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E-Book

Crash-Kommunikation

Warum Piloten versagen und Manager Fehler machen

AutorPeter Brandl
VerlagGabal Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783956236976
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Wie kommt es trotz höchster Sicherheitsvorkehrungen immer wieder zu katastrophalen Flugzeugunglücken? Ebenso gut kann man fragen: Wie ist es möglich, dass ein Autokonzern Schadsoftware einbaut, um Grenzwerte einzuhalten, und tatsächlich glaubt, damit durchzukommen. Crash-Kommunikation zieht verblüffende Parallelen zwischen Luftfahrt und Unternehmen und zeigt, dass der Faktor 'menschliches Versagen' einer fatalen Logik folgt. Die überarbeitete und erweiterte Neuauflage bietet einen originellen und hoch aktuellen Zugriff auf grundlegende Fragen der Führung und der Kommunikation. Dabei werden neueste technologische Entwicklungen berücksichtigt, die neben Komfort- und Effizienzgewinn auch Gefahrenpotenziale mit sich bringen. Eine spannende und unterhaltsame Lektüre, die Managern und Führungskräften zeigt, wann im 'Unternehmenscockpit' die Warnlämpchen angehen sollten.

Peter Brandl ist Unternehmer, Managementtrainer, ehemaliger Berufspilot und Fluglehrer und gilt als einer der führenden Kommunikationsexperten im deutschsprachigen Raum. Er berät und trainiert Unternehmen in den Bereichen Kommunikation, Verhandlungstechniken und Konfliktmanagement. Dabei kombiniert er seine über 20-jährige Erfahrung mit neuesten Erkenntnissen aus der Luftfahrt und überträgt dieses Wissen auf alltägliche Situationen. Brandl versteht es, in seinen Vorträgen und Veranstaltungen das Publikum zu begeistern, zu unterhalten, mitzureißen und zu motivieren.

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Leseprobe

Einführung: Von Crashs und ihren Ursachen


Menschliches Versagen und »Human Factors«

Über drei Viertel aller Unfälle in der Luftfahrt sind auf »menschliches Versagen« zurückzuführen, also nicht auf schlechtes Wetter, Materialfehler oder Fehler der Flugverkehrskontrolle ATC (Air Traffic Control). »Menschliches Versagen« – diese Formel kennen wir alle aus den Abendnachrichten. Auch bei anderen Unglücken mit vielen Toten, vom schweren Verkehrsunfall bis zum Störfall im Atomkraftwerk, wird sie zuverlässig bemüht. Und fast immer schwingt in ihr eine Schuldzuweisung mit: Jemand trägt die Verantwortung für das Geschehen, weil er sich falsch verhalten hat. Im angloamerikanischen Sprachraum ist man hellsichtiger als bei uns: Dort spricht man nicht von schuldhaftem »Versagen«, sondern schlicht von »Human Factors«, die zu Pannen und Unfällen führen – von menschlichen »Faktoren«. Anders ausgedrückt: Menschen sind so. Menschen übersehen oder missinterpretieren Dinge, sie treffen – besonders unter Stress – übereilte Entscheidungen, sie sind vor Angst wie gelähmt oder blenden offensichtliche Gefahren einfach aus. Salopp gesagt: Shit happens.

Um noch einmal auf den verheerenden Crash von Teneriffa zurückzukommen, der in der Luftfahrt den Anstoß für die systematische Analyse der menschlichen Faktoren, Einflüsse und Begrenzungen gab: Wie kann es sein, dass zwei erfahrene Piloten im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte zwei technisch intakte Flugzeuge am Boden zusammenstoßen lassen? Nachvollziehbar wird das kaum Fassbare, wenn man sich folgende Faktoren vergegenwärtigt:

Teneriffa: ungünstige Faktoren

– Beide Flugzeuge, eine KLM-Maschine aus Amsterdam und eine Maschine der Pan Am aus New York, hatten außerplanmäßig auf Teneriffa landen müssen. Der eigentliche Zielflughafen auf Gran Canaria war wegen einer Bombendrohung kurzfristig gesperrt worden.

– Bei beiden Maschinen handelte es sich um eine Boeing 747, ein Großflugzeug, das auf Teneriffa/Los Rodeos nur auf der Startbahn rollen konnte, da es zu breit für die eigentlichen Rollbahnen (neben der Startbahn) war.

– Während die Maschinen am überfüllten Flughafen warteten, zog Nebel auf.

– Die Flugsicherung dirigierte beide Maschinen auf die einzige Piste. Beide Piloten und die Flugsicherheit wussten voneinander. Sie wussten, dass sie sich in unmittelbarer Nähe befanden, hatten aber keinen Sichtkontakt. Ein Bodenradar gab es nicht.

– Die Besatzung der Pan Am kannte den Flughafen nicht. Das und der Ausfall der Mittelbeleuchtung auf der Piste trugen dazu bei, dass sie die entscheidende Abbiegung verpasste, um die Piste zu verlassen und sich hinter der KLM aufzustellen, als die Flugsicherung sie von der Piste lotsen wollte.

– Der Kapitän der KLM (nebenbei: der damals dienstälteste Pilot der KLM und Chefausbilder für die Boeing 747) missverstand ein Kommando der Flugsicherung, möglicherweise wegen des starken spanischen Akzents des Fluglotsen. Die Flugsicherung gab der KLM zwar die Flugstrecke frei (»Route Clearance«), hatte aber noch keine Starterlaubnis (»Take off Clearance«) erteilt, weil die Position der Pan-Am-Maschine unklar war. Erst nach dem Unfall auf Teneriffa wurden für beide Anweisungen exakte Phrasen eingeführt.1

– Der KLM-Kapitän hatte bereits 3,5 Stunden Verspätung. Damit bestand die Gefahr, dass er die maximal zulässige Dienstzeit überschreiten würde. Er hätte dann auf Teneriffa übernachten müssen, und mit ihm alle Passagiere. Der Kapitän stand also unter Zeitdruck und wollte starten.

– Der KLM-Kopilot widersprach nicht, möglicherweise weil er sich das einem so erfahrenen Piloten gegenüber einfach nicht traute. Dieser war Trainingskapitän und in den Niederlanden so etwas wie ein fliegerischer Halbgott.

Der Zusammenstoß: unvermeidbar?

All das führte schließlich dazu, dass die KLM-Maschine anrollte. Als die beiden Piloten in einer Entfernung von etwa 700 Metern die jeweils andere Maschine sahen, war es bereits zu spät: Obwohl die Pan-Am-Maschine noch versuchte, die Piste zu verlassen, und der KLM-Kapitän sich bemühte, sein Flugzeug vom Boden wegzureißen, kam es zum Crash mit fast 600 Toten.

Bei der Aufarbeitung solcher Vorfälle ist in der Presse oft von einer »Verkettung unglücklicher Umstände« die Rede: die Sperrung eines anderen Flughafens, das schlechte Wetter, die identische Größe der Maschinen, die Bedingungen auf Teneriffa (nur eine entsprechende Startbahn), der Zeitdruck … Doch:

Was wäre wenn? – Gegenfragen

– Was wäre passiert, wenn der Kopilot der KLM-Maschine dem fliegenden Kapitän widersprochen hätte?

– Was wäre passiert, wenn die Cockpitmannschaft der Pan-Am-Maschine bei der Flugsicherung Alarm geschlagen hätte (Wir wissen nicht, wo wir uns befinden!)?

– Was wäre passiert, wenn der spanische Fluglotse besser Englisch gesprochen hätte?

– Was wäre passiert, wenn der KLM-Kapitän sicherheitshalber beim entscheidenden Kommando der spanischen Flugsicherung nachgefragt hätte?

– Was wäre passiert, wenn die KLM sich vorsichtshalber erkundigt hätte, ob die Piste frei ist? (Ist doch ein guter Plan, wenn ich nur 700 Meter weit sehen kann, aber drei Kilometer zum Abheben brauche, oder?)

– Was wäre passiert, wenn der Pilot der KLM für alle hörbar gesagt hätte: »KLM – beginne mit dem Start!«?

Die Rolle der Kommunikation

Wäre nur eine dieser Möglichkeiten genutzt worden, wäre die Geschichte wohl anders verlaufen. Im schlimmsten Fall hätten die KLM-Mannschaft und ihre Passagiere auf Teneriffa übernachten müssen und möglicherweise hätte das manche Passagiere verärgert – aber der Crash wäre wahrscheinlich verhindert worden und alle würden noch leben. Eigentliche Ursache des verheerenden Unfalls war also nicht der Nebel oder eine ausgefallene Pistenbeleuchtung. Die eigentliche Ursache waren Kommunikationspannen.

Pannen im Unternehmen

Was hat all das mit Ihnen und Ihren Aufgaben im Unternehmen zu tun? Vielleicht denken Sie einmal an die letzte gravierende Panne zurück, die dort passierte. Möglicherweise waren die Ursachen ähnlich banal und »menschlich«. Möglicherweise wollten auch Sie ein Ziel »auf Teufel komm raus« erreichen und haben Warnsignale und Bedenken systematisch ausgeblendet. Auch bekannte Topmanager sind dagegen nicht gefeit – denken Sie beispielsweise an Jürgen Schrempp, der immer noch an seiner »Welt AG« bastelte, als Außenstehenden wie Unternehmensangehörigen längst klar war, dass die Daimler-Chrysler-Mitsubishi-Welt nicht funktionierte. Oder denken Sie an Wendelin Wiedeking, der kein Jota von seinen kühnen Plänen einer VW-Übernahme abrückte, Porsche damit Milliardenschulden aufbürdete und letztlich zur Beute von VW machte. Oder an den Existenzgründer um die Ecke, der seinen Käse- oder Weinladen nur einen Steinwurf von einem etablierten Konkurrenten eröffnet und fast sicher Schiffbruch erleidet. Im Nachhinein scheint allen dreien die Sicht ähnlich vernebelt gewesen zu sein wie den Piloten auf Teneriffa.

Konsequenzen menschlichen Fehlverhaltens

Fehler, die der menschliche Faktor verursacht, haben unterschiedliche Konsequenzen: Was beim Verkauf von Käse oder in der Automobilproduktion »nur« Geld und Arbeitsplätze kostet, kann in anderen Bereichen lebensbedrohlich werden. In sicherheitsrelevanten Bereichen, etwa in der Luftfahrt, der chemischen Industrie, in Krankenhäusern oder Kernkraftwerken, versucht man daher, den menschlichen Faktor durch spezielle Trainings besser in den Griff zu bekommen. In »normalen« Wirtschaftsunternehmen spielt der menschliche Faktor bislang erstaunlicherweise keine Rolle. Dabei können Tunnelblick und Fehlentscheidungen, Handlungsunfähigkeit oder Aktionismus im Management ebenfalls »lebensbedrohliche« Folgen für ein Unternehmen haben – und schlicht in die Insolvenz führen.

Wie es zu Insolvenzen kommt

Wer nach den Ursachen für Insolvenzen fahndet, stößt oft auf Begründungen wie »geringe Eigenkapitalquote« oder »mangelnde Liquidität«. Das ist ungefähr so, als wenn man sagen würde, Flugzeuge stürzten deswegen ab, weil Berge im Weg seien oder der Treibstoff ausgehe. Die Auslöser zu benennen ist offenbar leichter, als tiefer – nach den eigentlichen Ursachen – zu graben. Wie kommt es dazu, dass manche Manager sehenden Auges in die Pleite wirtschaften? Selbst Insolvenzverwalter, eine eher...

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