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Ingolstadt

Kleine Stadtgeschichte

AutorGerd Treffer
VerlagVerlag Friedrich Pustet
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl168 Seiten
ISBN9783791761343
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
806 erstmals in einer Urkunde Karls des Großen erwähnt, wurde Ingolstadt zu einem wichtigen strategischen Ort an der Donau. Es erlebte eine besondere Zeit als souveränes Teilherzogtum Bayern-Ingolstadt (1392-1447) und ab 1472 bis 1800 als Sitz der ersten und einzigen Bayerischen Landesuniversität mit Ausstrahlung auf das europäische Geistesleben. Zugleich war Ingolstadt immer auch Festungsstadt, ab 1828 ausgebaut zur Bayerischen Landesfestung. Erst in jüngster Zeit hat sich Ingolstadt zur modernen Wirtschaftsstadt gewandelt, zur 'Stadt der Ringe', die überdies wieder an ihre universitäre Tradition anknüpfen konnte und von SZ und Financial Times als 'boom-town' in Deutschland bezeichnet wurde. 'Kompakt und gut lesbar!' Ingolstädter Zeitung

Gerd Treffer, Dr. phil Dr. jur., ist seit 1977 Pressesprecher der Stadt Ingolstadt und Autor zahlreicher Bücher und Hörbilder zu historischen Themen allgemein und zur Ingolstädter Stadtgeschichte im Besonderen.

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Leseprobe

Die Stadt entsteht


1180 war Otto I., Graf von Wittelsbach und Markgraf für Bayern, von Kaiser Friedrich Barbarossa mit dem Herzogtum Bayern belehnt worden. Die neuen Landesherrn, ab 1183 (bis 1231) Ludwig der Kelheimer, hatten begonnen, die unterschiedlichen Rechts- und Machtstrukturen des Landes ihrem zentralen Herrschaftsanspruch unterzuordnen. Den Orten an der Donau fiel beim »Landesausbau« dabei besondere Bedeutung zu, da sie vielfach strategische Grenzpunkte darstellten, von Rain am Lech über Neuburg bis Ingolstadt und weiter nach Vohburg und Kelheim. Ingolstadt aber saß wie die Spinne im Netz der Fernhandelsachsen. So war der Ausbau des alten Kammergutes zur Stadt eine landespolitische Notwendigkeit. Um 1250 entstand die herzogliche Burg, deren Palas im Herzogskasten noch heute sichtbar ist.

Ingolstadt in Bayern


Jahrhundertelang, seit dem Jahr 841, waren die Äbte von Niederaltaich die unmittelbaren Herren über Ingolstadt gewesen. Tatsächlich war ihr Einfluss aber schon erheblich geschwächt, als die Vogtei über Niederaltaich und damit über Ingolstadt 1242 an die Wittelsbacher unter Otto II., dem Erlauchten (1231–53), überging. In diesem Jahr nämlich war Ottos Stiefbruder, der Graf von Bogen – der die Vogtei über Niederaltaich gehalten hatte –, verstorben. Spätestens damals übernahm Ottos Sohn Ludwig (der spätere Ludwig II., der Strenge) von Albert V. von Bogen dessen heraldisches Zeichen, die Rauten, in sein Wappen.

Nach Ottos Tod, 1253, hatten dessen Söhne Ludwig II. und Heinrich XIII. gemeinsam in der Pfalzgrafschaft und im Herzogtum regiert. 1255 teilten sie das Herzogtum in Ober- und Niederbayern (die Grenzziehung entspricht nur ungefähr den Grenzen der heutigen Regierungsbezirke gleichen Namens). Von nun an bis 1294 regierte Ludwig II. in der Pfalzgrafschaft und im Oberen Bayern allein, Heinrich XIII. bis 1290 in Niederbayern. Formulierungen der Herzogsurkunden Jahrzehnte nach dieser Teilung zeigen, dass keine »staatsrechtliche« Separation in zwei Herzogtümer, sondern eine Nutzteilung beabsichtigt war. In Wirklichkeit aber waren es zwei große Landesteile, die sich durchaus eigenständig entwickeln sollten. Für Ingolstadt hatte diese Landesteilung besondere Bedeutung, denn hier trafen die Einflussbereiche der herzoglichen Brüder aufeinander. Die Vogtei über Niederaltaich und damit die niederaltaichischen Besitzungen in Ingolstadt fielen Herzog Heinrich von Niederbayern zu – der herzogliche Besitz um Ingolstadt und das ganze Land einschließlich der Stadt kamen an Ludwig den Strengen.

 

HINTERGRUND

 

Die Moritzkirche

Die älteste Kirche Ingolstadts ist die Moritzkirche, die »Untere Pfarr«, die sich in der Stadtmitte, direkt hinter dem Alten Rathaus erhebt. In ihrem ältesten Bestand reicht sie bis ins 9. Jahrhundert zurück. Die dreischiffige gotische Basilika stammt in ihrem jetzigen Zustand aus dem frühen 13. Jahrhundert. 1234 war an die Stelle der alten Kirche ein Steinbau getreten. Im Kirchenraum beeindrucken die wuchtigen Pfeiler. Die Seitenschiffe sind mit Kapellen ausgestattet. Die Rokokodekorationen von Johann Baptist Zimmermann sind 1880 einer Restaurierung zum Opfer gefallen. Nach 1945 wurde versucht, die Festlichkeit des 18. Jahrhunderts wieder zur Geltung zu bringen. Am Hochaltar fallen zwei geschnitzte Darstellungen der Heiligen Mauritius und Gereon auf, die vom Eichstätter Bildhauer Anton Breitenauer (1764) stammen. Auf der linken Seite im Choreingang hat die Silberstatue einer Immaculata Platz gefunden, die zu den schönsten Beispielen der Rokokokunst in Bayern zählt. Der Münchner Goldschmied Joseph Friedrich Canzler stellte sie wahrscheinlich nach einem Vorbild von Ignaz Günther her.

An der Moritzkirche sind die Türme bemerkenswert. Der eigentliche Kirchturm steht an der Nordseite, ein schwerer romanischer Bau. An der Südseite erhebt sich ein schlanker, gotischer Turm. Der gotische, in seinem Aufbau mehrfach veränderte, 63 m hohe Turm an der Südseite des Langhauses diente der Stadt als Wachturm. Er ist mit einer umlaufenden Galerie versehen. Das ursprüngliche Spitzdach wurde 1703 in ein Kuppeldach umgewandelt. Die mittelalterliche Stadt war in vier »Viertel« eingeteilt, denen je eine Farbe zugeordnet war. Brach in einem der Viertel Feuer aus – »pfiffen« es die Turmwächter vom Dach und signalisierten den Brand durch eine Fahne mit der entsprechenden Farbe. Von daher hat er seinen Namen »Pfeifturm«; von seinem Umgang wird bis heute in jeder Silvesternacht das neue Jahr angeblasen.

 

Abb. 4: Die älteste Ingolstädter Kirche St. Moritz, 1234 am Ort einer früheren Kirche entstanden. Rechts im Bild der Kirchturm, hinter dem Kirchenschiff der städtische »Pfeifturm«.

»Stadtwerdung«


Um 1250 muss Ingolstadt »Stadt« geworden sein (wenn auch ein Rat als Organ einer städtischen Verfassung erst für 1309 belegt ist). Wo sonstige Rechtsquellen fehlen, wird die Verwendung des Begriffes civis – ein Bürger einer Stadt mit Rechten und Pflichten – entsprechende Rückschlüsse zulassen. In einer Urkunde des Niederaltaicher Codex 581 wird 1254 ein Heinrich Trost als quidam civis eiusdem loci bezeichnet: Ihm und seiner Ehefrau Gertrud werden damals zwei Höfe in der Stadt auf die Dauer von drei Jahren überlassen (17 Jahre nach Trost ist mit Heinrich von Gümling ein weiterer »Bürger« Ingolstadts bezeugt, nach weiteren 17 Jahren kommt ein dritter hinzu).

Burg, Stadtmauer, Graben


In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstand die erste Stadtumwallung in der Tradition der frühen wittelsbachischen Stadtgründungen, ein Rechteck, das die Stadt einfasste, wobei die Längsseiten parallel zur Donau (im heutigen Verlauf) liefen, die Franziskanerkirche nördlich außerhalb der Stadtmauern, das Spital südlich davon lassend. Vier Ecktürme hatte diese Mauer. Etwas östlich vom Herzogskasten (der herzoglichen »Burg« – heute das älteste in Ingolstadt erhaltene Profangebäude) stand der Rundturm, im Nordosten der Striglturm, im Nordwesten der Glockenturm, im Südwesten der Judenturm. Im Zentrum kreuzten sich die Straßen (am heutigen Schliffelmarkt, »Am Stein«). Das teilte die Stadt in annähernd gleich große Viertel und schuf überdies abgeschlossene Straßenräume.

Die erste schriftliche Quelle, die von diesem Mauerbau berichtet, ist das um 1270 unter Ludwig dem Strengen angelegte Herzogsurbar. Rechnet man mit einer gewissen Zeitspanne für die Errichtung, müssen die Arbeiten schon einige Jahre zuvor begonnen worden sein. Das Aussehen der Häuser in der Stadt des 13. Jahrhunderts ist verhältnismäßig gut rekonstruierbar. Aus Stein scheint nur der Stadtbau des Klosters Kaisheim errichtet worden zu sein. Alle anderen Häuser waren Holzbauten.

Der Herzog und seine Stadt


Ingolstadt war ein herzogliches Offizium, eine Amtsstelle des Landesherren, die Gefälle und Zölle einzusammeln hatte. Steuern und Abgaben wurden in Naturalien erbracht. Die Stadt diente dem »herumreisenden Hof« zur Hofhaltung, aber auch als ständiges »Rentamt«, also Finanzamt.

 

HINTERGRUND

 

Der Herzogskasten

Der Herzogskasten ist nicht nur das älteste nicht-kirchliche Gebäude Ingolstadts, sondern auch ein eindrucksvolles Beispiel des frühen Profanbaus in Bayern. Der dreigeschossige Bau geht auf Ludwig II. den Strengen (1255–1294) zurück. Die Bezeichnung »Kasten« ist nicht aus dem massiven und trutzigen Charakter des Bauwerks abzuleiten, sondern aus der Bedeutung des Wortes für Kornspeicher oder Stadtkasse. Der imposante Bruch- und Backsteinbau steht auf rechteckigem Grundriss und wirkt wie eine steinerne Manifestation stolzer, ritterschaftlicher Selbstsicherheit. Der später, wohl erst im 14. Jahrhundert angebrachte Schmuck an den Giebelrändern des Steildachs, die ornamental verstärkten Ecken und das schlanke, aus dem sonst unkomplizierten, blockartigen Baukörper hervortretende Chörlein erhöhen das Repräsentative dieser »sicheren Burg«. Der Herzogskasten diente den Herzögen und dem »reisenden Hof« bei ihren Aufenthalten in Ingolstadt als Quartier, ansonsten als Rentamt. Herzog Ludwig dem Gebarteten genügte nach seiner Rückkehr aus Frankreich (1413) der Herzogskasten dann nicht mehr, und er legte daher den Grundstein für das Neue Schloss. Die »alte Residenz« hatte damit ihre ursprüngliche Funktion verloren. Tatsächlich musste das Gebäude die verschiedensten Nutzungen über sich ergehen lassen. Im Laufe der Jahrhunderte wurde es mehrmals verändert. Dass es trotzdem seinen unverwechselbaren Charakter bis heute bewahren konnte, ist fast ein Wunder. 1978 kaufte die Stadt den Herzogskasten von einer Bäckergenossenschaft und restaurierte ihn. Nun hat die Stadtbücherei, benannt nach Marieluise Fleißer, darin ihren Sitz.

 

Abb. 5: Der Herzogskasten, der älteste Profanbau Ingolstadts, erbaut unter Herzog Ludwig II. dem Strengen, diente den Ingolstädter Herzögen bis ins 15. Jahrhundert als »Residenz«.

Allmählich bildeten sich auch Organe der städtischen (Selbst-) Verwaltung aus. Stadtherr war der Herzog; die Stadt unterstand dem herzoglichen Stadtrichter. Anfang des 14. Jahrhunderts entstand ein Rat, dessen Mitglieder sich mitunter auch als »Geschworene der Stadt« bezeichneten. Er vertrat die Bürger dem Richter als herzoglichem Beamten gegenüber. Ein solcher Rat als Organ ist erstmals 1309 zu belegen,...

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