KAPITEL 1
Der Schmerz
Stimmen wie diese hören wir immer wieder:
»Ich habe gar kein Privatleben mehr. Ich fühle mich total ausgebrannt und leer.«
»Niemand schätzt mich wirklich. Mein Chef hat nicht die leiseste Ahnung von meinen Fähigkeiten.«
»Ich habe nicht das Gefühl, gebraucht zu werden – nicht bei der Arbeit und auch nicht von meinen Kindern, meinen Nachbarn, der Gemeinde oder meiner Frau. Die braucht mich höchstens, um die Rechnungen zu bezahlen.«
»Ich stecke im Hamsterrad des Alltags fest. Es ist immer der gleiche Trott.«
»Ich bin frustriert und mutlos.«
»Ich verdiene einfach nicht genug. Es reicht kaum zum Leben. Irgendwie komme ich überhaupt nicht voran.«
»Vielleicht bin ich einfach nicht gut genug.«
»Nichts von dem, was ich mache, ist wirklich wichtig.«
»Ich fühle mich innerlich leer. Mein Leben hat keinen Sinn. Irgendwie fehlt was.«
»Ich bin wütend. Und ich habe Angst! Ich kann es mir absolut nicht leisten, meinen Job zu verlieren.«
»Ich bin einsam und allein.«
»Alles ist immer nur dringend. Ich halte diesen Stress nicht mehr aus!«
»Nur Mikromanagement. Ständig kontrolliert mich mein Chef – ich ersticke einfach!«
»Der ganze sinnlose Kleinkrieg – das macht mich richtig krank.«
»Ich langweile mich, vertreibe mir bloß die Zeit. Die Arbeit macht mir einfach keinen Spaß.«
»Ständig diese Hetze, die Jagd nach Erfolg. Dieser ungeheure Druck, die gewünschten Resultate zu liefern. Ich habe einfach nicht genug Zeit und Ressourcen, um das alles zu schaffen.«
»Meine Frau versteht mich nicht, die Kinder hören mir nicht zu und machen einfach nur, was sie wollen. Zu Hause bin ich kein bisschen besser dran als bei der Arbeit.«
»Ach, ich kann ja doch nichts ändern …«
Ob im Privatleben oder im Beruf: Das sind die Worte von Millionen von Menschen – von Eltern, Arbeitern, Dienstleistern, Managern, Experten und Führungskräften auf der ganzen Welt. Sie alle kämpfen darum, in der neuen Realität des Wissenszeitalters nicht unterzugehen. Der Schmerz ist persönlich – und sitzt tief. Vielleicht sprechen Ihnen viele dieser Menschen aus der Seele? Carl Rogers hat recht, wenn er sagt: »Gerade das Persönlichste ist das Allgemeinste.«1
Natürlich gibt es durchaus Menschen, die sehr viel Kraft in ihre Arbeit stecken, wichtige Beiträge leisten und dadurch auch wieder Kraft gewinnen. Es sind aber viel zu wenige! Ich stelle meinen Zuhörern oft die Frage: »Wie viele von Ihnen denken, dass die große Mehrheit der Leute in Ihrem Unternehmen über weitaus mehr Talent, Intelligenz, Fähigkeiten und Kreativität verfügt, als ihr derzeitiger Job erfordert oder auch nur zulässt?« Die überwältigende Mehrheit hebt die Hand – und zwar überall auf der Welt. Die meisten bestätigen auch, dass sie unter einem enormen Druck stehen, mehr für weniger produzieren zu müssen. Ist das nicht unglaublich? In einer ungeheuer komplexen Welt sollen die Leute immer mehr für immer weniger produzieren. Aber man erlaubt ihnen einfach nicht, ihre Talente und ihre Intelligenz einzusetzen.
In Unternehmen und Organisationen zeigt dieser Schmerz sich am deutlichsten in der Unfähigkeit, sich auf Prioritäten zu konzentrieren und sie umzusetzen. Harris Interactive, die Begründer der Harris Poll, haben das in einer Studie bestätigt. Für ihre Studie befragten sie 23 000 Einwohner der USA, die Vollzeitstellen in Schlüsselbranchen2 und Schlüsselbereichen3 hatten. Dazu nutzten sie den so genannten xQ-Fragebogen. xQ steht für Execution Quotient, also für »Umsetzungsquotient«.*
Die Ergebnisse der Studie waren wirklich erstaunlich:
Nur 37 Prozent der Befragten gaben an, genau zu wissen, welche Ziele ihr Unternehmen erreichen will und weshalb.
Nur 20 Prozent waren von den Zielen ihres Teams und ihres Unternehmens überzeugt.
Nur 20 Prozent der Mitarbeiter sagten, ihre eigenen Aufgaben seien klar auf die Ziele ihres Teams und ihres Unternehmens ausgerichtet.
Nur 50 Prozent waren am Ende der Woche mit der von ihnen geleisteten Arbeit zufrieden.
Nur 15 Prozent meinten, dass ihr Unternehmen sie rückhaltlos dabei unterstützt, Schlüsselziele zu erreichen.
Nur 15 Prozent hatten das Gefühl, dass in ihrem Unternehmen viel Vertrauen herrscht.
Nur 17 Prozent glaubten, dass ihr Unternehmen eine offene Kommunikation fördert, bei der auch abweichende Meinungen geschätzt werden, sodass neue, bessere Ideen entstehen.
Nur zehn Prozent waren der Ansicht, dass ihr Unternehmen die Mitarbeiter für ihre Ergebnisse verantwortlich macht.
Nur 20 Prozent hatten uneingeschränktes Vertrauen zu der Organisation, für die sie arbeiteten.
Nur 13 Prozent hatten wirklich kooperative, von großem Vertrauen geprägte Arbeitsbeziehungen zu anderen Teams oder Abteilungen.
Übertragen auf eine Fußballmannschaft hieße das: Bloß vier der elf Spieler wüssten, welches Tor ihr eigenes ist. Nur zweien der elf Spieler wäre das überhaupt wichtig. Lediglich zwei würden ihre Position kennen und genau verstehen, was sie tun sollen. Aber neun der elf Spieler würden auf die eine oder andere Weise gegen ihre Mannschaftskameraden antreten – und nicht gegen das gegnerische Team.
Diese Zahlen machen einen wirklich nachdenklich. Sie stimmen mit meinen Erfahrungen mit den verschiedensten Organisationen und Unternehmen auf der ganzen Welt überein. Trotz des technischen Fortschritts, der vielen Produktinnovationen und der globalen Märkte verkümmern die meisten von uns in ihrem Job. Sie sind weder erfüllt noch begeistert von ihrer Arbeit. Im Gegenteil: Sie sind frustriert. Ihnen ist nicht klar, wie die Ziele ihres Unternehmens und ihre obersten Prioritäten aussehen. Sie haben das Gefühl, in einer Sackgasse zu stecken. Und das Schlimmste ist: Sie glauben nicht, dass sie viel an dieser Situation ändern können. Können Sie sich vorstellen, wie viel Geld verschwendet wird, weil man die Leidenschaft, das Talent und die Intelligenz der Mitarbeiter nicht richtig ausschöpft? Die Kosten sind gigantisch. Sie übersteigen die Summe aller Steuern, Zinszahlungen und Arbeitskosten bei Weitem!
Weshalb ein 8. Weg?
Seit dem Erscheinen von Die 7 Wege zur Effektivität im Jahr 1989 hat sich die Welt radikal verändert. Ob in unserem persönlichen Leben, in unseren Beziehungen, in unseren Familien oder im Beruf und in den Unternehmen: Heute sind die Herausforderungen sehr viel größer und komplexer.
1989 war ein ganz besonderes Jahr: Einerseits fiel damals die Berliner Mauer. Andererseits betrachten viele 1989 als Beginn des Informationszeitalters – als Geburtsstunde einer völlig anderen Wirklichkeit, als wahre Zeitenwende … als Anfang einer ganz neuen Ära.
Ich bin oft gefragt worden, ob die 7 Wege in der neuen Realität unserer Zeit überhaupt noch von Bedeutung sind. Meine Antwort war immer die gleiche: Je größer die Veränderungen und je schwieriger die Herausforderungen, desto wichtiger werden die 7 Wege! Denn hier geht es nicht nur um hohe Effektivität, sondern auch um ein vollständiges Gefüge universeller, zeitloser Charakter- und Effektivitätsprinzipien.
Heute steht es dem Einzelnen und den Unternehmen nicht mehr frei, sich für Effektivität zu entscheiden. Sie haben keine Wahl. Sie müssen effektiv sein. Doch wenn wir in dieser neuen Wirklichkeit überleben wollen, wenn wir in ihr wachsen, uns weiterentwickeln und eine Führungsrolle übernehmen wollen, reicht Effektivität allein nicht aus. Die neue Ära verlangt Größe, sie ruft nach Erfüllung, einer leidenschaftlichen Umsetzung und bedeutsamen Beiträgen. Diese Faktoren gehören zu einer anderen Ebene, einer anderen Dimension. Sie sind von völlig anderer Art. Nehmen wir beispielsweise die Bedeutsamkeit. Sie unterscheidet sich vom Wesen her, nicht aber im Ausmaß vom Erfolg. Wer die höheren Bereiche der menschlichen Kreativität und der Motivation erschließen, wer die...