TINKTUREN
UND KRÄUTER-
AUSZÜGE
Eine Tinktur ist ein (meist alkoholischer) Auszug von einer oder mehreren getrockneten Pflanzen. Für die sogenannte Urtinktur verwendet man statt der getrockneten die frische Pflanze. Es heißt, Urtinkturen hätten den höchsten Wirkstoffgehalt. Doch nur wer sich gut auskennt, sollte auch die frische Pflanze sammeln und verwenden. Im anderen Fall kauft man sich lieber das getrocknete Kraut.
Alkohol
Das Standard-Auszugsmittel für Tinkturen ist unvergällter hochprozentiger Weingeist. Er löst viele Inhaltsstoffe aus den Heilpflanzen wie ätherische Öle sowie wasser- und alkohollösliche Substanzen. Außerdem macht er die Tinktur extrem lange haltbar. Auch wenn die Wirksamkeit nach einem Jahr nachlässt, kann man die meisten dennoch auch nach 18 Monaten noch verwenden.
Besonders getrocknete Kräuter sowie Wurzeln und Rinden werden meist mit 70 Vol.-% ausgezogen, für frische Kräuter reichen aber oft auch Schnäpse mit 40–50 Vol.-%. Wer lieber Tinkturen mit einem niedrigen Alkoholgehalt herstellt, mischt hochprozentigen Alkohol mit Glyzerin (im Verhältnis 1 : 1, gut schütteln!). Besonders bei sehr bitteren Kräutern wird der Auszug dadurch wesentlich milder.
Glyzerin (Glycerol, Glycerin, E422)
Glyzerin ist, vereinfacht ausgedrückt, ein Zuckeralkohol, der in allen natürlichen Fetten und fetten Ölen enthalten ist. Es ist als Zusatzstoff in Lebensmitteln (z. B. zur Feuchthaltung von Datteln, Bonbons oder Kaugummi) erlaubt und wird in der Heilkunde vor allem als Auszugsmittel verwendet. Es schmeckt sehr süß, ist klar, dickflüssig und vermischt sich ebenso gut mit Alkohol wie mit Wasser. Auch als Zutat in Salben und Cremes wird es gern verwendet, weil es Wasser bindet und feuchtigkeitsspendende Eigenschaften hat (bis maximal 10 Prozent Anteil einsetzen). Verwenden Sie jedoch unbedingt ausschließlich pflanzliches Glyzerin (99,5%ig) in Lebensmittel- bzw. DAB-Qualität (Deutsches Arzneimittelbuch) Es ist lange haltbar, und Tinkturen auf Glyzerinbasis werden zumeist auch von Kindern aufgrund des süßen Geschmacks gern genommen und eignen sich auch bei Erkrankungen der Leber, Alkoholempfindlichkeit oder -abstinenz.
Essig
Als Naturprodukt mit einem Säureanteil von 5–6 Prozent ist Essig ein wunderbar geeignetes Auszugsmittel für Kräuter. Damit kann man ebenfalls alkoholfreie Tinkturen und Einreibungen herstellen. Ich empfehle dafür naturbelassenen (naturtrüben) Bio-Apfelessig (siehe Bezugsquellen S. 143). Diese Auszüge mögen vielleicht nicht ganz so wirksam wie alkoholbasierte sein und auch nicht so lange haltbar, dafür sind sie aber eben ohne Alkohol (der äußerlich zudem die Haut stark austrocknet).
Essigtinkturen lassen sich preisgünstig herstellen und sind für Alkoholempfindliche und Kinder gleichermaßen gut geeignet. Den fertigen Essigauszug dann unbedingt stark verdünnt einnehmen, eventuell noch etwas Honig oder Ahornsirup darin auflösen. 1 TL auf 1 Glas Wasser ist eine Richtlinie.
Für alle Tinkturen gilt:
Sowohl Glyzerin- als auch Alkohol- oder Essigtinkturen in Braunglasflaschen aufbewahren, die wenig Licht durchlassen, und dunkel sowie kühl lagern. Unbedingt gleich nach der Herstellung mit Datum und Inhalt beschriften! Am besten nur so viel herstellen, wie man bis zur nächsten Ernte schätzungsweise benötigt.
Vogelmieren-Urtinktur
Frischpflanzenextrakt, entzündungshemmend und pflegend, z. B. für den Nasenbalsam (S. 44), aber auch bei Rheuma und Gelenkschmerzen. Innerlich: hustenstillend, schleimlösend (laut Pfarrer Kneipp), harntreibend, immunabwehrstärkend, auch bei Kindern, die häufig unter Infekten der Bronchien und Lunge leiden (gemäß Kräuterpfarrer Künzle), außerdem soll die Vogelmiere das Herz stärken.
Vogelmiere wächst sogar als unerwünschtes Unkraut in Blumentöpfen oder zwischen den Beeten und kann den ganzen Sommer lang »geerntet« werden. Am besten ist für unsere Tinktur jedoch die Frühjahrsernte geeignet. Vogelmiere enthält viel Vitamin C (50 g decken etwa den Tagesbedarf eines Erwachsenen), ist sehr mineralstoffreich und wird deshalb gern im Salat verspeist.
Anwendung:
Innerlich: 3- bis 5mal täglich 5 Tropfen (kleine Kinder ab 2 Jahren), 10 Tropfen (größere Kinder bis 12 Jahre) oder 15 Tropfen (Erwachsene) pur im Mund zergehen lassen, im Abstand von mindestens 30 Min. zu den Mahlzeiten
Für Kinder bitte nur die alkoholfreie Glyzerinvariante verwenden!
Äußerlich: Weiterverarbeitung für Heilsalben gegen Nasenprobleme (z. B. S. 44), Hämorrhoiden, Blutergüsse (nach Hildegard von Bingen), Brustdrüsenentzündung, Juckreiz, Narben.
Für 250 ml Tinktur
Zubereitung: 10 Min.
Wartezeit: 3 Wochen
45 g frisches Vogelmierenkraut
200 ml Glyzerin, pflanzlich (Lebensmittelqualität)
50 ml abgekochtes, abgekühltes Wasser (alternativ destilliertes Wasser für medizinische Zwecke)
1. Vogelmierenkraut mit einem scharfen Messer fein hacken. Mit dem Glyzerin und dem abgekochten Wasser in ein Schraubgläschen füllen, gut umrühren und verschließen. 3 Wochen lang an einem dunklen Platz ruhen lassen, zwischendurch täglich fest durchschütteln.
2. Durch ein feines Sieb oder einen Kaffeefilter (dauert länger, bis alles durch ist) klar filtern.
3. Flüssigkeit in dunkle Fläschchen abfüllen. Kühl und dunkel lagern.
6–8 Monate haltbar.
Anstelle von Wasser kann auch 96%iger Weingeist verwendet werden, dann wird die Haltbarkeit auf mindestens 1 Jahr verlängert (nicht für Kinder unter 12 Jahren).
Katzengamandertinktur
Entzündungshemmend, adstringierend, harntreibend.
Innerlich: bei Harnwegsinfekten, Asthma, Rheuma, Gicht, empfindlichem Magen und Krampfhusten.
Äußerlich: z. B. für den Nasenbalsam (S. 44), bei schlecht verheilenden Wunden und Hautentzündungen.
Katzengamander enthält viele ätherische Öle und ist für kleinere Kinder nicht geeignet.
Katzen wälzen sich gern in dem frischen Kraut, daher stammt der volkstümliche Name.
Anwendung:
Erwachsene und Kinder über 12 Jahre: bis zu 3-mal täglich 10 Tropfen in Wasser oder auf Zucker einnehmen, nach 6 Wochen eine Einnahmepause von mindestens 1 Monat einlegen.
Kinder von 3–10 Jahren nehmen bis zu 3-mal täglich 3–5 Tropfen verdünnt ein, nicht länger als 14 Tage lang (bevorzugt eine reine Glyzerintinktur, statt Trinkalkohol abgekochtes Wasser verwenden).
Für 100 ml Tinktur
Zubereitung: 15 Min.
Wartezeit: 4 Wochen
25 g Katzengamander (Teucrium marum), getrocknet
60 ml Glyzerin, pflanzlich (Lebensmittelqualität)
60 ml Trinkalkohol, 40 Vol.-%
1. Katzengamander (und gegebenenfalls Braunellen- oder Kamillenblüten, siehe Tipp) in einem Mixer oder Mörser pulverisieren.
2. Mit dem Glyzerin und dem Alkohol in ein Schraubglas füllen und verschließen, gut schütteln. 4 Wochen lang an einem dunklen Platz ruhen lassen, möglichst täglich einmal fest durchschütteln.
3. Durch ein Tuch oder einen Kaffeefilter (dauert länger, bis alles durch ist) klar filtern. Flüssigkeit in dunkle Fläschchen abfüllen. Kühl und dunkel lagern.
Mit Alkohol 1 Jahr haltbar, die reine Glyzerintinktur hält 6–8 Monate.
Für die Verwendung bei Harnwegsinfekten kann man noch 15 g getrocknete Braunelle (kleinblütige) mit pulverisieren und ausziehen, bei Magenproblemen lieber 15 g Kamillenblütentee.
Rosmarintinktur für den Kreislauf
Rosmarin fördert den Kreislauf bei niedrigem Blutdruck, daher nur tagsüber bis spätestens in den frühen Nachmittag hinein einnehmen. Außerdem regt er einen trägen Stoffwechsel an und kann daher bei Diäten hilfreich sein. Bei Beschwerden von Herz, Nerven, bei Magen- und Darmbeschwerden sowie bei Rheuma wird Rosmarin traditionell aufgrund seiner positiven Wirkung ebenfalls in der Kräutermedizin empfohlen.
Anwendung:
1- bis 2-mal täglich oder bei Bedarf 10–30 Tropfen in Wasser oder pur einnehmen.
Für Kinder unter 12 Jahren sowie in Schwangerschaft und Stillzeit ist die Wirkung noch nicht wissenschaftlich genügend belegt, daher wird von der Einnahme abgeraten.
Bei Gallenwegs- und Lebererkrankungen nur nach ärztlicher Absprache verwenden.
Für 80–100 ml Tinktur
Zubereitung: 5 Min.
Wartezeit: mind. 3 Wochen
30 g junge Rosmarintriebe (maximal 3 cm lang)
70 ml Glyzerin, pflanzlich (Lebensmittelqualität, 99,5%ig)
30 ml...