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Früher war alles leichter. Ich zum Beispiel

Wie du ohne Botox und Baucheinziehen in die zweite Lebenshälfte startest

AutorSimona Meyer
Verlagmvg Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783961210848
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Wenn wir erst mal ein gewisses Alter erreicht haben, regen wir uns nicht mehr über Kleinigkeiten auf. Wir werden uns akzeptieren und nicht mehr mit unseren Oberschenkeln hadern. Weil wir alles erreicht haben, endlich angekommen sind und jenseits der 40 andere Dinge zählen... Nun, das war der Plan. In echt sieht das alles etwas anders aus. Plötzlich entdecken wir Längsfalten in unserem Dekolletee und nehmen es nicht entspannt. Nein, wir rasten aus, weil wir eigentlich noch nicht da sind, wo wir eigentlich längst sein wollten. Wir haben weder das Vollholzhaus gebaut noch den großen deutschen Gesellschaftsroman geschrieben. Wir schauen immer noch lieber Trash TV als fachgerecht ein Gemüsebeet anzulegen. Und die Bikinifigur, von der wir träumen, seit wir den ersten Bikini tragen durften? Nun, ganz ehrlich: Jetzt ist es auch zu spät. Als Simona Meyer versehentlich auf die Selfie-Funktion ihrer Handy-Kamera kommt und das Gefühl hat, dem Grüffelo in die Augen zu blicken weiß auch sie: Ich werde alt. In ihrem humorvollen Buch räumt sie nun auf mit den großen Illusionen, die wir uns über das 'später' gemacht haben, das plötzlich da ist. Und gibt Anregungen, wie wir locker nehmen können, was alles schwerer ist, als wir uns das vorgestellt haben - das Loslassen, das Zufriedensein, das Ankommen, das Vernünftig sein - und wir.

Simona Meyer, geboren 1973 im Ruhrgebiet, arbeitet als freie Autorin für verschiedene große Magazine. Außerdem schreibt sie meistens an drei Büchern gleichzeitig. Sie trägt zwei Kleidernummern größer als geplant, hat ein Kind zu wenig, träumt immer noch von Korkenzieherlocken und macht ein halbes Mal die Woche Sport. In ihrer idealen Welt hätte sie die Drehbücher von 'Doctor's Diary' verfasst, 15 Zentimeter längere Beine und würde mit Ryan Gosling in einer kalifornischen Küstenstadt wohnen. Meistens findet sie ihr echtes Leben aber super genug.

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Leseprobe

In meiner Studienzeit hatte ich einen besten Kumpel. Dieser Freund war ziemlich klug. Er sagte eines Tages zu mir, ich würde unter »negativem Egozentrismus« leiden. Ich bezöge alles, was sich gegen mich verwenden lasse, auf mich.

Zwei tuschelnde Frauen in der Schlange zur Kinokasse? Reden bestimmt darüber, dass ich mir den Rock mit meinen Beinen nicht leisten kann.

Ich höre länger nichts von einer Freundin? Schätze, sie hat sich mit einer anderen gegen mich verbündet.

Sie haben meine Lieblingsserie abgesetzt? Die Anweisung kommt von ganz oben und ist meine Strafe dafür, dass ich neulich gelogen habe, als ich behauptete, man würde gar nicht sehen, dass Beate es ewig nicht zum Friseur geschafft hat.

Und so geht das immer weiter. Eine wirklich nervige, Kraft raubende Schwäche, die mein Kumpel damals aufdeckte, und an der ich mich seither abarbeite. Immer, wenn die innere Stimme mir zuflüstert, dass sich da etwas über mir zusammenbraut, halte ich ihr entgegen:

»Schnauze, es dreht sich nicht alles um dich!«

Leider fruchtete meine Eigentherapie nicht. Wieder einer dieser Punkte, von denen ich dachte: Wenn ich erwachsen bin, wird es vergehen. Wie die Pickel, von der der Hautarzt sagte, dass sie mit der Pubertät verschwinden. Oder die kleinen Brüste, von denen meine Mutter behauptete, sie wüchsen auch noch nach 20. Hat alles nicht gestimmt. Ich trage immer noch A-Körbchen, benutze Unmengen Abdeckstift und denke bei Ansammlungen anderer Frauen, sie würden gemeinsam einen Schlachtplan gegen mich entwickeln.

Und da wären wir schon, bei der ersten großen Illusion, die wir uns immer gemacht haben über das Älterwerden: dass alles einfacher wird. Sicher, auch der Desillusioniertesten von uns wird klar gewesen sein, dass Treppensteigen oder Spinning-Marathons mit zunehmenden Jahren härter werden. Aber was ist mit folgenden Punkten?

ENTSCHEIDUNGEN TREFFEN

»Du willst wirklich anderthalb Kilometer zurücklaufen, um noch einmal die anderen Schuhe anzuprobieren?«

»Ja.«

»Aber wir waren doch gerade da.«

»Ich muss noch mal vergleichen.«

»Aber die Schuhe sind fast identisch.«

»Spinnst du? Der eine Absatz ist klobiger. Und das Schwarz ist bei den anderen etwas heller.«

»Das Schwarz ist...???!!!«

So läuft das. Mit 15. 25. 35. Und, ja, auch noch mit 45. Und wenn ich meine Mutter beobachte: auch noch mit 75. Wenn ich drei Wünsche frei hätte, wäre einer davon selbstverständlich, längere Beine zu haben, einer Weltfrieden, hilft ja nichts, und einer: ein kleines Männchen in meinem Kopf, das Entscheidungen für mich trifft. Und zwar die richtigen. Das vorher schon weiß, dass ich mich sehr schnell sattsehen werde am Muster meiner neuen Winterjacke, und doch lieber zu klassischem Dunkelblau gegriffen hätte. Der darüber informiert ist, dass das Roastbeef ungenießbar in diesem Restaurant ist und ich doch lieber die Spaghetti Bolo bestellt hätte.

Aber vor allem wünsche ich mir diese Stimme für die wirklich großen Entscheidungen:

Das Großprojekt annehmen, von dem man vorher schon Bauchgrummeln bekommt, das aber einfach eine Chance ist, zu der man nicht nein sagen kann? Oder lieber für meinen Seelenfrieden absagen und mir weiter einreden, dass ich gar keine Karriere machen will?

In die Wohnung mitten in der Stadt ziehen, von der aus man fußläufig zur Pediküre und zum Kumpir-Mann kann? Oder doch zum gleichen Preis 40 Kilometer raus, wo man Kumpir für eine Figur aus Jim Knopf und der Lokomotivführer hält, Fußpflege vor allem medizinisch angeboten wird, man aber dafür einen Garten hat, der so groß ist wie das halbe Stadtviertel? In dem man grillen kann, die Kinder eigene Fußballtore bekommen, hinter denen Kühe grasen, von denen sie als Stadtkinder bisher dachten, es wären Pferde?

Die Wahrheit ist: Es wird nicht leichter, mit zunehmendem Alter Entscheidungen zu treffen. Weil die Entscheidungen, die wir mit zunehmendem Alter treffen, gewichtiger sind. Vor 20 Jahren hat man schon mal spontan die WG gewechselt, wenn einer der Mitbewohner nicht dazu zu erziehen war, die Klobürste zu benutzen. Aber irgendwann werden wir sensibler, was Veränderungen angeht. Wir wollen uns etwas aufbauen, was von Dauer ist. Wenn dann das Angebot für den Traumjob reinkommt, aber leider am anderen Ende von Deutschland ist, kann einen das ganz schön aus der Bahn werfen.

Man hatte doch gerade die Balkonkästen bepflanzt, weiß, wo es den Kaffee auch mit Hafermilch gibt und dass der eine Supermarkt das Lieblingsmüsli nicht führt.

Ich habe eine Freundin, die berufsbedingt mit ihrer Familie durch die Welt zieht. Alle paar Jahre wechseln sie den Standort, das ist vertraglich so festgelegt. Spätestens im fünften Jahr an einem Ort packen sie alles in Container und wechseln DEN KONTINENT. Kein Mist, mich würde es vermutlich schon aus dem Gleichgewicht bringen, einfach nur auf die andere Straßenseite zu ziehen. Ich bewundere den Mut meiner Freundin, den Willen zu Veränderungen, ihre Furchtlosigkeit, sich einfach reinzustürzen ins Abenteuer, an einem Tag in Vietnam ein Flugzeug zu besteigen und am nächsten ihren Kaffeebecher in Australien aus der Noppenfolie zu wickeln.

Die meisten von uns würden ab spätestens Mitte 30 eher eine Nacht mit Charlie Sheen im Stripclub verbringen als mit ihr zu tauschen. Wir wollen unser Nest, wir wollen ankommen. Und gerade deswegen quälen uns Entscheidungen so. Weil sie nicht selten beantworten:

Wie wollen wir leben?

Wo wollen wir wohnen?

Mieten oder kaufen?

Stadt oder Land?

Garten oder Licht und Ausblick weiter oben?

Familienplanung jetzt aber endgültig beenden oder weiterprobieren?

An dem Mann festhalten, obwohl er Käsefüße hat, oder doch noch mal umgucken und im Zweifel niemand besseren finden?

Was auch immer wir jetzt entscheiden, ist lebensentscheidend. Und deshalb müssen wir wohl oder übel akzeptieren, dass es nicht leichter wird, Entscheidungen zu treffen. Und dass wir uns mit manchen von ihnen weiterhin quälen werden, so ärgerlich es ist. Denn unter uns: Das Männchen in unserem Kopf, das die Entscheidungen trifft, das wollen wir ja am Ende nicht wirklich, oder? Ich weiß nicht, wie es bei euch ist, aber: Einige der wichtigsten Entscheidungen meines Lebens waren die falschen. Weil sie mir zeigten, was ich auf gar keinen Fall will – und was mich wirklich glücklich macht. Falsche Männer beispielsweise, auf die man (im besten Fall!) nur das eine Mal hereinfällt. Die Führungsposition, von der ich von vorneherein wusste, dass ich nicht für sie geeignet war und fortan alle anderen Angebote guten Gewissens absagen konnte. Richtig falsch kann man sich meiner Meinung nach gar nicht entscheiden. Höchstens bei Schuhen. Ansonsten gilt: Die schlimmste Entscheidung ist, keine zu treffen.

ÜBER DEN DINGEN STEHEN

Als erwachsene Frau sollte man irgendwann gelernt haben, über gewissen Dingen zu stehen, richtig?

Nun.

Wie eingangs in diesem Kapitel erklärt, leide ich besonders stark darunter, dass sich diese Hoffnung für mich als Illusion herausgestellt hat. Bei ungünstigem Zyklusstand kann es sein, dass es mir den Tag versaut, wenn die Bäckereifachverkäuferin mich anblafft, sie hätten noch nie halbe Brote verkauft oder der Vater eines Klassenkameraden meines Sohnes mir keinen »Guten Morgen« wünscht.

So dünnhäutig bin ich manchmal.

Wenn ich ehrlich bin, habe ich immer geahnt, dass es sehr schwer sein würde, an dieser Konstitution etwas zu ändern. Wenn meine beste Freundin drei Eigenschaften von mir nennen müsste, würden sie vermutlich lauten:

»Hört gut zu«, »Isst gern Toffifee« und »Steht nicht über den Dingen«.

Was würde ich für ein dickes Fell geben, und ich rede nicht von einem, das PETA auf den Plan ruft. Ich wäre gern jemand, dem es egal ist, was andere von ihm denken. Der sich nur für sich selbst anzieht, nur das tut und sagt, was er selbst mag, und nicht das, was jemand anderes gut finden könnte. Der mit den Schultern zuckt und die Musik aufdreht, wenn jemand lästert, er hätte nicht gewusst, dass es in dieser Größe noch Röhrenjeans gibt.

Meine Vermutung lautet: Als so eine Person wird man geboren. Es gibt diese Kinder, die man manchmal selbstvergessen in einem Planschbecken stehen sieht, mit Rüschentop über der Schwimmwindel und »Was willst du, Bitch?«-Gesichtsausdruck. Und plötzlich siehst du sie mit 19 vor dir. Sie trägt ihr Haar offen und tanzt expressionistisch, nur für sich allein, auf einer Tanzfläche und alle stehen drum herum und denken: Wie cool!

Manch andere Kinder verstecken sich lieber hinter den Beinen ihrer Mutter. Wie ich. Sie tanzen später überhaupt nur mit drei Rosé-Prosecco intus und im Schutzwall aus mindestens 20 Leuten. Und auch dann fragen sie sich (es sei denn, es waren fünf Rosé-Prosecco, dann befinden sie sich meistens auf dem Weg an die frische Luft): Habe ich den Hintern Richtung Wand gedreht? Sehe ich albern aus? Oh Gott, habe ich gerade wirklich diese Geste gemacht, die ich im Beyoncé-Video gesehen habe?

Vielleicht finden Forscher eines Tages das Gen, auf dem das »Über den Dingen stehen« geregelt wird und können es für zukünftige Generationen manipulieren.

Bis dahin bleiben den Sensibelchen von uns diese quälenden Grübeleien. Sie verschwinden nicht plötzlich, wenn wir ein gewisses Alter erreicht haben.

Wir bleiben angefasst, wenn jemand nicht nett zu uns ist.

Wir schlafen schlecht, wenn wir einen Fehler gemacht haben.

Wir reagieren mit...

Blick ins Buch

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