Freiheit suchen
»Lasst uns das Leben willkommen heißen.«
Woche 1
Willkommen
Ich betrete einen großen Raum voller unbekannter Gesichter. Voller Menschen, die ich erst noch kennenlernen muss. Wer von ihnen nicht nur Kollege, sondern auch Freund sein wird, wird sich im Laufe des Jahres erst herausstellen. Es ist ein langsamer Entdeckungsprozess. Es fühlt sich an wie der erste Schultag. Und das ist es tatsächlich, denn ich habe gerade meine erste Stelle als Lehrerin angenommen.
Das neue Jahr ist also tatsächlich neu für mich. Eine neue Lebensphase, neue Situationen, neue Herausforderungen. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich all das willkommen heißen möchte.
Ich weiß nicht, wie dein Jahr aussah, das gerade erst zu Ende gegangen ist. Ich kann dir auch nicht sagen, was das neue Jahr für dich bereithält. Sind neue Menschen in deinem Haus und deinem Leben willkommen? Wartest du auf Veränderungen in diesem Jahr oder hältst du dich lieber von neuen Dingen fern? Hast du Angst vor der Zukunft oder lässt du dich einfach drauf ein?
Das Leben und seine Menschen überwältigen uns manchmal. Sie überraschen uns.
Nach der ersten Schulwoche merke ich, dass unbekannte Gesichter schnell vertraut werden. Menschen, die ich vorher nicht kannte, sind wirklich nett und es ergeben sich gute Gespräche. Obwohl ich Respekt vor all den neuen Aufgaben habe und erst mal zurückhaltend bin, entdecke ich auch langsam ein verloren geglaubtes Gefühl wieder: die Leidenschaft und Begeisterung für all die Möglichkeiten, die vor mir liegen.
Wenn wir also nun dieses neue Jahr beginnen – jeder von uns mit seinen eigenen Freuden und Herausforderungen – lasst uns die Vergangenheit und alle Zurückhaltung hinter uns lassen. Lasst uns neue Menschen in unserem Leben mit offenen Armen empfangen und alten Freunden erlauben, uns zu überraschen. Lasst uns Unterbrechungen und versteckten Segensgeschenken gespannt entgegensehen. Lasst uns manchmal vom Leben überwältigt sein und Ruhemomente dafür umso mehr genießen. Lasst uns das Leben willkommen heißen.
Weiterdenken
» Welche Dinge heißt du ungern in deinem Leben willkommen?
» Worauf freust du dich in diesem neuen Jahr, was macht dir eher Angst?
» Heiße an jedem Tag dieser Woche eine neue Sache willkommen.
Woche 2
Zuerst
Januar. Der erste Monat des Jahres. Der Anfang von so vielen neuen Dingen.
Viele Menschen nutzen das neue Jahr, um gute Vorsätze zu fassen. Die halten dann vielleicht für zehn Tage, bis die Arbeit wieder anfängt und man in alte Muster zurückfällt.
Ich bin kein großer Fan von diesen Vorsätzen, weil sie mich unter Druck setzen. Das Gefühl des Versagens und der Enttäuschung, das danach folgt, hilft mir auch nicht wirklich.
Deswegen habe ich mir ein paar Dinge vorgenommen, die ich in diesem Jahr NICHT machen werde:
Ich werde nicht rund um die Uhr arbeiten und die täglichen Sorgen mit mir herumtragen. Stattdessen möchte ich Sabbat leben und meine Woche daraufhin planen.
Ich werde mir nicht vornehmen, jeden Tag ›Stille Zeit‹ zu machen, und mich schlecht fühlen, wenn das nicht klappt. Gott kann und will mir auch außerhalb meines Zimmers um fünf Uhr morgens begegnen. Ich möchte mich herausfordern lassen, ihn an gewöhnlichen und ungewöhnlichen Orten zu finden.
Ich werde nicht herumsitzen und auf den perfekten Plan für die Zukunft warten. Stattdessen will ich die Zeit nutzen, die mir gegeben ist, denn Wartezeit ist niemals vergeudete Zeit.
Ich werde es nicht schaffen, mit allen Freunden in Kontakt zu bleiben, egal, wie sehr ich es auch versuche. Deswegen möchte ich bewusster Leben teilen und gezielt in Menschen investieren.
Ich werde nicht jeden Tag die Fassade eines organisierten und zufriedenen Lebens aufrechterhalten, denn das wäre eine Lüge. Ich bin ein Mensch, der wie jeder andere zu kämpfen hat, hinfällt und die Scherben zusammensammeln muss. Deswegen möchte ich mich in Verletzlichkeit und Ehrlichkeit üben.
In diesem Jahr will ich lernen, weniger zu TUN.
Ich möchte SEIN.
Weiterdenken
» Fasst du gute Vorsätze? Wie erfolgreich bist du damit?
» Erstelle eine Liste mit Dingen, die du dieses Jahr NICHT tun möchtest. Du kannst sie gerne mit anderen teilen, damit ihr euch gegenseitig ermutigen könnt.
» Benenne einen Aspekt deines Lebens, wo du mehr SEIN und weniger TUN möchtest.
» Überlege, wie sehr deine Beziehung zu Gott eher vom TUN als vom SEIN bestimmt ist.
Woche 3
Frei Sein
Ich weiß nicht, an was du dich aus deinen Teenagerjahren erinnerst (oder an wie viel du dich erinnern möchtest), aber mir ist hängen geblieben, dass diese Zeit oft hart und mit vielen Fragen verbunden war: Welche Musik gefällt mir? Warum tue ich die Dinge, die ich tue? Wer sind meine wahren Freunde? Wie soll mein Leben später einmal aussehen? Was denke ich über bestimmte Themen und Dinge?
Besonders im Hinblick auf meinen Glauben hatte ich viele Fragen: Warum glaube ich an Gott? Ist die Art und Weise, wie ich Gott finde und begegne, die einzig richtige Weise?
Oft fühlte ich mich eingeengt in meinen Glaubensvorstellungen, als ob Familie und Gemeinde mich in eine bestimmte Schublade gesteckt hätten und ich nur so glauben durfte. Es war also Zeit, auszubrechen.
Der Weg in die Freiheit ist keine goldglänzende Straße ins Gelobte Land. Er ist eher ein steiniger, hügeliger Pfad ins Ungewisse.
Bei all diesen Fragen erinnere ich mich auch an Gespräche mit Leuten, die anders als ich aufgewachsen sind.
Menschen, die einen anderen Lebensstil führten und unterschiedlicher Meinung waren. Menschen, die viele Fragen stellten und mich dazu zwangen, mich selbst zu hinterfragen und meine Gedanken mit etwas Abstand zu betrachten. Menschen, die mich ermutigt haben, Dinge hinter mir zu lassen, die nicht mehr zu mir passten. Sie waren da in meinen Kämpfen, feuerten mich in meiner Suche an und nahmen mir unnützes Gepäck ab, damit ich die Reise entspannter gehen konnte.
Die Reise ist noch nicht zu Ende. Aber je mehr ich vom Leben sehe und durchlebe, je mehr Menschen ich treffe und aus meinem Schubladendenken heraustrete – desto mehr entdecke ich die große Freiheit, die dort draußen ist.
Freiheit, zu sein und nicht gleich zu tun.
Freiheit, Fehler zu machen.
Freiheit, zu wachsen.
Freiheit, zu entdecken und zu lernen.
Freiheit, diesen Berg hinaufzuklettern, egal, wie lange es dauern wird.
Freiheit, zu glauben und mehr von Gott an unerwarteten Orten zu entdecken.
Freiheit, zu leben.
Weiterdenken
» Welche Fragen haben dich in deinen Teenagerjahren beschäftigt?
» Wie bist du damit umgegangen?
» Welche Fragen sind jetzt übrig geblieben?
» In welchen Bereichen deines Lebens und Glaubens wünschst du dir Freiheit?
» Wo ist es vielleicht Zeit, auszubrechen?
» Wer sind die Reisegefährten in deinem Leben?
Woche 4
Fragen sind manchmal besser als Antworten
Ich diskutiere gerne. Das liegt wahrscheinlich an meiner Familie – wie viele Stunden haben wir am Esstisch verbracht und über Politik, Ereignisse in der Schule oder das Leben allgemein diskutiert! So manchmal wurde es richtig laut und man musste lernen, seine Meinung gut zu formulieren.
Dennoch muss ich zugeben, dass ich nicht mit jedem gerne diskutiere. Ich habe einen guten Freund, der mich manchmal fast wahnsinnig macht. Er stellt Fragen. Zu allem und jedem. Das ist am Anfang noch witzig und ich denke mir gute Antworten aus, aber mit der Zeit merke ich, wie ich ungeduldig und wütend werde. Besonders, wenn es um meinen Glauben geht und ich mich hinterfragen muss. Nach und nach bröckeln meine Überzeugungen und ich bin mir nicht mehr in allem sicher. Auf manche Fragen habe ich einfach keine Antwort. Das fühlt sich irgendwie unbefriedigend und unangenehm an. Wie ein Verlust oder Schwäche.
Wo kommt dieses Gefühl her?
Es scheint tief in mir drin zu stecken, dass ich nicht zugeben darf, dass jemand anders recht haben könnte. Zweifel scheinen verboten, Veränderung hinterlässt bei mir einen negativen Eindruck. Ich setze mich selbst unter Druck, auf alles eine Antwort haben zu müssen und nichts offenstehen lassen zu können.
Aber so langsam beginne auch ich selbst, mich zu hinterfragen, Denkmuster aufzubrechen und neue Gedanken zuzulassen. Das ist zunächst mal eine Reise ins große Ungewisse. Wie ein Gang auf dem offenen Meer mit hohen unberechenbaren Wellen. Ich lasse das sichere Land hinter mir und weiß nicht, wo ich einmal landen werde. Das ist beklemmend und verunsichernd.
Doch je weiter ich laufe, je weiter ich mich rauswage, desto mehr macht sich ein anderes Gefühl in mir breit: Weite. Möglichkeiten. Mut. Freiheit.
Ich kann nun besser damit umgehen, wenn Menschen mir Fragen stellen und mein Denken hinterfragen. Ich kann jetzt einem anderen recht geben und mein Denken verändern, ohne...