Aus dem Geschäftsmodell eines Unternehmens leiten sich die Aktivitäten im Personalmanagement ab. Verkürzt formuliert: Die Personalpolitik ist eine Folge der Unternehmenspolitik und unterstützt die Umsetzung der jeweils anvisierten strategischen Unternehmensziele. Hierbei sind u. a. markt- und kundenbezogene Einflussgrößen zu berücksichtigen. Komplexität im Unternehmensumfeld bewirkt dabei nicht selten auch komplexe Strukturen und Arbeitsabläufe in den Unternehmen. Insoweit sind die Anforderungen an das Personalmanagement und an dessen Ausgestaltung ein Abbild der Gegebenheiten der Märkte, in denen sich ein Unternehmen bewegt. Neue Technologien, disruptive Geschäftsmodelle, Änderungen in den gesetzlichen Rahmenbedingungen oder auch konjunkturelle Schwankungen sind nur einige Faktoren, die die Anforderungen an die personalen Aktivitäten eines Unternehmens beeinflussen (siehe Abbildung 2.1).
Wir können also feststellen: Komplexe Umweltbedingungen führen zu einer eher komplexen Ausgestaltung der Aktivitäten im Personalmanagement. Hingegen haben weniger komplexe Marktgegebenheiten weniger komplexe personale Lösungen zur Folge. Jedes Unternehmen ist daher durch spezifische soziale Rahmenbedingungen gekennzeichnet. Jedes Unternehmen muss sich also mit spezifischen personalen Marktgegebenheiten auseinandersetzen, etwa mit spezifischen Arbeitsmärkten oder mit den spezifischen Qualifikationen ihrer Mitarbeiter. Hieraus ist u. a. zu schlussfolgern, dass jedes Unternehmen in gewisser Hinsicht seine eigenen personalen Lösungen entwickeln muss. Folglich prägen die expliziten und impliziten Verhaltenslogiken an den Märkten maßgeblich die Arbeitsverhältnisse und somit auch die Personalarbeit eines Unternehmens2. Ausgehend von den heutigen Ausprägungen des Personalmanagements und den bereits heute erkennbaren Veränderungstendenzen in den Eckwerten der Personalarbeit möchten wir nachfolgend gemeinsam mit Ihnen auf die Arbeitswelt von morgen blicken.
2.1 Die Digitalisierung von Aufgaben und Arbeitsabläufen
Für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von Organisationen ist die Effizienz und die Effektivität der betrieblichen Leistungserstellung unverzichtbar. Die nachfolgenden Anlässe bilden zumeist den Startschuss, um Arbeitsweisen und Prozesse, aber auch Produktions- und Organisationsstrukturen anzupassen bzw. neu zu gestalten3:
- die Überprüfung und Überarbeitung der strategischen Ausrichtung des Geschäftsmodells,
- die Steigerung der Produktivität (Performanz) bzw. die Optimierung des Ressourceneinsatzes,
- die Verkürzung von Durchlauf- und Entwicklungszeiten, sowie
- die Verbesserung der Qualitätsdimensionen, etwa von Produkteigenschaften.
Im Vordergrund stehen hierbei der strategiekonforme und optimal abgestimmte Einsatz von Arbeitskräften, neuen Technologien und arbeitsorganisatorischen Maßnahmen. Das angestrebte Verhältnis von Mensch, Organisation und Technikeinsatz kann hierbei je nach Unternehmen oder Geschäftsfeld unterschiedlich ausfallen. In diesem Zusammenhang haben sich die technologischen Möglichkeiten der Informationserfassung, -speicherung, -verarbeitung, -übertragung und -auswertung in den letzten Jahren überproportional (exponentiell) erweitert, wie Abbildung 2.2 verdeutlicht.
Diese Entwicklung führt u. a. zu einer schnelleren und qualitativ besseren Verfügbarkeit von Informationen. Letztere ist u. a. die Basis für die Verkürzung von Durchlaufzeiten, die Verbesserung der Flexibilität und der Qualität des Leistungsangebotes, ebenso für dessen Ausweitung oder dessen vollständige Neukonzeption. Die technologischen Entwicklungen erlauben weiterhin eine zunehmende zeitliche, räumliche und personelle Entkopplung von Arbeitsplätzen und Organisationseinheiten. Zudem bewirken sie eine Weiterentwicklung der Mensch-Maschine-Schnittstellen4 bis hin zu deren Ersatz durch Maschinen- bzw. Softwareschnittstellen. In letzter Konsequenz greifen nun sowohl Arbeitskräfte als auch deren (it-)technischen Alternativen auf zentral und dezentral verfügbare Informationen zu. Mit Blick auf die Organisationsgestaltung und -entwicklung resultieren aus diesen Möglichkeiten zusätzliche bzw. alternative Lösungen5.
Insoweit eröffnet der digitale und technologische Wandel auch neue Optionen, um den »… Komplex von Aufgaben, die zur Steuerung einer Organisation erfüllt werden müssen«6, zu bewältigen. Die Digitalisierung schafft die Voraussetzung dafür, dass etwa die nachfolgenden Managementfunktionen7 mit den für diese typischen Aufgaben noch effektiver und effizienter als in der Vergangenheit ausgeübt werden können:
- Planning: Bestimmen, was zu tun ist und wie es getan werden soll, um die Unternehmensziele zu erreichen.
- Organizing: Aufbau einer formalen Struktur, Bilden von Arbeitseinheiten und die Koordination dieser.
- Staffing: Rekrutieren und Weiterentwickeln von Arbeitskräften sowie Schaffen angemessener Arbeitsbedingungen.
- Directing: Fortwährendes Treffen und Umsetzen von fallweisen und generellen Entscheidungen.
- Coordinating: Verknüpfen der verschiedenen Teile des Arbeitsprozesses.
- Reporting: Beständige Information der übergeordneten Führungskräfte über die Entwicklung von Projekten und Aufgaben bzw. des Arbeitsvollzuges. Dies schließt die eigenständige Informationsbeschaffung und auch die Information der unterstellten Mitarbeiter mit ein.
- Budgeting: Aufstellen und Kontrollieren der Budgets.
Die Digitalisierung führt also nicht nur zu neuen Abläufen und Strukturen im Leistungserstellungsprozess, auch die Aufgaben im sog. Regelkreis der Führung (siehe Abbildung 2.3) sind davon betroffen. Hier werden zunächst im Rahmen strategischer und operativer Planungsprozesse die Unternehmensziele für alle Aufgabenfelder konkretisiert. Bei der Planung ist zu überdenken, mit welchen alternativen Aktionen und Ressourcen diese bearbeitet werden können, um die Ziele zu erreichen. Im Anschluss an die Planung ist festzulegen, welche grundlegenden Interventionsstoßrichtungen verfolgt werden sollen. Es ist zu entscheiden, welche der Handlungsoptionen bis zu welchem Zeitpunkt umgesetzt sein müssen und welche konkreten Maßnahmen schließlich getätigt werden. Über Anordnungen, Aufträge bzw. festgelegte Prozesse und innerhalb organisatorischer Strukturen sind die festgelegten Maßnahmen dann zu realisieren. Während der Umsetzung und am Ende der Planperiode ist zu untersuchen, inwieweit die durchgeführten Aktionen den geplanten Maßnahmen entsprechen und ob diese sich wie beabsichtigt auf die angestrebten Ziele auswirken. Etwaige Soll-Ist-Differenzen sind frühzeitig aufzudecken und durch geeignete Interventionen abzutragen.
Abb. 2.3: Regelkreis der Führung, Kreutle (2014), S. 11
Die Qualität des gesamten Führungsprozesses und die der Aufgabenerfüllung hängen dabei von den verfügbaren Informationen und deren Güte ab – und damit vom Reifegrad des Informationsmanagements8. Dieser Reifegrad ist in den letzten Jahrzehnten exponentiell angewachsen. Denn die Informations- und Kommunikationstechnik hat die zunehmende Digitalisierung der Informationsströme und deren Optimierung befördert.
Definition: Digitalisierung
»Der Begriff Digitalisierung kann auf unterschiedliche Art und Weise interpretiert werden. Traditionell ist die technische Interpretation. Danach bezeichnet Digitalisierung einerseits die Überführung von Informationen von einer analogen in eine digitale Speicherform und andererseits thematisiert er die Übertragung von Aufgaben, die bisher vom Menschen übernommen wurden, auf den Computer. … Digitalisierung im (letzteren) Sinne … bezeichnet eine spezielle Form der Automatisierung, nämlich die (Teil-)Automatisierung mittels Informationstechnologien (IT). Bis vor wenigen Jahren war eine derartige Digitalisierung weitgehend auf Aufgaben beschränkt, die in Unternehmen wiederholt und immer wieder in gleicher Art und Weise angefallen sind, so z. B. im betrieblichen Rechnungswesen. Mittlerweile erstreckt sich die Digitalisierung auf Aufgaben, die … weniger stark strukturiert sind.«9
Die strategische Bedeutung der Informationswertschöpfungskette (siehe Abbildung 2.4) wächst mit der Digitalisierung um ein Vielfaches an. Sie wird zu einem eigenständigen Wettbewerbsfaktor.