2. Kapitel.
Bibliographie der zum Thema erschienenen Schriften –
verschiedene Erklärungstheorien
Noch größeren Aufwand von Scharfsinn als der Name hat jedoch die Sache in Anspruch genommen. Mit der Hexenfrage war auch das Ob und Wie der Wolfsverwandlung Gegenstand der lebhaftesten Diskussion geworden. Wir haben aus den letzten drei Jahrhunderten eine ganze Reihe von Monographien über den Lycanthropus und die Tierverwandlung: Wolfeshusius, De Lycanthropis, Lipsiae 1591. 4. - Claude Prieur, Dialogue de Lycanthropie ou transformation d’hommes en loups vulgairement dits Loups-Garous, et si telle se peut faire, Louvain. 1596. 8. - Chauvincourt, Dicours de la Lycanthropie ou de la transmutation des hommes en loups. Paris 1599. 8. - Nynauld, De la Lycantropie, Transformation et Extase de Sorciers. Paris 1615. 12. - Fortunius Licetus, Ulisses apud Circen, Dialogus de quatruplici transformatione hominum, Utini 1636. 4. - Die von Wolfg. Ambros. Fabricius am 26. Februar 1649 in der Aula zu Straßburg verteidigten Thesen von der Lykanthropia, Argentorati 1649. - Mei, De Lycanthropia, Wittenb. 1650. 4. – Ziegrae, Disputatio contra Opliantriam, Lycanthropiam etc. Witteb. 1650. 4. – Niphanius, De Lycanthropia, Witteb. 1654. 4. - Thomasius, De transformatione hominum in bruta, Lips. 1667. 4. - Jac. Fr. Müller, De transmutatione hominum in lupos, Lips. 1673. 4. - Reinhardi Therantropismus, Witteb. 1673. 4. - Schelwig, De Lycanthropia, Gedani 1679. 4. - Seligmann, De dubiis hominibus, in quibus forma humana et brutina mista fertur, Lips. 1679. 4. - Lauben, Dialogi und Gespräche von der Lyanthropia oder der Menschen in Wölff Verwandlung, Frankfurt 1686. 12. - Philosophische Abhandlung von dem Entstehen, der Natur und dem Aufhören der Waarwölfe, Danzig 1746. 4.In der neuesten Zeit erschien Leubuscher, Ueber die Wehrwölfe und Thierverwandlungen im Mittelalter, Berlin 1850. 8.
Außerdem ist wenigstens die Berührung der Frage in keinem der unzähligen Bücher über Zauberei und Hexenwesen versäumt worden. Ich erwähne hier von den mir zugänglichen: Malleus Maleficarum, Pars. I, Quaestio X. - Liechtenberg, Hexenbüchlein, das ist ware Entdeckung und Erklärung oder Declaration fürnämlicher Artikel der Zauberey, durch J. Wecker an tag geben 1575. 8. ohne Pagination. - Joannes Wierus, De praestigiis Daemonum, Basil. 1583. 4. De Lamiis Liber, Cap, XIV. - Bodin, De la Demonomanie des Sorciers, Paris 1587. 4. - De Magorum Daemononmania, Francof. 1603. 8. - Übersetzt von Fischart, Vom Außgelassenen Wütigen Teuffelsheer, Straßburg 1591. fol. - Des weyland Hochgelehrten Johannis Bodini Daemonomania oder außführliche Erzehlung des wütigen Teuffels, im andern Theil von Remigius, Daemonolatria, Hamb. 1698. 8. Lib. II. C. I. - Binsfeldius, Tractatus de Confessionibus Maleficorum et Sagarum, Augustae Trevirorum 1591. 8. p. 178. Übersetzt: Tractat von Bekanntnuß der Zauberer und Hexen, Trier 1590. 12. fol. 47. - Peucerus, Commentaria de praecipuis divinationum generibus, Servestae 1591. p. 166. - J. R. (Jacobus Rex), Daemonologie in Forme of a Dialogue, divided in three bookes, Edinb. 1597. 4. Third Booke, Chap. I. - R. V. (R. Verstegan) A Restitution of Decayed Intelligence in antiquities, Antwerp. 1605. 4. p. 237. - Boquet, Discours des sorciers, seconde Edition, Lyon 1608. 8. Chap. LIII. - De l’Ancre, Tableau de l’Inconstance des Mauvais Anges et Demons, Paris 1613. 4. L. IV. Discours II. : De la Lycanthropie. Übersetzt: Wunderbahrliche Geheimnussen der Zauberey darinn auß der Vhrgicht und Bekenntnuß vieler underscheidlicher Zauberer und Zauberinnen die vornembste Stück, so bey solchem Teuffelswesen umbgehen, beschrieben werden, gedrückt i. J. 1630. 4. - Kornmann, De miraculis vivorum, Francof. 1614. 12. p. 202. - Camerarius, Operae Horarum subcisivarum, 1615. 4. Centuria prima. Cap, LXXII. - Cervantes, Persiles y Sigismunda L. I. c. 18. - G. H. (George Hakewill), An Apologie of the Power and Providence of God in the Government of the World. Oxf. 1627. fol. L. I. C. I. Sect. 5. - Boissardus, Tractatus posthumus de Divinatione et Magicis Praestigiis, Oppenheimii. fol. p. 54. - Praetorius, Gründlicher Bericht von zauberey und zauberern, Frankf. 1629. 4. p. 74. - Praetorius, Anthropodemus Plutonicus, das ist eine neue Weltbeschreibung, Magdeb. 1666. p. 255: Von Thier-Leuten. - Dannhauer, Theologia Conscientiaria. P. 2 fol. 462. - Frommann, De Fascinatione magica. fol. 752. - Gödelmann, Von Zauberern, Hexen und Unholden, übersetzt durch Nigrinum, Frankf. 1692. 4. 2. Buch. 3. Capitel. - Gockel, Von dem Beschreyen und Verzaubern, Frankf. u. Leipz. 1717 p. 27. Schauplatz vieler Ungereimten Meynungen und Erzehlungen von Tharsandern. 14. Stück. Berlin u. Leipz. 1738 Nr. 49; Von Weer-Wölfen. - Hauber, Bibliotheca Magica. 29. Stück. Cap. CCXLIII. Curiose Erzählung von den Währ-Wölffen. Anno 1742.
Es würde zu weit führen, wollte ich alle Erklärungstheorien dieser gelehrten Herren hier einzeln besprechen. Ich kann mich ohnedies um so kürzer fassen, als schon Leubuscher im zweiten Teil seiner Abhandlung die wichtigsten Ansichten zusammengestellt hat. Nur Wenige nahmen eine substantielle Umwandlung des menschlichen Körpers an; darunter Bodin gestützt auf Aussprüche der Philosophen Pomponatius, Theophrastus Paracelsus, Fernelius und Thomas von Aquino,4 ferner Liechtenberg in dem Kapitel „Wie sich die Hexen in Thier verkören“, der sich bemüht, seinen Lesern die Sache durch folgendes Bild klar zu machen: „Wie ein Hafner auß eim Leym ein Krug, ein Kachel oder ander Geschirr, und wieder zerbrochen machen mag, also ist dem Geyst und der Hexen. Der Geyst ist der Meister, die Hexen der Leym, und auff solich weiß wirt auß der Hexen ein Katz, Wolff, Geiß, u.s.w. und wirt da der Person nichts genummen, noch hinzu gesetzt. Sonder wie der Leym in die, dann in die andere Form geknettet wirt, also beschicht auch das, seynd ding den Geistern möglich und bekannt.“
Die meisten übrigen Schriftsteller leugnen diese wirkliche Verwandlung, hauptsächlich gestützt auf Augustin5 und das Konzil von Ancyra (i. J. 381), welches ausdrücklich verfügt: „Jeder, der daher in irgendeiner Art glaubt, daß es geschehen könne, daß irgendeine Kreatur sich in etwas Besseres oder Schlechteres könne verändern oder in eine andere oder ähnliche Gestalt verwandeln, außer durch den Schöpfer selbst, welcher alles geschaffen hat, und durch den alle Taten sind, dieser ist durch jenen Zweifel untreu und ärger denn ein Heide.“6
Die Wenigsten aber sind es, welche sämtliche Berichte von Tierverwandlungen für Lug und Trug erklären, wie z.B. Hauber a. a. O. III. 288.
Ich will die Resultate der weniger frivolen Untersuchungen in Kürze zusammenfassen: Es liegt im Geist jener Jahrhunderte, welcher in der Hexenbulle des Papstes Innocenz VIII. (Summis desiderantes vom 5. November 1484) und im Hexenhammer (1489) die Herrschaft des Teufels auf Erden proklamierte und ihm zu Ehren in allen Ländern Europas Scheiterhaufen qualmen und Schaffotte triefen ließ, - es liegt in diesem finstern Geist, daß der Satan, von dessen Macht selbst die ersten Männer der Zeit sich nicht frei mache konnten,7 auch in der überwiegenden Mehrzahl jener Schriften, welche die Wissenschaft repräsentieren sollten, die Hauptrolle spielte. Man unterschied so: entweder erscheint der Lycanthropus nur sich als Wolf oder er erscheint auch so den anderen. Im ersten Fall sind seine Sinne durch teuflische Phantasmata, durch Vermengung der „viererlei Säfte“ zerrüttet; im letzteren Falle lassen sich vier Erscheinungsweisen unterscheiden:
Der Teufel, der nur zu täuschen, nicht zu schaffen vermag, verblendet die Augen der übrigen Menschen, daß sie in dem Lycanthropen wirklich einen Wolf zu sehen meinen, obgleich dieser seine Menschengestalt nicht verändert hat.
Der Teufel umhüllt den Menschen mit einem Wolfsfell, das er ihm völlig anzupassen versteht.
Der Teufel umhüllt ihn mit einer Wolfsgestalt aus verdichteter Luft.8
Der Teufel versenkt ihn in einen tiefen Schlaf und vollbringt indes in Wolfsgestalt die Taten, welche der Schlafende nur träumt.9 Das letztere galt für wahrscheinlicher als die wohl auch zuweilen aufgestellte Ansicht, die Seele verlasse den Leib und schweife mit einem wirklichen oder scheinbaren Wolfskörper umher.
In den drei ersteren Fällen erklärt sich von selbst, warum die Wunden, welche dem Werwolf beigebracht werden, sich bei dem rückverwandelten Menschen an derselben Stelle finden; im letzteren Fall bringt der Teufel bei seiner Zurückkunft dem Schläfer die Wunden an der Stelle bei, wo er sie selbst empfangen hat.
Damit haben wir das Wesentliche beisammen, was das sechzehnte und siebzehnte Jahrhundert im Verständnis unserer Werwolfsage geleistet haben, und es mag dies zur Befriedigung der ersten Neugierde genügen. Aus der neueren Zeit, wo man den Streit über die Möglichkeit und Wirklichkeit der Tierverwandlung hinter sich hat, sind u. a. folgende Ansichten über die Sage zu erwähnen: Keysler in seinen Antiquitates Selectae Septentrionales et Celticae, Hannoverae 1720. erklärt den Glauben an...