Gefährliche Diagnosen: Austauschbarkeit und Preiskampf
Schön, dass Sie jetzt am Ball bleiben – das zeigt mir, dass ich wahrscheinlich Ihren Nerv getroffen habe und dass Sie mit mir „fühlen“, der ich als Apotheker quasi den Prototyp eines austauschbaren Unternehmens mit austauschbaren Produkten und austauschbaren Dienstleistungen führe, die Sie in der nächsten und übernächsten Apotheke genau so angeboten bekommen. Es zeigt mir auch, dass Ihnen Ihr geschäftliches Problem bekannt ist und dass Sie etwas unternehmen wollen.
Schnäppchenkunden
Wenn Sie das machen, was alle in Ihrer Branche tun, finden Sie sich schnell auf dem Schlachtfeld des Preiskampfes wieder. Dann sind Sie austauschbar und sprechen die Kunden an, die vor allem eines wollen: billig einkaufen. Wollen Sie diese Kunden? Das sollten Sie sich während der Lektüre immer wieder fragen. Sie sind nicht treu, nicht loyal und das einzige, was sie interessiert, ist ihr Preis-Leistungs-Verhältnis und wie bzw. wo sie das eine oder andere Produkt bzw. die eine oder andere Dienstleistung noch günstiger bekommen – Schnäppchenjäger eben. Fremdbestimmter kann ein Unternehmen kaum sein, als wenn es auf solche Kunden setzt. Unternehmerisch sind Sie dann quasi wie in Narkose. Dazu kommt: Wenn sie diese Schnäppchen-Mentalität bedienen, bleibt der Wettbewerb Ihnen auf den Fersen, und Sie werden Ihren eigentlich schon längst gesättigten Markt niemals verlassen können. Fühlt sich Ihr Geschäft so an? Dann lesen Sie weiter – es kann gut sein, dass Sie hier genau die passende „Medizin“ finden.
Zu Beginn ein kurzer, aber intensiver Blick darauf, was passiert, wenn Sie weiter konventionell agieren, mit Preiskampf-Methoden, die es „immer schon“ gab und die „immer schon“ geholfen haben. Zwei Lösungen bekommen Sie als Unternehmer nämlich immer wieder serviert, wenn es eng wird, wenn Sie Kunden gewinnen müssen, um weiterhin am Markt bestehen zu können.
Lösung 1: Kosten herunter
Die Kosten zu senken, klingt erst einmal logisch, ist aber extrem unsexy. Kein Kunde findet es prickelnd, wenn er merkt, dass an ihm und seinem Einkaufserlebnis gespart wird. Generell gibt es drei Dinge, zu denen Ihnen beim Thema „Kostenpolitik“ immer wieder geraten wird (die Sie aber nicht tun sollten):
1. Straffen: das Sortiment reduzieren
Stellen sie sich vor, Sie hätten eine Bäckerei. Der Laden läuft leider nur mäßig. Was Ihnen auffällt: Am Ende des Tages haben Sie immer relativ viel Ware übrig. „Das ist ja Verschwendung“, denken Sie. Also verkleinern Sie das Sortiment. Aber nach einer gewissen Zeit merken Sie, dass sich das Problem nur verlagert hat: Das Einkaufserlebnis für Ihre Kunden hat massiv gelitten. Vormittags gibt es nun schon wenig zu kaufen, aber nachmittags gibt es nur noch den „Reste-Trester“. Wie langweilig! Die Kunden schlagen erwartungsgemäß zurück, bleiben mehr und mehr weg, und der Umsatz schwenkt in eine noch steilere Abwärtskurve ein.
2. Kürzen: Service braucht sowieso niemand
Telekom-Anbieter agieren traditionell in einem sehr engen Segment mit einem enormen Kosten- und Verdrängungsdruck. Viele sind ständig dabei zu scannen, wo man wieder und weiter Kosten sparen könnte. Meist fällt der Blick dann auf den immer noch zu kostenintensiven Service. Was zur Folge hat, dass Kunden heute grundsätzlich in langen Warteschleifen bei Call-Centern hängen. Wenn die Beschwerde aufgenommen wird, passiert meist tagelang nichts. Entsprechend wechselwillig reagieren die Kunden beim nächsten Anruf des nächsten Telekom-Anbieters.
3. Sparen: billig statt Premium
Wer vor 25 Jahren eine Segelyacht beim damaligen Premium-Hersteller der Branche kaufte, hatte ein Werk aus edelsten Materialien erworben. Ein Ruf eilte diesen Booten voraus, und viele der damals gebauten Yachten werden heute noch zum ursprünglichen Preis gehandelt. Doch der Bootsbauer hat Probleme mit den neuen Wettbewerbern aus Osteuropa, die einfach billiger produzieren. Seine Lösung: sparen! Hier ein etwas billigeres Teil einbauen, dort etwas weglassen. Die einst so hohe Qualität der Boote ist beim Teufel – und der gute Ruf des Bootsbauers dito. Der früher so komfortable Qualitätsabstand zur Konkurrenz schrumpft und Teufelkreis sowie Austauschbarkeitsfalle setzen ein: Immer weniger Kunden kaufen, also wird noch billiger hergestellt, um noch mehr zu sparen (Kreuz, 2016).
Tun Sie nichts von diesen drei Dingen – Sie können sich nicht zum Erfolg schrumpfen!
Lösung 2: Preise herunter!
Die Preise zu senken, ist die zweite „Lösung“ und hat ähnlich fatale Folgen wie die erste. Preisdumping ist ein Ausdruck von Ideenlosigkeit und mangelhafter Beschäftigung mit dem, was Kunden sich wirklich wünschen. Wer Tiefstpreise, Sonderposten und Rabatte sät, erntet Rosinenpicker und Schnäppchenjäger, aber keine treuen und loyalen Stammkunden, die für eine gesicherte Umsatzbasis sorgen. Rabatte sind zudem trügerisch: Wenn man auf 10 Prozent des Umsatzes verzichtet, muss man dafür unter Umständen 40 bis 50 Prozent mehr verkaufen, um auf eine schwarze Null zu kommen. Denn man verkauft nicht doppelt so viel, nur weil man die Preise senkt, das ist eine trügerische Illusion. Rabatte sind Placebos.
Als Apotheker vergleiche ich die allgegenwärtige und so moderne Schnäppchenjagd der Kunden und das Preisdumping der Unternehmen gerne mit Drogensucht. Diese Entwicklung hört nie auf, und wenn doch, nimmt sie kein gutes Ende. Es ist wie eine Abwärtsspirale, in der sich die Preise immer weiter nach unten drehen. Es geht nur billiger, billiger und noch billiger. Die „Schnäppchen-Kunden“ wollen nicht aus dieser Abwärtsspirale aussteigen, und die Unternehmen können es irgendwann nicht mehr – ein „kalter Entzug“ würde ihre Pleite bedeuten.
Unternehmen, die permanent die Kosten oder die Preise senken, sind für mich botox-vergiftet. Botox ist ein Nervengift, das gespritzt wird, um Falten zu beseitigen. Doch nach vier bis sechs Monaten baut es sich ab, so dass wieder neu gespritzt werden muss. Menschen, die jahrelang mit Botox behandelt wurden, haben ein eingefrorenes, unlebendiges, starres Gesicht – fast möchte ich sagen: eine Fratze. Und botox-vergiftete Unternehmen, die sich ständig die Preisspritze setzen, sind genauso starr und unlebendig; sie haben für den Kunden kein erkennbares Gesicht, sind nicht authentisch, zeigen keine Gefühle.
Das Schnäppchen-Zentrum sitzt im Gehirn
Das Schnäppchen-Zentrum ist nicht der Discounter nebenan, sondern es sitzt im Gehirn (Schüller 2017 (2)). Und eben darum funktioniert Preisdumping wie Drogensucht: Erfolgreiche Schnäppchenjäger sind kurzzeitig high auf Glückshormonen, wenn sie wieder „zuschlagen“ konnten. Umgekehrt gilt: Wenn Kunden sich von Geld trennen müssen, wird im Gehirn das Schmerzzentrum aktiviert. Schnäppchen hingegen sind wie „Beute“, und wenn der Jagdtrieb der Kunden befriedigt worden ist, singen alle Synapsen vor Freude. Deswegen versagt die Vernunft bei Schnäppchen oft komplett, und der Suchtfaktor für Kunden ist hoch. Doch für Unternehmen ist er genauso hoch.
Das erlebe ich in meiner Apotheke: Es gibt Firmen, die mir mit fast erpresserischen Methoden als Lieferanten Produkte aufzwingen wollen. Da heißt es: „Produkt A bekommen Sie nur, wenn Sie auch die Produkte B, C, D, E, F usw. abnehmen.“ Auch Sätze wie den folgenden musste ich mir schon von einem Außendienstler beim Besuch in meiner Apotheke anhören: „Ach, ich sehe gerade, dass Sie unser Produkt XY nicht mehr sichtbar im Kundenbereich stehen haben. Daher muss ich Ihnen jetzt nachträglich 3 Prozent vom Rabatt abziehen.“ Botox hat gewirkt. In den letzten Jahren ist es immer schlimmer geworden, es wird mehr Gift verspritzt – die Methoden, mit denen die Firmen ihre Produkte in den Handel zu drücken versuchen, werden immer rabiater. Der Gipfel war erreicht, als der Vertriebsleiter eines Pharma-Konzerns mir den Vorschlag machte, sich seinen rassistischen Äußerungen bei Facebook anzuschließen, da wir ja „Freunde“ seien und ich seine Produkte vertreiben „darf“.
Mein Prinzip: Ich lasse mir nichts aufschwatzen, weil ich meine Kunden kenne, weiß, was bei mir nachgefragt wird, und weil ich prinzipiell nur solche Produkte verkaufe, hinter denen ich als Unternehmer stehe. Dazu gehört auch, dass die Qualität der Produkte einwandfrei sein muss. Doch sogar hier hat sich Botox schon ausgebreitet. Mir ist bekannt, dass einige Hersteller „Heil-Produkte“ in die Apotheken drücken, die im Prinzip null Wirkung haben und nur aus „Abfällen“ der Produktion von Medikamenten bestehen. Mit einer hübschen Verpackung versehen und dazu noch in „Apotheken“ präsentiert, lassen sich viele Kunden täuschen. Ich bin es meinen Kunden schuldig, ihnen solche „Schrott-Produkte“ gar nicht erst anzubieten. Ins Sortiment nehme ich nichts auf, nur weil es mir als Apotheker angeblich hohe Gewinnmargen verspricht. Denn Geld ist das dümmste Warum, das man haben kann. Geld ist zwar wichtig, aber nur als Nebenprodukt einer guten Dienstleistung.
Preisfalle, nein danke! Umparken im Kopf
- Machen Sie sich klar: Wenn Sie sich nur über den Preis vom Wettbewerb abgrenzen können, sind Sie in der Austauschbarkeitsfalle. Machen Sie sich die Mühe herauszufinden, was Ihre Kunden wirklich wollen, dann entkommen Sie dem Rabatt- und Preiskrieg.
- Überprüfen Sie Ihre Glaubenssätze. Halten Sie Ihre Kunden für Rosinenpicker, dann bekommen Sie am Ende genau solche Kunden.
- Rosinenpicker sind Kaufnomaden und notorisch untreu. Sie kennen nur eine Loyalität: die zum Schnäppchen. Die Kundenbindung an Ihr...