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Sind Kapazitätsmechanismen eine Antwort auf volatile Strommärkte? Analyse unterschiedlicher Instrumente zur Kapazitätsbewirtschaftung

AutorJosef Schmid
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl69 Seiten
ISBN9783668491793
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2017 im Fachbereich Energiewissenschaften, Note: 1, Johannes Kepler Universität Linz (Energieinstitut), Sprache: Deutsch, Abstract: Obwohl in Europa ein Grundkonsens für den Energy-Only-Markt zu herrschen scheint, zeigen gerade erst kürzlich in Betrieb genommene Kapazitätsmechanismen, dass der Energiemarkt alleine nicht immer auch die notwendige Versorgungssicherheit gewährleisten kann. Als Hauptgrund werden fehlende Investitionsanreize in Kraftwerkskapazitäten genannt. Aus diesen Gründen investieren zahlreiche Mitgliedsländer der Europäischen Union (EU) in gesicherte Kraftwerkskapazitäten, die sich allerdings nicht alleine durch die Energiemärkte finanzieren. Diese Mechanismen können unterschiedlich ausgestaltet sein, werden jedoch jeweils von öffentlicher Hand angewiesen und stellen somit eine Beihilfe dar. Aus Sicht der EU birgt dies mit Blick auf den freien Binnenmarkt Risiken, da es bei Interventionen im Markt zu Verzerrungen kommen kann. Überkapazitäten, damit teurere Stromkosten für Konsumenten und in weiterer Folge Wettbewerbsnachteile wären die Folge. Für Kraftwerksbetreiber kann sich künftig durch Kapazitätsmechanismen ein zweiter Markt etablieren. Auf diesem können unter dem Gesichtspunkt Versorgungssicherheit, zusätzlich zum Energiemarkt, Einnahmen generiert werden. Nachdem aktuell Diskussionen betreffend Einführung solcher Mechanismen geführt werden und Investitions- und Kraftwerksparkstrategien am Energiesektor langfristig angelegt sind, ist es für Kraftwerksunternehmen sowie für politische Entscheidungsträger strategisch relevant, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Nur so kann jeweils individuell bestimmt werden, welcher Mechanismus für die jeweils zu lösende Aufgabe herangezogen werden könnte. Die Arbeit gibt einen umfassenden aber gleichzeitig kurz gehaltenen Überblick über unterschiedliche Formen von Kapazitätsmechanismen. Ergänzt wird dies über eine praxisorientierte Darstellung im Rahmen eines Anwendungsfalls für zwei konkrete Gas-und-Dampf-Kraftwerke.

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Leseprobe

2 Grundlagen


 

Der Ausgangspunkt für die folgenden Ausführungen ist der aktuelle Stand der europäischen Energiepolitik. Zugrunde gelegt sind darin unter anderem eine Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energieträger, eine höhere Energieeffizienz und die (damit in Verbindung stehende) Reduktion der Treibhausgasemissionen. In weiterer Folge werden im Überblick die Funktionsweise und Charakteristika des Strommarktes dargestellt. Daran anknüpfend werden daraus entstehende Herausforderungen beleuchtet sowie – entsprechend dem Titel der Arbeit – Lösungsmöglichkeiten beschrieben. Als Abschluss der Grundlagendarstellung wird die Sektor-Untersuchung der Europäischen Kommission dargestellt und damit in das Thema „Kapazitätsmechanismen“ eingeleitet.

 

2.1 Energiewende


 

Die oben angeführten Ziele der EU werden allgemein mit dem Begriff „Energiewende“ bezeichnet. Es geht dabei im Kern darum, Energie erneuerbar, effizienter und damit in nachhaltiger Form zu erzeugen.[5]

 

Eine Zunahme der Erzeugung erneuerbarer Energie ist in der EU mit jährlich 5,6% bzw. in Summe etwa 73% von 2004 bis 2014 klar feststellbar. Veranschaulicht am Bruttostromverbrauch aus erneuerbaren Quellen bedeutet das eine Steigerung von ca. 14% im Jahr 2004 auf über 27% im Jahr 2014, wie folgende Abbildung illustriert. Hierbei zeigt sich auch bereits, aus welchen Energiequellen diese Steigerung im Wesentlichen stammt. Diese sind Wind, Sonne und Biomasse.[6]

 

Abbildung 2-1: Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen; 2004 – 2014 in den EU-28

 

 

Quelle: Europäische Kommission (2016a)

 

In den einzelnen Mitgliedsländern gibt es jedoch sehr unterschiedliche Ausgangspositionen. Aus dem Grund sind, dargestellt in der folgenden Abbildung, auch die Zielwerte für das Jahr 2020 unterschiedlich. Der grüne Balken zeigt die Ist-Werte für erneuerbare Energieträger am Bruttoenergieverbrauch für das Jahr 2014 und der pinke Querstrich symbolisiert den Zielwert für das Jahr 2020.[7]

 

Abbildung 2-2: Anteil erneuerbarer Energieträger am Bruttoenergieverbrauch 2014 und 2020

 

 

Quelle: Europäische Kommission (2016a)

 

Länder wie Luxemburg oder Malta haben völlig anderen Voraussetzungen wie beispielsweise Schweden oder Lettland. Österreich befindet sich, wie der Grafik entnommen werden kann, bereits auf einem relativ hohen Niveau und dürfte auch den Zielwert für das Jahr 2020 erreichen.

 

Diese angestrebte Entwicklung ist nur durch jene erneuerbaren Energieträger möglich, deren Stromerzeugung vom witterungsbedingt sowie jahres- und tageszeitlich schwankenden Dargebot abhängt.[8] Diese volatilen erneuerbaren Energieträger werden bzw. sollen folglich auch in den nächsten Jahren ausgebaut werden. Im Jahr 2016 lag laut Monitoring-Report der E-Control[9] der Leistungsanteil des von Wind und Sonne produzierten Stroms in Österreich bei 7,2%. Bis 2025 rechnet man mit 12,5%. Der Anteil volatiler erneuerbarer Energieträger wird laut dieser Prognose im Jahr 2025 in 22 Ländern in Europa bei über 50% liegen, womit die Tragweite der zu erwartenden Volatilität deutlich wird.[10]

 

2.2 Strommarkt


 

Auf Basis des Artikels 194 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union wurden seit 1996 mehrere gesetzliche Vorschriften entwickelt, die den EU-Binnenmarkt im Bereich Strom und Gas liberalisierten.[11]

 

Darauf aufbauend wurde im Jahr 2001 in Österreich das Strommarktdesign in den Grundsätzen umgestellt. Anbieter von Strom stehen seit dieser Zeit im Wettbewerb zueinander. Induziert wurde dieser Wettbewerb indem man aus dem ursprünglich integrierten Monopol-Betrieb getrennte Unternehmen schaffte, wobei die Erzeugung, der Handel und der Vertrieb von Strom dem Wettbewerb ausgesetzt wurden.[12] Die Netzbereiche agieren weiterhin nicht im Wettbewerb, da diese aufgrund ihrer natürlichen Monopolstellung staatlich reguliert sind.[13] Das Stromnetz stellt ein natürliches Monopol dar, da im Wettbewerbsfall auf Dauer nur ein Unternehmen, ein Monopolist, überleben würde.[14]

 

Am österreichischen Strommarkt, der mit Deutschland und Luxemburg eine gemeinsame Handelszone bildet, treffen Energie-Angebote und dessen Nachfrage zusammen. Einen solchen Markt, der ausschließlich Energiemengen handelt, bezeichnet man als Energy-Only-Markt (EOM). Das alleinige Bereitstellen einer bestimmten Stromkapazität ist nicht Teil dieses Energiemarktes und wird folglich auch nicht bewertet. Zahlungen erfolgen also nur für tatsächlich gelieferte Energiemengen.[15] Gehandelt werden die Energiemengen entweder über Strombörsen oder direkt zwischen Anbieter und Nachfrager. Die für Österreich relevanten Strombörsen sind die European Energy Exchange (EEX) in Leipzig sowie die Energy Exchange Austria (EXAA) in Wien. Dort werden standardisierte Handelsprodukte, wie etwa Terminprodukte um zukünftige Marktunsicherheiten auszugleichen oder Spotprodukte für kurzfristige Bedarfsanpassungen, gehandelt. Dieser Spotmarkt kann in Day-Ahead-Markt und Intraday-Handel unterteilt werden, wobei ersterer eine Vertragserfüllung am nächsten Tag erfordert und der Intraday-Handel das Ausgleichen unvorhergesehener Ereignisse am selben Tag ermöglicht. Die größten Strommengen werden nicht über die Börse, sondern „Over-the-Counter“ (OTC) abgewickelt, also direkt zwischen Anbieter und Nachfrager.[16]

 

Strom ist ein Produkt, das nicht jederzeit in beliebiger Menge zur Verfügung steht, da er noch nicht in ausreichender Menge und unter wirtschaftlich interessanten Parametern speicherbar ist. Aus dem Grund muss zu jeder Zeit jene Strommenge produziert werden, die genau zur selben Zeit gebraucht bzw. verbraucht wird. Für die dazugehörigen Erzeugungsplanungen werden Prognosen über den Stromverbrauch und daraus sogenannte Lastprofile erstellt. Als Last wird der Strombedarf bzw. die Nachfrage verstanden.[17] Kann der Strombedarf nicht mittels der dargestellten Vermarktung abgedeckt werden oder schaffen die Stromleitungen den physikalischen Transport des Handelsergebnisses nicht, leidet die Netzfrequenz und es entstehen Engpässe. Daraus resultierende Stromschwankungen, welche negative Auswirkungen auf Kunden bzw. deren Anlagen haben würden, werden mittels Ausgleichsenergie eliminiert. Diese notwendige Energiemengen werden von dafür unter Vertrag stehenden Kraftwerken im Bedarfsfall angefordert um Angebot und Nachfrage auszugleichen und so das Ziel einer stabilen Netzfrequenz zu gewährleisten.[18]

 

2.3 Herausforderungen im Strommarkt


 

In den folgenden Unterpunkten werden aus der dargestellten Ausgangssituation betreffend Energiewende und auf Basis der Funktionsweise des EOM spezifische Herausforderungen des Strommarktes dargestellt.

 

2.3.1 Merit-Order-Effekt & Volatile Märkte


 

Die Strompreisbildung erfolgt über eine sogenannte Merit-Order. Diese bestimmt auf Basis von Grenzkosten, welche Kraftwerke zum Einsatz kommen. Zuerst werden Kraftwerke mit den niedrigsten Grenzkosten angefordert und sukzessive Anlagen mit höheren variablen Kosten ergänzt, bis die Deckung der Nachfrage erreicht wird. Jenes Kraftwerk das letztlich zur Deckung der Nachfrage geführt hat, bestimmt den Strompreis.[19]

 

Bedingt durch den Anstieg der erneuerbaren Energieträger, die vielfach mit sehr geringen variablen Kosten und damit niedrigen Grenzkosten anbieten, werden teuer produzierende Kraftwerke aus dem Markt verdrängt. Dieses Phänomen wird Merit-Order-Effekt genannt.[20]

 

Zur Veranschaulichung dienen folgende Abbildungen. Das erste Bild zeigt die Merit-Order vor dem verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energieträger und das zweite Bild zeigt die neue Merit-Order nach einem entsprechenden Ausbau der erneuerbaren Energieträger. Damit wird die Preisminderung, zu sehen an der verschobenen Kurve, veranschaulicht.[21]

 

Abbildung 2-3: Strompreisbildung an der Börse laut Merit-Order

 

 

Quelle: Next Kraftwerke (o.J.)

 

Abbildung 2-4: Strompreisbildung an der Börse: Veranschaulichung Merit-Order Effekt

 

 

Quelle: Next Kraftwerke (o.J.)

 

Dieser Merit-Order-Effekt wurde in Studien belegt, indem man die Day-Ahead Strompreise mit der Einspeisung erneuerbarer Energieträger in Zusammenhang gesetzt hat. Der Effekt war dabei in mehreren EU-Mitgliedsländern, auch mit unterschiedlichen Anteilen an Ökostrom, feststellbar.[22]

 

Erneuerbare Energieträger haben ebenso in einer kurzfristigen Betrachtung Einfluss auf den Strommarktpreis. Das folgende Beispiel zeigt, dass aufgrund gestiegener...

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