INSULIN, DAS SCHLÜSSELHORMON
Nach einer Mahlzeit, wenn Glukose ins Blut strömt und in der Folge der Blutzuckerspiegel steigt, tritt das Hormon Insulin auf den Plan. Es wird aus der Bauchspeicheldrüse ausgeschüttet, um der Glukose die Zellen aufzuschließen. Denn nur so kann diese an ihren Wirkungsort vordringen, wo sie als Energielieferant benötigt wird. Ist der Blutzuckerspiegel dann wieder im Lot, zieht sich der Türöffner Insulin zurück.
Schnelle Kohlenhydrate: insulinintensiv
Die als schnell bezeichneten Kohlenhydrate sind im Nu im Darm zerlegt und stehen dem Körper rasch als Energie zur Verfügung. Bestens, wenn Sie auf einer Radtour drohen, schlappzumachen, oder der Garten dringend umgegraben werden muss.
Schnelle Kohlenhydrate waren für den Menschen schon immer leicht zu erkennen: Sie schmecken süß. Eine Banane, ein Glas Orangensaft oder ein Stück Traubenzucker bringen Sie in einem solchen Fall zügig auf Trab, denn sie enthalten eine Menge dieser schnellen Kohlenhydrate. Kaum sind die Zuckerpärchen im Darm getrennt, gehen sie überfallartig ins Blut über. Sofort muss ein Stoßtrupp des Hormons Insulin aus der Bauchspeicheldrüse ausgeschüttet werden, um diesem Ansturm von Blutzucker Paroli zu bieten und ihm so schnell wie möglich die Zellen aufzuschließen. Denn dort wird die Energie benötigt, für harte Muskelarbeit. Schon nach kurzer Zeit können Sie also wieder richtig in die Eisen treten oder kräftig den Spaten schwingen.
Langsame Kohlenhydrate: insulinschonend
Bei langkettigen Kohlenhydraten dauert der Weg aus dem Darm bis in die Zelle länger als bei Einfach- und Zweifachzuckern, denn die Aufspaltung der langen Ketten in einzelne Bausteine läuft während der Verdauung nur Stückchen für Stückchen ab. Weil sie aus so vielen Einzelbausteinen bestehen, werden langkettige Kohlenhydrate auch »komplexe Kohlenhydrate«, also zusammengesetzte Kohlenhydrate genannt. Durch die schrittweise Aufspaltung gelangt die Glukose nur nach und nach ins Blut, dafür aber über einen längeren Zeitraum hinweg. Das Insulin hat es in diesem Fall etwas leichter, es muss keinen plötzlichen Ansturm von Glukose im Blut bewältigen, sondern kann seine Aufgabe gemächlicher erfüllen. Es werden also keine so hohe Mengen Insulin auf einmal benötigt.
GEFAHR INSULINRESISTENZ
Auf und nieder, immer wieder – das kann auf Dauer nicht gut gehen. Wer häufig Zuckersüßes isst, fordert das Insulin-Blutzucker-System immer wieder zu Höchstleistungen heraus. Insulin muss bei jeder Zuckerdosis rasant in rauen Mengen zur Stelle sein. Und damit nicht genug: Es muss vor allem auch wieder aus dem Blut verschwinden, nachdem es seine Aufgabe erfüllt hat. Das führt zu Ermüdungserscheinungen des Systems: Zuerst sind die Zellen immer weniger in der Lage, auf die stets wiederkehrenden Anstürme des Zellöffners Insulin zu reagieren. Sie stumpfen ab und nehmen mit der Zeit immer weniger Blutzucker auf. Im Gegenzug produziert die Bauchspeicheldrüse mehr Insulin, um den Zucker dennoch rasch aus dem Blut in die Zelle zu bekommen, bis auch die insulinproduzierenden Zellen in diesem Organ irgendwann schlappmachen, weil sie schlichtweg überlastet sind. Wer seine Ernährung nicht rechtzeitig umstellt, dessen Insulin-Blutzucker-System gerät außer Kontrolle, und man spricht von Insulinresistenz, dem Vorläufer von Diabetes.
Das Zuviel ist das Problem
Also sind die langsamen, langkettigen Kohlenhydrate doch gar nicht so schlecht, oder? Warum also sollten Sie mit Low Carb alle Arten von Kohlenhydraten, auch die langsamen, reduzieren?
Weil wir mit unserem heutigen Lebensstil insgesamt deutlich zu viele Kohlenhydrate essen, lautet die Antwort. Die Speicher für Kohlenhydrate in Muskeln und Leber sind sehr begrenzt. Sind diese voll, weil Sie über das Essen ohne Unterlass neue Kohlenhydrate liefern, ohne die gespeicherte Energie in Form von körperlicher Arbeit zu nutzen, dann müssen die Energieträger eben woandershin. Die Lösung: das Fettgewebe. Das körpereigene Fettgewebe hat schier unbegrenzte Möglichkeiten, Energie in Form von Fett zu speichern, und so finden sich dort viele sehr bequeme Plätzchen. Das heißt, die gerade nicht für Aktivitäten benötigten Kohlenhydrate werden in Ihrem Körper auf simpelste Weise direkt in Hüftgold umgewandelt. Die Konsequenz ist klar: Sie gehen mehr und mehr in die Breite, entwickeln irgendwann das besonders ungesunde Bauchfett, auch die Leber verfettet, die Blutfettwerte verschlechtern sich. Und im schlimmsten Fall werden Sie davon krank.
Die Lösung: Kohlenhydratbremse und Kohlenhydratpausen
Regelmäßiges Essen und ein üppiges Nahrungsangebot bewirken, dass unsere körpereigenen Kohlenhydratspeicher stets gut gefüllt und nach körperlicher Anstrengung auch im Nu wieder aufgefüllt sind. Klar, dass dann Kohlenhydrate aus dem Essen schnell im Fettgewebe landen. Da hilft nur, den Kohlenhydratverzehr grundsätzlich einzuschränken, einen kohlenhydratärmeren Essensstil zu leben. Wie Sie ganz bewusst auf die Kohlenhydratbremse treten, zeigen wir auf den folgenden Seiten.
WIE VIELE KOHLENHYDRATE BRAUCHEN WIR?
Auch die Fachgesellschaften nehmen allmählich davon Abstand, eine kohlenhydratreiche Ernährung als besonders gesund zu betrachten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat sich mit an den aktuellen Forschungsstand angepassten Regeln davon distanziert, eine Empfehlung für den Anteil an Kohlenhydraten in einer gesunden Ernährung abzugeben. Stattdessen lautet die Empfehlung nun, bei Getreideprodukten auf komplexe Kohlenhydrate zu achten, sich also häufig für die Vollkornvariante zu entscheiden. Es gibt also keine Vorgaben, wie hoch der Kohlenhydratanteil in der Ernährung sein sollte. Klar ist allerdings längst, dass der Körper bei nur geringer körperlicher Belastung viel weniger Kohlenhydrate verarbeiten kann. Was nicht von den Muskeln verfeuert wird, landet in den Fettspeichern.
SCHRITTWEISE ZU LOW CARB Phase 1: Orientierung
Sie möchten Ihrer Gesundheit und Ihrem Körpergewicht zuliebe weniger Kohlenhydrate essen – gute Idee! Mit diesem Buch reduzieren Sie in vier Schritten die Kohlenhydrate auf ein gesundes Maß.
Aber wie anfangen? Was können Sie jetzt noch essen, können Sie sich jetzt überhaupt noch ausgewogen ernähren und wie schaffen Sie die Umstellung? Sie können einem der vielen Konzepte folgen, die es in Hülle und Fülle gibt. Im Grunde geht es aber sogar noch einfacher, lowcarb zu essen, mit dem Ziel, gesünder zu leben und Ihr Wohlfühlgewicht zu halten oder zu erreichen.
DARF’S ETWAS WENIGER SEIN?
Sie brauchen weder eine extreme Ernährungsumstellung, noch müssen Sie sich schmerzlich einschränken. Es geht nur darum, in Zukunft weniger Kohlenhydrate zu essen und dies langfristig beizubehalten. Das ist es, wobei Sie dieses Buch unterstützen will. Hier werden Sie mithilfe eines vierstufigen Systems Ihre Ernährungsweise dauerhaft auf eine moderate Low-Carb-Ernährung umstellen und sich dabei ausgewogen und gesund ernähren.
Wie bei vielen Techniken, die Sie neu erlernen wollen, gehen Sie schrittweise vor. Zuerst beschäftigen Sie sich mit der Theorie. Das ist die Orientierungsphase. In dieser Phase, die etwa eine Woche dauert, machen Sie eine Bestandsaufnahme Ihrer Küche, dann Ihres Speiseplans und Essverhaltens.
In der nächsten Phase erproben Sie das theoretisch Erlernte: Sie essen etwa eine Woche lang mindestens einmal täglich Low Carb.
In Phase drei wird aus der Erprobungsphase eine Lernphase, jetzt leben Sie ein bis drei Wochen von morgens bis abends Low Carb nach Plan.
Nach diesen drei Schritten sind Sie schon fast ein »alter Hase«. Jetzt leben Sie Low Carb freestyle, freihändig und ohne Stützräder, denn nun wissen Sie, wie es geht.
KOHLENHYDRATE KENNENLERNEN UND AUFSPÜREN
Zu Beginn Ihrer Zukunft mit weniger Kohlenhydraten gehen Sie auf Low-Carb-Entdeckertour. Erkunden Sie, wo sich in Ihrer Küche die meisten Kohlenhydrate verstecken. Weil Kohlenhydrate in unserer aller üblichen Ernährungsweise so selbstverständlich sind, müssen Sie Ihren Blick vermutlich erst einmal dafür schärfen, um sie überhaupt ausfindig zu machen. Aber dann werden Sie sich vielleicht wundern, wie viel Kohlenhydrate Sie von morgens bis abends eigentlich so verputzen.
Das tägliche Kohlenhydratkarussell
Ihren Tag beginnen Sie vielleicht mit einem gesunden Müsli mit frischen oder getrockneten Früchten. Wenn es schnell gehen muss, kann auch ein Obst-Smoothie aushelfen. Oder sind Sie eher der Brot- und Brötchentyp? Morgens natürlich gerne mit Marmelade oder Honig. Mittags schaufeln Sie sich dann in der Kantine ordentlich Nudeln, Reis, Pommes, Kartoffelsalat oder -püree auf den Teller, oder Sie beißen beherzt in die mitgebrachten Stullen. Abends schmeckt Ihnen ein deftiges Abendbrot mit Brot und Brötchen am besten – oder es gibt erst jetzt das warme Essen, auf das Sie am Mittag verzichten mussten. Weil wenig Zeit zum Kochen ist, stehen dann sicher häufiger mal Nudeln oder Pizza auf dem Tisch. Und wenn zwischendurch der kleine Hunger kommt, dann bieten Schokoriegel, süße Teilchen oder ein belegtes Brötchen vom Bäcker ihre schnelle Hilfe an. Ihren Durst löschen Sie selbstverständlich mit Fruchtsaftgetränken, Limonade, Cola, Energy-Drinks oder Kaffee mit Milch und Zucker. Und das abendliche Couchgelage vor der Glotze geht nicht ohne Wein oder Bier mit Chips, Salzgebäck, Cracker oder Grissini, zur Not können natürlich aber auch eine Tafel Schokolade, diese unwiderstehlichen Weingummis oder ein paar klitzekleine Schokoladenkekse herhalten …
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