1. Warum es unlogisch ist, dass ….
… ein Mittel nur in der Schulmedizin wirken soll, nicht aber in der Homöopathie
1.1 Glaubenskrieg um die Homöopathie
Um die Anwendung der Homöopathie bei der Behandlung von Krankheiten tobt ein wahrer Glaubenskrieg. Die eine Seite wertet alternative Behandlungsmethoden außerhalb der Schulmedizin gleichsam reflexartig ab und argumentiert, dass es für solche Methoden keinerlei Wirksamkeitsnachweise gäbe. Bei manchen Fachautoren genügt offenbar schon ein einziges Wort wie „homöopathisch“ um auf weitere Recherchen zu verzichten und den so attribuierten Arzneimitteln jegliche Daseinsberechtigung abzusprechen.
In dem 2015 vom Bremer Gesundheitswissenschaftler und Facharzt für innere Medizin Norbert Schmacke herausgegebenen Band „Der Glaube an die Globuli – die Verheißung der Homöopathie“ wird radikal mit der Homöopathie abgerechnet. Seiner Meinung nach ist Homöopathie gefährlich, weil sie von einer wirklich medizinischen Behandlung abhalten könne.1
Wenn allerdings eine Buch-Veröffentlichung zu weit vom Pfad der Objektivität abweicht, dann kommt es schon mal vor, dass ein Gericht dem Einhalt gebietet. So geschehen im Jahr 2005, als die Stiftung Warentest eine von der Deutschen Homöopathieunion beantragten einstweiligen Verfügung des Landgerichts Hamburg anerkannte und den Vertrieb des Buches „Die andere Medizin“ einstellte.2 Es ist somit nicht mehr im regulären Handel. In diesem Buch wurden von der Stiftung Warentest „Alternative“ Heilmethoden, nach evidenzbasierten Kriterien beurteilt, wie sie auf ihrer Homepage versprach.3 Unter anderem schrieb sie: „Die Hinweise zur Wirksamkeit des sicherlich bekanntesten und am meisten genutzten Verfahrens, der Homöopathie, sind so schwach, dass sie sich von Plazeboeffekten nicht abgrenzen lassen.“
Andererseits gehören in Deutschland dem Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) mehr als 7000 Medizinerinnen und Mediziner an, die die Homöopathie zumindest bei manchen Beschwerden sehr erfolgreich anwenden. 60 Prozent der Deutschen haben schon Globuli geschluckt, sagt eine Allensbach-Studie aus dem Jahr 2014. Im Jahr 2015 wurden in Deutschland Homöopathika für 595 Mio. Euro umgesetzt, das war ein Wachstum von den 12,8 Prozenten gegenüber dem Vorjahr. Können sich Tausende Mediziner und Millionen Patienten irren?
Als Nichtmediziner kann ich über diese kontroverse Situation nur ungläubig den Kopf schütteln. Es ist auch nicht meine Absicht in diesem Glaubenskrieg mitzumischen. Mein Motiv ist vielmehr naturwissenschaftlich begründet. Wie muss ich als Naturwissenschaftler die angeführten Argumente der einen oder andere Seite bewerten? Was ist plausibel? Inwieweit kann für mich als mündiger oder skeptischer Patient die Homöopathie hilfreich sein? Wer nichts weiß, muss alles glauben, deshalb ist eine sorgsame und faire Information wichtig.
Dieses Buch soll informieren und eine unparteiische Entscheidungshilfe sein, ob und inwieweit und bei welchen Beschwerden eine homöopathische Behandlung in Frage kommen kann. Es soll dabei helfen, sich situationsgerecht für die eine oder die andere Seite der Hippokrates-Jünger zu entscheiden, nämlich ob man den homöopathisch ausgebildeten Arzt aufsucht oder lieber den, der alternativmedizinische Methoden ablehnt.
Eines scheint klar zu sein, die eine Seite wird an der anderen Seite kein gutes Haar lassen und so muss ich mich als Patient entscheiden, welchen Rat ich einhole, um nicht zwischen den Fronten zerrieben zu werden.
Fangen wir deshalb an, mit einer ersten einführenden Information über die alternative Behandlungsmethode, um die es hier geht. Im späteren Hauptteil des Werkes, der von dem naturwissenschaftlich orientierten Homöopathen Dr. med. J. Voorhoeve geschrieben wurde, wird dann das Thema noch im Einzelnen ausgeführt werden.
Die Homöopathie ist eine alternative medizinische Behandlungsmethode, die auf den im Jahre 1796 veröffentlichten Ideen des deutschen Arztes Samuel Hahnemann basiert. Ihre wichtigste Grundannahme ist das von Hahnemann formulierte Ähnlichkeitsprinzip: „Ähnliches möge durch Ähnliches geheilt werden“ (similia similibus curentur). Danach solle ein homöopathisches Mittel so ausgewählt werden, dass die Bestandteile der Grundsubstanz im unverdünnten Zustand bei Gesunden Symptome hervorbringen können, die denen ähnlich sind, wie die, an denen der Patient leidet.
„Jedes wirksame Arzneimittel erregt im menschlichen Körper eine Art von eigner Krankheit, eine desto eigenthümlichere, ausgezeichnetere und heftigere Krankheit, je wirksamer die Arznei ist. Man ahme der Natur nach, welche zuweilen eine chronische Krankheit durch eine andre hinzukommende heilt und wende in der zu heilenden (vorzüglich chronischen) Krankheit dasjenige Arzneimittel an, welches eine andre, möglichst ähnliche, künstliche Krankheit zu erregen im Stande ist und jene wird geheilet werden; Similia similibus.“
– Samuel Hahnemann, 1796
Zur Herstellung der homöopathischen Arzneimittel werden die Grundsubstanzen einer sogenannten Potenzierung (Verdünnung) unterzogen, das heißt, sie werden wiederholt (meist im Verhältnis 1:10 oder 1:100) mit Wasser oder Ethanol verschüttelt oder mit Milchzucker verrieben. Die Verdünnung wurde zunächst wegen der Giftigkeit vieler der verwendeten Stoffe durchgeführt. Erst in einer späteren Phase verordnete Hahnemann „Hochpotenzen“. Hahnemann nahm an, dass durch das besondere Verfahren der Potenzierung oder „Dynamisierung“ eine „im inneren Wesen der Arzneien verborgene, geistartige Kraft“ wirksam werde. Zur Begründung der Hochpotenzen ging er davon aus, dass sich hier „die Materie […] roher Arznei-Substanzen […] zuletzt gänzlich in ihr individuelles geistartiges Wesen auflöse“.4
Arzneimittelprüfungen werden in der Homöopathie nach Hahnemanns Vorgaben durchgeführt: Homöopathische Prüfer, die gesund sein müssen, nehmen ein Mittel ein und notieren anschließend alle Veränderungen und Reaktionen, die sie an sich feststellen.
Die aufgezeichneten Symptome mehrerer solcher Prüfungen werden zu einem homöopathischen Arzneimittelbild zusammengefasst und in Verzeichnissen nach Mitteln oder nach Symptomen (Repertorien) angeordnet.
Die Homöopathie ist keine einheitliche Lehre. Es gibt verschiedene Richtungen, die sich teilweise gegenseitig bekämpfen. Der Begriff „Klassische Homöopathie“ entstand aus dem Bemühen, sich vom großen Spektrum der als „homöopathisch“ bezeichneten Heilmethoden abzugrenzen. Grundlagen der Klassischen Homöopathie sind die Lehre Hahnemanns und die sich daran orientierenden Weiterentwicklungen der Heilmethode. Im Gegensatz zu vielen anderen Richtungen der Homöopathie wird in der Klassischen Homöopathie immer nur ein Mittel auf einmal verabreicht, meistens in einer mittleren oder hohen Potenz.
Die naturwissenschaftlich-kritische Homöopathie ist eine Richtung der Homöopathie, die homöopathische Arzneimittel als Ergänzung zu schulmedizinischen Therapieformen einsetzt. Häufig werden niedrige Verdünnungen verwendet, in denen ein chemisch nachweisbarer Anteil der Arzneisubstanz vorhanden ist. Die Behandlung mit hohen Verdünnungen (Hochpotenzen) wird abgelehnt. Arzneimittel werden zudem nach Pathologie (Krankheit) verordnet. Das erleichtert besonders die Findung des passenden Arzneimittels, weil zum Beispiel für eine Erkältungskrankheit nur noch aus einer Liste von wenigen Mitteln ausgewählt werden muss.
Als relative Kontraindikation der naturwissenschaftlichen Homöopathie gelten Erkrankungen, die eine Substitutionstherapie erfordern, wie Diabetes mellitus Typ 1, akute Erkrankungen, die aus vitaler Indikation oder zur Vermeidung von Spätfolgen eine rasche schnell wirksame Behandlung erfordern und für die es bewährte Therapien gibt, wie beim akuten Herzinfarkt, bei allergischem Asthma oder allergischem Schock. Ferner zählen jene organischen Erkrankungen zur Kontraindikation, bei denen eine lebensbedrohliche Verschlechterung vorprogrammiert ist, wie etwa bei einer Krebserkrankung.
Bei zu niedrigen Verdünnungen kann eine reguläre unerwünschte Arzneimittelwirkung auftreten, wenn noch nennenswerte giftige Stoffmengen enthalten sind. So können z. B. durch die Anwendung von zu niedrig verdünnten Mercurius (Quecksilber), Arsenicum (Arsen) oder Nux vomica (Brechnuss), einer Pflanze, die Strychnin-Alkaloide enthält, Vergiftungen hervorgerufen werden.
Der spektakuläre Fall einer Vergiftung ging Anfang 2017 durch die Presse. „Zehn Kinder starben nach Einnahme von Globuli“ titelte die ZEIT ONLINE.5 Ursächlich sollen Rückstände der giftigen Tollkirsche (Atropa Belladonna) sein. Eines der wirksamsten Bestandteile der Tollkirsche ist Atropinum, welches in der Augenheilkunde zur Erweiterung der Pupillen verwendet wird. Die Tollkirsche oder Belladonna gilt...