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E-Book

Auf das Leben!

Witz und Weisheit eines Oberrabbiners

AutorPaul Chaim Eisenberg
VerlagChristian Brandstätter Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl144 Seiten
ISBN9783710602177
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Gibt es Streit in der Ehe, Probleme mit dem Nachbarn oder eine Krise im Job, gehen gläubige Jüdinnen und Juden nicht zum Coach oder zum Therapeuten - sie gehen zum Rabbi. Weisheit und Witz, Glaube und Gelassenheit sind im Judentum von jeher eng miteinander verknüpft. Rabbis verkörpern all das: Sie hören zu, sie wägen ab, helfen anderen dabei, den eigenen Weg zu finden. Denn wenn sich zwei streiten, wenden sie sich an ihren Rabbiner. Er hört den einen an und sagt, du hast recht. Dann hört er den anderen an und meint, du hast recht. Da kommt die Frau des Rabbiners herein und meint, die können ja nicht beide recht haben. Sagt der Rabbi: Und du hast auch recht. Rabbinische Weisheit und talmudische Logik sind in unzähligen Erzählungen, Anekdoten und Mythen dokumentiert. In seinem Handbuch der jüdischen Weisheit versammelt Paul Chaim Eisenberg, ehemaliger Oberrabbiner von Wien, kurzweilige Miniaturen rabbinischer 'Lebensberatung', von A wie Arbeit bis Z wie Zweifel. Ein humorvoll-hintersinniges Handbuch - auch für Atheisten.

Paul Chaim Eisenberg war von 1983 bis 2016 Oberrabbiner von Wien. Rabbiner bleibt man allerdings ein Leben lang, meint er, ganz wie der Papst (selbst wenn er einen Nachfolger hat) Papst bleibt.

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Jüdischer Humor


Witz und Humor sind zwei Paar Schuhe. Mir gefällt das Bild, dass Humor wie die Wellen auf dem Meer ist und der Witz wie die Schaumkrone auf einer Welle. Eine Schaumkrone kann selbstverständlich sehr interessant sein, aber erst die Welle trägt sie. Ohne die Welle gibt es die Schaumkrone nicht. Ich habe im Laufe meines Lebens meine Einstellung zum Witz immer wieder ein wenig geändert: Ich glaube heute, es sind nicht die Witze, die uns helfen, die Dinge besser zu verstehen. Sondern es sind die klugen und manchmal auch humorvollen Bemerkungen und Geschichten. Grobe und verletzende Witze sind sowieso ein No-Go, auch frauenfeindliche Scherze und solche, die Menschen niedermachen. Das sind Dinge, die man nicht tun sollte.

Ich habe mich oft gefragt, was ist ein jüdischer Witz? Die naheliegendste Antwort wäre wohl: Wenn in einem Witz Juden oder jüdische Symbole vorkommen. Doch so einfach ist es nicht. Wenn ein Witz nämlich Juden erniedrigt oder sie als geizig und raffgierig darstellt, dann ist das schon ein antisemitischer Witz. Also ist nicht jeder Witz, in dem Juden vorkommen, automatisch ein jüdischer Witz. Vielleicht lässt sich das mit Musik vergleichen: Es gibt die Musik aus den Synagogen oder alte jüdische Volkslieder, das ist jüdische Musik. Wenn ein jüdischer Komponist aber ein Oratorium schreibt, ist das nicht automatisch jüdische Musik. Auch dann nicht, wenn es gut ist.

Entscheidend ist, wie ein Witz bestimmte Eigenschaften thematisiert, die den Juden zugeschrieben werden. Passiert das in liebevollem oder selbstironischem Ton oder aber mit abwertender Haltung? Selbstironisch und liebevoll finde ich zum Beispiel folgende Witze: Ein Jude fragt einen anderen, wie die Geschäfte gehen. Darauf der: „Ich kann nicht klagen, die anderen klagen mich.“ Ich mag auch diesen Witz aus demselben Themenkreis: Ein Jude prozessiert gegen einen anderen. Er fährt auf Urlaub und überlässt seinem Anwalt den Fall. Bald schickt ihm der ein Telegramm mit dem Inhalt: „Die gerechte Sache hat gesiegt.“ Da schreibt der Jude zurück: „Sofort Berufung einlegen!“

Auch die sprichwörtliche jüdische Geschäftstüchtigkeit, die nicht zuletzt dadurch begründet ist, dass Juden bestimmte Berufe verboten waren, ist Gegenstand zahlreicher Witze und lustiger Anekdoten. Wie in diesen beiden Fällen: Die Geschäfte eines Uhrenhändlers gingen dermaßen schlecht, dass er behauptete, pro Uhr zehn Euro zu verlieren. Als ihn ein Bekannter fragte, wovon er dann lebe, erklärte der Händler: „Am Schabbat und am Sonntag hab ich zu!“

Oft entscheiden der Kontext und die Frage, wer wem einen Witz erzählt, darüber, wie der Witz einzuordnen ist. Erzählt ihn ein Jude einem anderen Juden oder erzählt ihn jemand mit antisemitischer Haltung? Wie unterschiedlich ein Witz interpretiert werden kann, zeigt diese Geschichte: Zwei Juden betreiben gemeinsam ein Geschäft. Da ruft einer den anderen an und sagt: „Mosche, ich bin sehr besorgt. Unser Geld ist nicht mehr im Safe. Was soll ich tun?“ Mosche antwortet: „Ich weiß, was du tun sollst. Leg das Geld zurück in den Safe!“

Ähnlich auch dieser Witz: Ein Jude kann in der Nacht nicht einschlafen und wälzt sich im Bett herum, bis seine Frau ihn fragt, was denn los ist. Da sagt der Mann: „Ich schulde Chaim bis morgen Geld, aber ich habe es nicht.“ Da schlägt die Frau vor: „Am besten, du rufst deinen Freund jetzt gleich an und sagst ihm, dass du das Geld nicht hast. Dann hat er eine unruhige Nacht und du kannst beruhigt schlafen.“

Bleiben wir bei noch einen Moment bei den jüdischen Frauen und fragen uns, was der Unterschied zwischen einer italienischen und einer jüdischen Mutter ist. Die italienische Mutter sagt zu ihrem Kind: „Wenn du die Spaghetti nicht isst, bringe ich dich um.“ Die jüdische Mutter sagt: „Wenn du den Strudel nicht isst, bringe ich mich um.“

Ich bin natürlich nicht der Erste, der über jüdischen Humor und über jüdischen Witz nachdenkt. Es gibt sogar Witze über jüdische Witze. Zum Beispiel den hier: Ein Jude sagt zu seinem Freund: „Ich hab einen neuen Witz für dich.“ Darauf der andere: „Ich hoffe, es ist nicht schon wieder ein jüdischer Witz. Erzähl doch einmal von einem anderen Volk!“ – „Also gut“, sagt der erste. „Zwei Chinesen spazieren durch Peking, da fragt der eine den anderen: Wie war eigentlich die Bar Mitzwa deines Sohnes?“

Zur Bar Mitzwa fällt mir gleich noch folgende lustige Geschichte ein: Ein wohlhabender Mann aus New York geht zu seinem Reisebüro und sagt: „Mein Sohn hat bald Bar Mitzwa und ich würde gerne eine Feier organisieren, die noch nie jemand gemacht hat.“ Der Leiter des Reisebüros hat eine Idee: „Ihr fliegt nach Kenia, macht eine Safari und auf einer Lichtung mitten im Urwald bereite ich eine Synagoge mit Rabbiner und Tora-Rolle vor.“ Der Mann ist begeistert und sagt zu. Nach der Bar Mitzwa fragt ihn der Travel Agent, wie es war. Da sagt der Mann: „Du bist ein Schwindler. Wir waren nicht die einzigen, wir mussten sogar warten, bis die vorige Bar Mitzwa zu Ende war. Zu dir komme ich nie wieder!“ Als sein nächster Sohn vor der Bar Mitzwa steht, geht der Mann trotzdem wieder zum Travel Agent. Diesmal bietet ihm dieser eine Bar Mitzwa an, die wirklich noch nie jemand gemacht hat: „Wir reservieren eine Rakete für die nahe Familie und fliegen für die Bar Mitzwa zum Mond.“ Wieder ist der Mann begeistert und sagt zu. Als er zurückkommt, fragt ihn der Reiseleiter, wie es war. Die Antwort fällt knapp aus: „Keine Atmosphäre!“

Sehr viele jüdische Witze beschäftigen sich humorvoll mit den Härten des Lebens. Denn Humor half den Juden immer schon dabei, schlimme Zeiten besser zu bewältigen. Das ist auch der Grund, warum es unzählige jüdische Witze über die Schoah gibt. Witze wie diesen hier: Treffen sich zur Zeit des Nationalsozialismus zwei Bauern auf der Alm. Beide tragen lange Bärte, wie sie für Bauern damals typisch waren. Da sagt einer zum anderen: „Ich verstehe die Juden nicht. Die haben Bärte wie wir. Warum ziehen sie sich nicht Lederhosen und Steirerhüte an und geben sich bei uns im Dorf als Christen aus, um sich zu retten?“ Darauf der andere: „Mir woll’n Sie erzählen?“

Natürlich kann man die Frage stellen, ob man überhaupt Witze über die Schoah machen darf. Auch mir wurde diese Frage schon viele Male gestellt – zum Beispiel in einer Fernsehshow, in die ich vor einigen Jahren eingeladen war. Mir fiel dazu folgende Erzählung aus den 1940er-Jahren ein: Ein Jude in Deutschland sieht in der Straßenbahn einen anderen Juden, der den „Stürmer“ liest. Entrüstet fragt er ihn, wie er nur dieses Naziblatt lesen kann. Der Jude mit der Zeitung antwortet: „Wenn ich ein jüdisches Blatt lese, dann steht dort, dass wir Juden verfolgt, deportiert und malträtiert werden. Wenn ich den „Stürmer“ lese, erfahre ich, dass wir alle reich und mächtig sind und die Welt regieren. Das gefällt mir besser.“

Ich mag auch folgenden Witz: Ein Nazi ruft einen Juden im KZ zu sich und sagt: „Du kannst entscheiden, ob ich dich jetzt umbringe oder am Leben lasse. Ich habe im Krieg ein Auge verloren und ein Glasauge bekommen. Wenn du mir sagen kannst, welches das Glasauge ist, lass ich dich laufen.“ Der Jude antwortet ohne zu zögern: „Das linke Auge ist aus Glas.“ Er liegt richtig und der Nazi fragt, wie er es herausgefunden hat. Da sagt der Jude: „Es schaut so barmherzig auf mich.“

Doch jüdische Witze befassen sich nicht nur mit dem Nationalsozialismus und der Schoah, sondern auch mit anderen politischen Systemen, die Menschen unterdrücken. Zum Beispiel dieser Witz, der in der Sowjetunion spielt: Zwei Juden kommen an einem neuen Restaurant vorbei. Dort läuft eine spektakuläre Aktion, die die Menschen ins Restaurant locken soll. So wird behauptet, man könne alles bestellen, was einem einfällt. Falls das Essen nicht innerhalb von drei Stunden da ist, bekämen die Gäste 100 Rubel – das war zu jener Zeit sehr viel Geld. Die beiden Juden gehen also in das Restaurant und bestellen Giraffensteak mit Kartoffelpüree. Während sie sich schon auf das Geld freuen, sehen sie, wie der Koch eine Giraffe am Schwanz in die Küche schleppt. Die beiden haben das Geld schon abgeschrieben, als der Koch zu ihnen kommt, ihnen je ein Kuvert mit 100 Rubel aushändigt und sagt: „Das Giraffensteak war nicht schwer. Aber Kartoffeln gibt es in der Sowjetunion nicht.“

Auch die folgenden beiden Witze stammen aus der Zeit des Kommunismus: Ein Kabarett, in dem viele herrschaftskritische Witze gemacht wurden, wird aus politischen Gründen zugesperrt. Am nächsten Tag geht der Betreiber zu den Behörden und bittet darum, sein Schauspielhaus wieder aufmachen zu dürfen. Als er zurückkommt, fragt ihn sein Freund, wie es gelaufen ist. Da sagt der Betreiber: „Wenn wir zu offen sind,...

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