2. Prozesse und Prozessmanagement
2.1. Der Begriff „Prozess“
Der Begriff Prozess wird heute in vielfacher Art genutzt. Will man ihn mit einer ganz bestimmten Bedeutung verstanden wissen, ist der Begriff nach besten Möglichkeiten eindeutig zu erläutern und abzugrenzen. Es sei hier eine Reihen von Prozessen beispielhaft genannt, um dieses Verständnis-Wirrwar zu verdeutlichen:
Der Gerichtsprozess (Verfahren vor einem Rechtspflegeorgan) – ein Ereignis, bei dem unter Hinzuziehen von Fakten und juristischen Regeln durch Handelnde versucht wird, eine rechtlich vertretbare, nachvollziehbare, unanfechtbare Lösung eines Problems oder eines Streites im Einklang mit der Gesetzgebung zu finden
Der Veränderungsprozess oder „Change Process“ – ein Vorgehen, bei dem gezielt und bewusst eine Situation, eine Struktur, ein Verhaltensmuster, ein Ablauf in etwas vorgegebenes Neues verändert wird, wobei versucht wird, alle negativ erscheinenden oder belastenden Begleitumstände so zu beeinflussen, dass sie den Veränderungsprozess nicht nachteilig stören
Der technische, chemische oder physikalische Prozess – die sequienziellen Vorgänge in einer technischen Einrichtung, bei der chemische oder physikalische Einflüsse und Eigenarten genutzt werden, um ein bestimmtes Produkt zu erzeugen
Der geschäftsorientierte Prozess – Summe von Aktivitäten, die, miteinander verknüpft, bei der Ausübung eines Geschäftes ablaufen mit dem Ziel, den Geschäftsauftrag zu erfüllen
Es ist deutlich zu erkennen, dass allen Prozessen eigen ist, dass sie Dinge enthalten, die in irgendeiner Art miteinander verknüpft/verbunden sind, sei es inhaltlich, logisch, logistisch, zeitlich, chemisch physikalisch o.Ä. Im Folgenden sollen mit dem Begriff Prozess nur solche gemeint sein, die hier als geschäftsorientierte Prozesse beschrieben sind.
Definition eines Prozesses
Alle Handlungen, die geschehen, kann man als Tätigkeiten/Aktivitäten definieren. Stehen mehrere Tätigkeiten/Aktivitäten in einem Sinnzusammenhang, wird dies als Prozess bezeichnet.
Für den Begriff „Prozess“ findet man vielfach folgende Definition:
„Ein Prozess ist eine sequenzielle und/oder logische Abfolge voneinander abhängiger Aktivitäten/Teilprozesse/Entscheidungen, um die gemäß den spezifischen Anforderungen des Kunden festgelegten/vereinbarten Ergebnisse zu liefern.“
Etwas abstrakter ist die Definition der DIN 8402:
„Ein Prozess ist ein Satz von in Wechselbeziehungen stehenden Mitteln und Tätigkeiten, die Eingaben in Ergebnisse umgestalten.“
Hilfreich zur Prozessdefinition ist auch folgende Aufzählung:
Ein Prozess …
- hat einen messbaren Input und einen messbaren Output
- hat einen definierten Anfang und ein definiertes Ende
- hat eine messbare Wertschöpfung
- optimiert den Kundennutzen
- wird durch einen Prozesseigentümer kontrolliert und gesteuert
- kann sich aus mehreren Teilprozessen zusammensetzen und selbst Teilprozess sein
- ist in gleicher Weise wiederholbar
Die folgende Grafik gibt dabei die wesentlichen Kenngrößen eines Prozesses wieder:
Abbildung 4: Die wesentlichen Kenngrößen eines Prozesses
Im Rahmen der Prozessdefinition werden drei Termini oft verwendet:
- Kunde
- Prozessausführender
- Prozesseigentümer
Angestoßen wird die Ausführung eines Prozesses durch einen Kunden (dieser kann auch ein interner Kunde der Organisation sein), der ein bestimmtes Ergebnis, ein Produkt oder eine Leistung benötigt und bereit ist, den dafür zu erbringenden Aufwand zu erstatten. Er gibt hierfür einen spezifizierten Auftrag an einen Prozessausführenden.
Abbildung 5: Der Kunde im Prozessablauf
Der Prozessausführende kennt seinen Prozessablauf, seine Regeln und Vorgaben. Ihm stehen für die Ausführung Ressourcen – wie z.B. Personal, Werkzeuge – zur Verfügung. Außerdem benötigt er Eingaben, z.B. Materialien, Informationen etc., aus denen er dann gemäß seinem Prozessablauf unter Einsatz seiner Ressourcen das Ergebnis erstellt.
Abbildung 6: Der Prozessausführende
Das Ergebnis übergibt der Prozessausführende nach Prozessausführung an den Kunden, der es übernimmt und dafür bezahlt.
Die Festlegung und Gestaltung des Prozessablaufes, aber auch die Benennung von Regeln und Vorgaben ordnet man dabei der Rolle eines Prozesseigentümers zu. Er stellt sicher, dass der Prozessablauf so gestaltet ist, dass nach Durchführung das erwartete/gewünschte Ergebnis erreicht wird. Ihm obliegt es auch, den Prozessablauf in seiner Effizienz und Effektivität zu bewerten und ggf. zu verbessern. Vielfach setzt er hierfür Kennzahlen, sogenannte „Performance Indikatoren“ (PI), die als Messskala für die Effizienz und Effektivität dienen.
Abbildung 7: Der Prozesseigentümer
In der Erläuterung des Zusammenspiels in einem Prozess werden verschiedene Rollen identifiziert und mit Leben gefüllt. In der realen Umsetzung ist die Besetzung dieser Rollen fallspezifisch. Es ist durchaus denkbar, dass mehrere Rollen durch ein Individuum wahrgenommen werden, dass einzelne Rollen auf mehrere Personen aufgeteilt werden oder auch, dass Rollen in den Unternehmen durch Funktionen abgedeckt werden.
Anbei nochmals die einzelnen Einflussgrößen auf den Prozess:
Kunde: Auftraggeber, der ein Produkt oder eine Leistung als Ergebnis eines Prozesses benötigt und den Aufwand dafür bezahlt
Auftrag: Spezifikation eines gewünschten Ergebnisses eines Prozesses und Vereinbarung darüber zwischen dem Kunden und dem Prozessausführenden
Ergebnis: gewünschtes Resultat einer Prozessausführung, d.h. ein Produkt oder eine (Dienst-)Leistung
Eingaben: z.B. Materialien, Informationen etc., aus denen der Prozessausführende gemäß seines Prozessablaufes unter Einsatz seiner Ressourcen das Ergebnis erstellt
Regeln, Vorgaben: Standards zur Festlegung und Gestaltung der Prozessausführung
Ressourcen: z.B. Personal, Werkzeuge und Infrastruktur zur Ausführung eines Prozesses
Prozessablauf: Ausführung eines definierten Prozesses
Prozessausführender: Handelnder/Verantwortlicher für die Prozessausführung
Prozesseigentümer: Verantwortlicher für die Festlegung von Vorgaben und Regeln, die gewährleisten, dass die Qualität der Prozessausführung und des Ergebnisses den Anforderungen genügt
Von besonderer Bedeutung in diesem Modell ist die Schnittstelle zum Kunden. Dabei repräsentiert der Prozessausführende die Funktion eines Ergebnislieferanten, weshalb diese Schnittstelle auch als Kunden-Lieferanten-Schnittstelle, (-Verhältnis oder -beziehung) bezeichnet wird. Von Bedeutung ist, dass beide Seiten sich gegenseitig über ihre Erwartungen und Bedingungen austauschen und diese gegenseitig akzeptieren. Dies bedeutet:
Der Kunde hat klar festgelegt, was er haben möchte (Spezifikation des Ergebnisses). Er ist bereit, den vom Ausführenden genannten Preis (Aufwand und möglicher Gewinn) dafür zu bezahlen. Nach Ausführung übernimmt er das Ergebnis, prüft es auf Einhaltung der Spezifikation und bezahlt, wenn es dieser entspricht.
Der Ausführende hat verstanden, was der Kunde haben möchte. Er hat den Preis dafür genannt. Nach Akzeptanz durch den Kunden (Auftragserteilung) führt er seinen Prozess aus, übergibt das Ergebnis spezifikationsgerecht dem Kunden und wird von diesem dafür bezahlt.
Über das Funktionieren dieser (internen oder externen) Schnittstelle wird sichergestellt, dass wirklich nur das bereitgestellt/produziert wird, was für den Kunden einen Wert darstellt, also als wertschöpfend bezeichnet werden kann.
Ein Prozess bezeichnet die Ausführung von verknüpften Aktivitäten, d.h. er ist immer eine Handlung. Dies sollte auch schon im Prozessnamen hervorgehoben werden, der sich in der Regel als Minimum aus Substantiv und Verb zusammensetzen sollte.
Prozesse sind laut Definition verknüpfte Tätigkeiten/Aktivitäten, d.h. sie liegen immer auf der Handlungsebene. In welcher Detaillierung jedoch Handlungen als eine Tätigkeit/Aktivität bezeichnet werden, ist interpretations- und wahlfähig. Beispielsweise kann der Vorgang „einen Brief schreiben“ als eine Tätigkeit/Aktivität oder als ein Teilprozess/Prozess interpretiert werden. Sieht man ihn als Teilprozess/Prozess, könnte man ihn in folgende...