlichen Ganzen ordnet. Alles Leben ist ein Schwingen und Kreisen um einen zentralen Kern, der sich im Rhythmus des jeweils größeren Lebens bewegt. Dieses Prinzip finden wir im großen wie im kleinen, und so kann das Atom auch als ein Abbild des Sonnensystems betrachtet werden, denn die Elektronen umkreisen den Atomkern wie die Planeten die Sonne.
Aber auch der Mensch kreist um einen Kern, seine »geistige Sonne«, die das Zentrum seines Lebens bildet. Und dies ist es, was uns im okkulten System der Astrologie als ewiges Vermächtnis erhalten ist, denn sie bewahrt das Wissen über die Vielzahl von qualifizierenden Energien und Kräften, die in Raum und Zeit auf den Menschen einwirken und seine Entwicklung bedingen. Sie lehrt uns, daß alles Wirken im Physischen eine Entsprechung in einem höheren Schöpfungsplan hat, der uns im Tierkreis als dem »Urkreis des Lebens« offenbart wird. Dieser Tierkreis, der sich seit altersher in allen Kulturkreisen unabhängig voneinander erhalten hat, bewahrt in seiner Symbolik eine zeitlose und ewige Schöpfungsordnung, die durch die rhythmische Bewegung der Planeten eine Zeitqualität erhält, die auf alles physische Leben einwirkt.
So stellt die Astrologie in ihrer Symbolik ein umfassendes, sehr komplexes Wissen über die geistigen Entwicklungsgesetze irdischen Lebens dar. Sie ist Teil des Ur-Wissens der Menschheit, das als »Geheimwissen« gehütet wurde und alle Zeitalter überdauert hat. Doch leider wurde sie im Laufe der letzten zweitausend Jahre immer mehr verweltlicht und zum Teil so verändert und profanisiert, daß sie von vielen nur noch als Wahrsagerei verstanden wird, was die Mehrzahl der Intellektuellen und Wissenschaftler, die sich für kritisch und aufgeklärt halten, heute veranlaßt, sich verächtlich von diesem »Aberglauben« zu distanzieren. Diese Haltung ist angesichts der lächerlichen Rubriken in Illustrierten und anderer mehr oder weniger banaler Publikationen durchaus verständlich, doch diese haben mit Astrologie in ihrer ursprünglichen Bedeutung ja auch nicht das mindeste zu tun.
In ihrer ursprünglichen Form ist die Astrologie eine Wissenschaft, die uns in symbolisch-verschlüsselter Form den geistigen Hintergrund des Lebens erschließt. Sie gründet auf dem Wissen, daß Makrokosmos und Mikrokosmos nach analogen Prinzipien funktionieren und der ganze Kosmos ein Ordnungsgefüge ist, das nach einem einheitlichen Gesetz aufgebaut ist. Denn jeder Teil entspricht dem größeren Ganzen im Prinzip und ist eingebunden in eine höhere Ordnung sowie einen einheitlichen Schöpfungsplan, der eine zeitlich abgestufte Entwicklung vorsieht. Und diese wird uns durch die Astrologie offenbart.
Es gibt jedoch zwei Arten von Astrologie: die exoterische und die esoterische. Die exoterische Astrologie beschäftigt sich vorwiegend mit der Persönlichkeit des Menschen und mit den äußeren Ereignissen seines Lebens, und sie versucht, mit verschiedenen Deutungs- und Prognosesystemen das Schicksal des Menschen zu entschlüsseln und vorauszusagen. Diese eher persönliche Interpretation einer universellen Symbolik hat im Laufe der Jahrhunderte viele unterschiedliche astrologische Berechnungs- und Deutungssysteme hervorgebracht, die nicht selten spekulativ sind und ernsthafter Überprüfung nicht immer standhalten, weil sie die unterschiedlichen Entwicklungsebenen des Menschen außer acht lassen. So müssen sich zwangsläufig Fehleinschätzungen einstellen, denn der Mensch gewinnt mit zunehmender Bewußtseinsentwicklung eine größere Freiheit, die dazu führt, daß Planeten, die den unentwickelten Menschen in ein Schicksal zwingen, vom entwickelten als willkommene Lernschritte erkannt und gemeistert werden, ohne daß sich äußere Ereignisse zeigen.
In der esoterischen Astrologie geht es weniger um äußere Ereignisse, als vielmehr um die Entwicklung des Bewußtseins, die uns der Tierkreis offenbart, wenn wir seine tiefere geistige Dimension verstehen. Durch sie wird ein tiefgreifendes Verständnis der schöpferischen Kräfte und Energien möglich, die unser Bewußtsein prägen, und wenn wir dies mit unserem physischen Leben in Beziehung bringen, wird sich unsere Weltsicht verändern. Dies ist aber nicht möglich ohne Ehrfurcht vor der Schöpfung und ohne eine Haltung der Bescheidenheit, die sich automatisch einstellt, wenn wir ehrlich forschen und bereit sind zu akzeptieren, daß die Erforschung des Bewußtseins erst am Anfang steht und die Astrologie eine sich noch entwickelnde Wissenschaft ist, »die erst in ihrer ursprünglichen Schönheit und Wahrheit wieder hergestellt werden muß ...« (Alice Bailey). Dennoch ist es wichtig und sinnvoll, sich mit Astrologie zu beschäftigen, weil sie die einzige Wissenschaft ist, die uns die Möglichkeit gibt, unser Sein zu begreifen und uns als Teil einer Gesamtschöpfung wiederzufinden. Ihr System zu verstehen bedeutet, eine neue Dimension des Daseins zu entdecken, die uns ohne sie verschlossen bliebe. Sie zeigt uns das Wesen unseres Menschseins, den Aufbau und die Entwicklung unseres Bewußtseins, aber auch die hervorgehobenen Charaktereigenschaften und Erfahrungsbereiche unseres Lebens.
Wer esoterische Astrologie erlernen will, sollte sich aber darüber im klaren sein, daß sie ein profundes Studium erfordert, das uns Stufe um Stufe erkennen läßt, wer wir sind und was uns zu dem macht, was wir sind. Denn erst mit zunehmendem Verständnis für das Wirken und Werden des ewigen Schöpfungsprozesses begreifen wir, daß nur ehrliches Streben nach Wahrheit und Weisheit die Tore des wahren Wissens öffnet und uns eindringen läßt in ein umfassenderes Verständnis der Schöpfungsordnung, die sich dem Intellekt und dem konkreten Verstand niemals erschließt. Wer sich jedoch ernsthaft auf die geistige Dimension der Astrologie einläßt, wächst mit ihr. Sein Bewußtsein und sein Denken werden sich verändern, und er wird sein Leben nie mehr als sinn- oder ziellos empfinden, da er nie wieder vergessen wird, daß er Teil eines größeren Ganzen ist, das als ewige Schöpfungsordnung auch sein Leben durchdringt.
Die moderne Wissenschaft blickt im allgemeinen verächtlich auf die Astrologie herab, da sie sich ihren Kriterien nicht unterordnen läßt und anscheinend jedes Beweises entbehrt. Doch diese Auffassung beruht nur auf der Tatsache, daß es sich hier um etwas noch Unerforschtes handelt, das sich der vordergründigen Betrachtung entzieht und nicht mit materiellen Kriterien erfaßt werden kann. Denn in der Esoterik geht es um das Bewußtsein, das hinter allen sichtbaren Formen verborgen ist und die Evolution der physischen Welt bewirkt, und Bewußtsein läßt sich eben nicht mit den Methoden der exakten Wissenschaft messen. Für die Esoterik müssen also logischerweise andere Wissenschaftskriterien gelten. Sie hat ihre eigenen Gesetze, ihre eigene Terminologie und ihre eigene Methodik, die sich jedoch als ebenso zuverlässig erweisen, sobald man ihre Grundlagen beherrscht. Astrologie kann sich daher nicht auf statistische Untersuchungen stützen, die nicht in der Lage sind, das Wesen des Menschen zu erfassen. Der Versuch, astrologische Aussagen statistisch zu beweisen – eine Methode, die der exakten Naturwissenschaft entlehnt wurde –, ist für die tiefere Bedeutung der Astrologie von geringem Wert, da fließende Grenzen und unterschiedliche Entwicklungsebenen außer acht gelassen werden und so die Ganzheit und Einmaligkeit eines Horoskops nicht erfaßt werden kann.
Wenn wir uns aber die Mühe machen, die Grundlagen...