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Ernährung – essen wie ein technisierter Höhlenmensch
»Eine gute Küche ist das Fundament allen Glücks.«
Auguste Escoffier
”Jedes Jahr begegnen wir neuen Ernährungstrends, die uns schnelles Abnehmen und ewige Jugend versprechen. Bei diesem Überangebot wird es immer schwieriger zu entscheiden, was nun tatsächlich gut für dich ist und was nicht. In diesem Kapitel findest du bewährte Richtlinien und Methoden, um gängige Schadstoffe zu vermeiden und dich optimal zu ernähren.
Höre auf, Trends zu folgen
»Hatten Höhlenmenschen denn schon Massenspektrometer? Ich glaube nicht.« Nur ein paar Meter von den Volleyballfeldern von Venice Beach entfernt hüllt die kalifornische Abendsonne den ersten Bulletproof Coffeeshop in ein sanftes orangefarbenes Licht. Dave Asprey, der Besitzer des Cafés, nippt an dem gleichnamigen Kaffeegetränk, das er selbst erfunden hat und für das er bekannt wurde. Der »kugelsichere« Kaffee wird mit Weidebutter und Kokosfett angereichert, um sättigende Fette ohne energieraubenden Milchzucker zuzuführen. Dave erklärt mir, wie sich seine Ernährungsweise von der eines Steinzeitmenschen unterscheidet. »Jäger und Sammler waren keine technisierten Biohacker und hatten nicht den Zugang zu moderner Labordiagnostik wie wir heute.« Während es unter vielen Ernährungsexperten gerade sehr angesagt ist, das zu essen, was schon unsere prähistorischen Vorfahren konsumiert haben, geht ein Biohacker wie Dave Asprey noch einen Schritt weiter. Denn wenn wir besser verstehen, wie sich bestimmte Lebensmittel und Ernährungsweisen auf unseren Körper auswirken, können wir auch bessere Ernährungsentscheidungen treffen, und das trendunabhängig.
Gerade erleben wir wieder einen Frühling der kohlenhydratarmen und fettreichen Diäten. Dies beruht auf immer mehr Erkenntnissen, die belegen, dass viele Kohlenhydrate unserem Körper mehr schaden als nutzen.9 Zum Beispiel hat erst vor Kurzem eine breit angelegte Analyse von 16 000 Studien der schwedischen Behörde für die Bewertung von Gesundheitstechnologie signifikante Anzeichen für die Vorteile einer kohlenhydratarmen und fettreichen Ernährungsweise aufgezeigt,10 besonders bei Übergewichtigen und Prädiabetikern. Dabei ist es schon länger bekannt, dass die in den meisten westlichen Ländern empfohlene Ernährungsweise nicht unbedingt die gesündeste ist. Die positive Assoziation einer fettreichen Ernährung mit einer guten Gesundheit bekam erstmals wissenschaftliche Aufmerksamkeit, als man in den 1970ern beobachtete, dass das Naturvolk der Inuit in Grönland trotz einer sehr fett- und cholesterinreichen Ernährungsweise eine signifikant niedrigere Inzidenz koronarer Herzerkrankungen aufzeigte.11 Gleichzeitig bemerkte man in westlichen Gesellschaften, dass ein Ungleichgewicht von Fetten und Kohlenhydraten chronische Entzündungen im Körper und damit ernsthafte Krankheiten verursachen kann. Aufgrund dieser Erkenntnisse entstanden neue Ernährungstrends, die vermehrt auf Fett und weniger auf Zucker basieren. Dazu zählen zum Beispiel die Paläo- und auch die ketogene Ernährung. Während sich die Paläo-Ernährung daran orientiert, was unsere steinzeitlichen Vorfahren gegessen haben, versucht die ketogene Ernährungsweise den Körper über eine stark fettreiche Ernährung in einen fastenähnlichen Fettstoffwechsel, den sogenannten ketotischen Zustand, zu versetzen. Die Ernährungsrichtlinien dieser Diäten verhelfen zwar schnell zu einer gesünderen Nährstoffverteilung, aber die vereinfachten Regeln lassen viel Raum für Interpretation. Ein Lebensmittel, das als »Paläo« oder »keto« eingestuft wird, kann durchaus schadstoffbelastet sein oder in der falschen Dosis unseren Hormonhaushalt durcheinanderbringen. Ebenso andersherum. Ein Lebensmittel, das nach den Regeln einer Diät ausgeschlossen wird, wäre vielleicht eine gute Ergänzung unseres Speiseplans. Ein Beispiel ist Butter. Obwohl Butter nach klassischer Auffassung nicht »Paläo« ist, da es zu den Milchprodukten gehört, spricht wenig gegen den beliebten Brotaufstrich. Die klassische Butter, besonders wenn sie von Kühen aus Weidehaltung kommt, ist reich an wertvollen Fettsäuren, den Vitaminen A, D und K und dagegen arm an der oft unverträglichen Laktose sowie dem schwer verdaulichen Kasein.
Jetzt fragst du dich vielleicht: Wie soll ich denn bloß wissen, was gut für mich ist und was nicht, wenn ich mich nicht an einfache Schubladen, wie zum Beispiel das Meiden von Milchprodukten, halten kann? Auch wenn viele Prinzipien der Low-Carb-Diät oder der Paläo-Diät wissenschaftlich sinnvoll sind, so ist die Herangehensweise eines Biohackers an seine Ernährung doch eine völlig andere. Die Ernährungsweise eines Biohackers basiert auf den aktuellsten Erkenntnissen der medizinischen, biotechnologischen, psychologischen und ernährungswissenschaftlichen Forschung. Ziel ist es, den Körper mithilfe der Ernährung von leistungsmindernden Entzündungen zu befreien und ihn in einen Zustand höchster mentaler und physischer Leistungsfähigkeit zu versetzen und diesen zu halten. Es gilt also: Folge nicht dem neuesten Trend, sondern lerne deinen Körper kennen!
Ein Biohacker achtet darauf, seine Lebensmittel saisonal und regional auszuwählen. Wochen- und Bauernmärkte halten ein reichhaltiges Angebot bereit – oft auch in Bioqualität.
Ernährungsrichtlinien eines Biohackers
Ernährung ist mehr als nur die Aufnahme von Nährstoffen. Mit jeder Nahrungsaufnahme findet eine Art der Unterhaltung zwischen unserem Körper und den aufgenommenen Stoffen statt. Mit zunehmendem Verständnis der Lebensmittel und deren Auswirkungen auf unseren Körper können wir Nahrungsmittel in ihrer ganzen Pracht genießen, ohne uns Sorgen zu machen, was sie wohl in unserem Körper anstellen. Als Biohacker habe ich mir ein paar einfache Ziele und Richtlinien geschaffen, die sich an einer Balance von vielen Nährstoffen, wenigen Giftstoffen und maximalem Genuss orientieren.
Das sind meine Ernährungsziele:
1.Die Vielfalt von Lebensmitteln zu genießen, ohne meinen Körper zu belasten.
2.Die Fähigkeit, hochwertige Quellen an Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln zu identifizieren, um meinem Körper und Geist die Nährstoffe zu liefern, die diese verlangen.
3.Die Neugierde, zu experimentieren und dazuzulernen, um mit meiner Ernährung lange gesund und leistungsfähig zu bleiben, ohne auf den Genuss einer schmackhaften Mahlzeit zu verzichten.
Das sind meine Ernährungsgrundsätze:
keine Zusatzstoffe
regional
saisonal
unverpackt
selbst gekocht
je weniger Zutaten, desto besser
je frischer, desto besser
je weniger erhitzt und scharf angebraten, desto besser
Die Paläo-Ernährung ist eine prähistorische oder steinzeitliche Ernährungsweise, die auf Lebensmitteln und Zubereitungsmethoden beruht, die bereits von unseren prähistorischen Vorfahren gegessen und angewandt wurden. Die Theorie hinter Paläo stützt sich auf die Erkenntnis, dass sich unsere genetisch beinahe identischen Vorfahren mit dieser Ernährungsweise durchgesetzt haben. Der Erfolg ist wissenschaftlich erklärbar, denn viele der Prinzipien der Steinzeiternährung gehen einher mit aktuellen Erkenntnissen der Wissenschaft. Allerdings hatten Höhlenmenschen noch keinen Zugang zu den modernen Herstellungsweisen, um beispielsweise Xylitol, einen künstlich hergestellten und als gesund eingestuften Süßstoff, herzustellen.
Für einen Biohacker stellt die Paläo-Ernährung eine gute Grundlage dar, die mit neuen Erkenntnissen und Errungenschaften ergänzt werden kann. Zum Beispiel würde es aus Sicht des Biohackings für viele Leute sinnvoll sein, Kuhmilch zu meiden, Butter aus Kuhmilch aber weiterhin zu konsumieren. Gleichzeitig ist Gemüse zwar reich an Nährstoffen, aber auch an natürlich vorkommenden Schadstoffen, genannt Lektine, die mit der richtigen Zubereitungsmethode aber entfernt werden können.
Falsche Lebensmittel verursachen Entzündungen
Früher bin ich oft schweißgebadet und mit rasendem Puls aufgewacht, ohne genau zu wissen, was los war. Ich habe es dann oft einem wieder vergessenen Albtraum in die Schuhe geschoben, das T-Shirt gewechselt und mich wieder hingelegt. Gleichzeitig waren beim nächsten Arztbesuch meine Entzündungsmarker erhöht. Den Zusammenhang erkannte ich allerdings erst Jahre später. Damals habe ich meinen Körper durch intensiven Leistungssport beansprucht, ohne auf eine förderliche Ernährungsweise zu achten oder ihm ausreichend Erholung zu bieten. Nicht selten holte ich mir nach dem Training erst einmal ein paar Donuts und zockte dann bis spätnachts mit meinem Mitbewohner das neueste FIFA-Spiel. Das Problem mit Entzündungen im Körper ist oft, dass sie sich nicht unmittelbar...