Heidi Rauch, 60, zwei Hüft-OPs in einem Jahr
Titanhüften-Glück
Wenn ich davon erzähle, dass ich im Jahr 2011 mit 53 bzw. 54 Jahren zwei künstliche Hüftgelenke bekommen habe, will das immer keiner glauben. „Was, Du?“ (wahlweise: „Was, Sie?“) – so jung und schon „Ersatzteile“? Aber ich kann nur sagen: Besser jetzt als gut trainierter, sportlicher Mensch als später, wenn Heilung und Muskelaufbau sicher noch mühsamer sind. Deshalb schreibe ich ja mit Peter Herrchen zusammen auch dieses Mutmach-Buch.
Am flachen Adria-Strand trainiert Heidi auch noch Jahre nach der Hüft-OP ihr Gangbild.
Natürlich habe auch ich versucht, diese nicht gerade kleine Operation so lange wie möglich hinauszuzögern. Was habe ich nicht alles probiert, um meine immer schlimmer werdenden Schmerzen loszuwerden – von Alexander-Technik über Manuelle Therapie, Rolfing und Shiatsu bis zu Yoga. Zum Schluss konnte ich als passionierte Hobby-Golferin nicht einmal mehr neun Löcher gehen, ohne mich hinterher zu fühlen wie nach einem Marathonlauf!
Für Nicht-Golfer: Neun Löcher auf einem 18-Loch-Golfplatz bedeuten ungefähr eine Strecke von drei Kilometern, die man mit meinem damaligen Handicap von 16,5 (heute 19) zügig allein in anderthalb Stunden bewältigen kann; in Gesellschaft mit einem bis drei weiteren Spielern dauert es entsprechend länger.
Diagnose nach Osteoporose-Untersuchung
„Keine Iliosakralgelenk-Blockade, kein Ischiasproblem – nein, eine fortgeschrittene Coxarthrose beidseitig.“
„Nach 9 Löchern Golf habe ich mich gefühlt wie nach einem Marathonlauf!“
Alle genannten Therapien finde ich durchaus nützlich, aber nicht, wenn die Diagnose „fortgeschrittene Coxarthrose beidseitig“ heißt, also Arthrose in beiden Hüftgelenken. Diese endgültige Diagnose habe ich allerdings erst nach einer Osteoporose-Untersuchung bekommen. Erst auf dem Röntgenbild der Hüfte (und nicht des Beckens oder der Wirbelsäule) und der anschließenden Computertomographie haben Röntgenologe und Arzt erkannt, dass beide Hüftköpfe schon mehr als angegriffen waren. Also keine Iliosakralgelenk-Blockaden (das ist das Kreuzbein-Darmbein-Gelenk, auf das gern bei diffusen Beschwerden des Geh-Apparats getippt wird), kein Ischiasproblem. Nein, eine in der Kindheit nicht erkannte Hüftdysplasie, also eine Fehlstellung des Hüftgelenks, hat den Abrieb des Knorpels zwischen Hüftpfanne und Hüftkopf verursacht. Man hätte mich als Baby wohl nur ein paar Wochen lang breit wickeln müssen. Aber 1957 kannte man die routinemäßigen Ultraschall-Untersuchungen noch nicht. Mir als Preußin, die ich schon seit meinem Studium in München bzw. nun in Erding bei München lebe, sagte eine Bayerin doch angesichts meiner Hüften: „Da host dei Spreizhoserl net ang’habt, gelt?“
Meine arme Mutter ist angesichts meiner Beschwerden ganz unglücklich gewesen und hat sich gemartert, ob sie nach meiner Geburt wohl etwas versäumt hätte. Aber sobald die Pobacken bei einem auf dem Bauch liegenden Säugling gleichmäßige Falten aufgewiesen haben, ist man damals davon ausgegangen, dass alles in Ordnung sei.
Geröllzysten behindern das Gehen
Durch das jahrelange Gehen fast „auf den Felgen“ – meine Beschwerden begleiteten mich ja schon ein paar Jahre – hatten sich sogenannte „Geröllzysten“, kleine Stalaktiten quasi, gebildet, die noch mehr Reibung verursachten. Kein Wunder, dass selbst Schmerzmittel wie Voltaren oder Ibuprofen nichts mehr bewirkt haben – außer Magen-Darm-Probleme.
„Dank meiner allmorgendlichen Fünf Tibeter und anderer Gymnastikübungen war ich noch immer relativ beweglich.“
Interessanterweise war mein behandelnder Orthopäde immer noch ganz angetan von meiner Beweglichkeit. Orthopäden führen dazu ja am liegenden Patienten bestimmte Bewegungen mit den Beinen aus, testen das Abspreizen und Beugen. Diese Beweglichkeit habe ich mit Sicherheit den Fünf Tibetern zu verdanken, die ich seit Anfang der 90er Jahre täglich jeden Morgen mache. Diese Morgengymnastik habe ich nach zwei Qi Gong-Wochenenden auf der Fraueninsel im Chiemsee um einige Qi Gong-Übungen ergänzt und um Übungen, die mir meine Physiotherapeutin gezeigt hat. Ziel war immer, das Gelenk so lange wie möglich geschmeidig zu halten.
Was mir aber Schmerzen verursachte, war das Gehen. Meist bin ich schon nach wenigen Metern eingeknickt mit diesem gemeinen Messerstich-Schmerz in der Leiste, den Hüftpatienten nur zu gut kennen. Meine gute Oberschenkel-Muskulatur hat immer versucht auszugleichen, was das zunehmend unbeweglich werdende Gelenk nicht mehr geschafft hat. Glücklicherweise sind mir Schmerzen im Sitzen und nachts im Liegen erspart geblieben. Dieses „letzte Stadium“ habe ich nicht erreicht. Tröstlich fand ich den Satz, den wohl viele Orthopäden ihren Patienten sagen: „Wir operieren nicht das Röntgenbild, sondern Sie entscheiden über den Zeitpunkt. Sobald Ihre Lebensqualität zu sehr eingeschränkt ist, werden Sie es selber wissen.“
Ambulante Reha vor der OP
Netterweise hat meine Physiotherapeutin Birgit Ferber-Busse in Erding auch noch an meine Beweglichkeit und Sportlichkeit geglaubt und mir geraten, bei der gesetzlichen Krankenkasse – ich bin ganz normal bei der AOK versichert – eine Ambulante Reha zu beantragen. Mein Orthopäde Dr. Kurt Dworschak in Erding hat mich in diesem Wunsch unterstützt – und siehe da, Anfang 2011 fand ich mich im Ambulanten Reha-Zentrum in Erding inmitten von Wirbelsäulen, Hüften und Knien wieder, will sagen inmitten von Menschen mit diesen Problemen. Später in der Reha fragt und antwortet man übrigens tatsächlich nur noch in Kürzeln: „Rücken? Schulter? Nein, Sprunggelenk“.
Heidi zwei Wochen nach der ersten Hüft-OP im Einzelzimmer in der Rehaklinik Bad Heilbrunn – man beachte die Slipper vorn und die festen Latschen an den Füßen.
Drei Wochen trainierte ich also mit wenig Gewichten an Geräten (es ging um Stoffwechsel-Training, nicht um Muskelaufbau), machte Gruppen-Übungen auf Wackel-Plattformen und auf Peci-Bällen (zur besseren Koordination), wurde in ein nahe gelegenes Hotel-Schwimmbad ins sogenannte Bewegungsbad gefahren, um dort Übungen im warmen Wasser zu machen, lernte Entspannungsübungen nach Jacobson – und durfte sogar im Rahmen eines Ernährungskurses meine nicht vorhandenen Kochkünste verbessern. Auch Psycho-Beratung wurde angeboten – und zwischendurch gab es Termine mit den Orthopäden vor Ort. Auch da immer wieder der Tenor: Ach, typische Einschränkungen, aber es geht doch noch ganz gut, oder? Klar, solange ich nur drei Schritte von Gerät zu Gerät gehen musste, war mir nichts anzumerken. Aber schon den Gang die Treppe hinunter zum Auto habe ich mir gut überlegt bzw. mich am Geländer festgehalten.
Insgesamt kann ich diese Art der Vorbereitung auf eine OP nur empfehlen. Man weiß dann schon, was einen in der anschließenden Reha erwartet.
Meine Hüftdysplasie-Freundin machte es vor
„Mein Point of no return war erreicht, als ich nicht mehr richtig Brustschwimmen konnte.“
Um einen Operateur habe ich mich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gekümmert. Ich habe ja immer noch gehofft… Mein Schlüssel-Erlebnis war das Schwimmen in einem warmen Thermalbad: Die Geh- und Paddelübungen im Bewegungsbad waren ja noch problemlos möglich, aber das Brustschwimmen ging gar nicht mehr! Die Spreizbewegungen taten ungeheuer weh. Das war mein „Point of no return“.
Ein beliebter Anlaufpunkt für Krückengeher: das Teelabyrinth im Kräuter-Erlebnispark von Bad Heilbrunn.
Ich erzählte das meiner Freundin Susanne, die angeborene Hüftdysplasien hat – und siehe da: Sie hatte einen erfahrenen Operateur gefunden, der bereit war, einen komplizierten Trochanter-Umbau mit gleichzeitiger TEP und Beinverlängerung um drei Zentimeter vorzunehmen, damit sie nicht mehr hinken muss. Das war Dr. med. habil. Jürgen Radke, seines Zeichens schon über 70 Jahre alt und mit ca. 15.000 Hüft-OPs in seinem Leben als der erfahrenste Hüft-Endoprothesen-Operateur Bayerns geltend. Susanne also ging bzw. humpelte voran – und machte sehr gute Erfahrungen im Rotkreuzklinikum München. Ich besuchte sie in der Reha bei Medical Park in Bernau-Felden am Chiemsee, freute mich über ihre positiven Erfahrungen und machte ebenfalls einen Termin bei Dr. Radke aus. Der war kurz und schmerzlos: Ein Blick auf meine Röntgenbilder – und er fragte mich, wann ich denn kommen wolle. Welche Hüfte zuerst war ihm auch egal. Beide seien ja gleich schlimm. Ich schluckte und nannte meinen Wunschtermin Ende Mai, der auch gleich bestätigt wurde. Nun gab es kein Zurück mehr. Gut so.
Hilfsmittel schon vorher besorgt
„Im Frühahr und Sommer sind OP und Reha wesentlich effektiver.“
Dank Susannes Erfahrung deckte ich mich auch schon vorher mit den wichtigsten Utensilien ein, die zum Großteil auf Rezept von der Krankenkasse zu haben sind: ergonomische Unterarmstützen (die haben eine zusätzliche Handflächenstütze, sehr angenehm), eine Toilettensitzerhöhung, ein Dusch-Hocker, ein Keilkissen (das übernimmt die Kasse nicht oder nur selten). Zusätzlich besorgte ich mir einen langen Schuhlöffel und Schuhe zum Reinschlüpfen: einmal feste Latschen für die Klinik, zum anderen Turnschuhe mit Klettverschluss für das Training an den Geräten. Später stellte ich fest, dass auch Klettverschlüsse mit der Greifzange (gibt’s in der Reha zum Ausleihen) von oben schwer zu schließen sind. Man soll ja als frisch Operierter die 90-Grad-Beugung des Gelenks vermeiden. Also schlüpfte ich meist in meine...