Rumänien: Die Vorschau
Landschaft
Berge, Meer, Delta: Die Landschaft in Rumänien hat von allem etwas. Dank der relativ dünnen Besiedlung blickt man über unendliche Weiten - kein Haus, keine Siedlung, keine Menschen. Auf grünen Wiesen stehen Tausende und Abertausende duftender Heuschober, Schafe ziehen über sanft gewellte Hügel, Störche flattern von ihren Nestern auf - kleine Akzente, die die rumänische Landschaft so unverwechselbar machen. Die Karpaten in Zentralrumänien sind bedeckt von dichten Wäldern und durchlöchert von unzähligen Höhlen; grüne Berge, schroffe Felsen, schimmernde Gletscherseen wechseln sich ab. Bergstraßen wie die Transfăgărășan, die sich bis auf 2042 m Höhe durch die Karpaten schlängelt, sind für Motorradfahrer ein Vergnügen. Die Donau hat sich im Südwesten des Landes ein besonderes Naturschauspiel einfallen lassen: den spektakulären Donaudurchbruch, den die Rumänen cazane nennen. Zur Hochform läuft die Donau aber erst im Südosten auf, wo sie in einem Delta von erhabener Schönheit zerfließt. Kein Wunder, dass dieser schützenswerte Naturraum mit seinen großen, beeindruckenden Pelikankolonien zum UNESCO-Weltnaturerbe gehört. Die Schwarzmeerküste dagegen wird von den tiefgrauen Beton-Hinterlassenschaften aus den 1970er-Jahren verschandelt - und ist aus diesem architektonischen Albtraum immer noch nicht erwacht.
Kunst und Architektur
So mancher Kunstschatz in Rumänien leuchtet im Verborgenen: die zierlichen Klosterkirchen in der Bucovina mit ihren spektakulären Außenfresken, deren schwindelerregender Detailreichtum Himmel und Hölle fantasievoll heraufbeschwört; die Kirchenburgen in Siebenbürgen, deren Wohnwaben in den Verteidigungsmauern den Menschen Schutz boten, wenn der Feind im Anmarsch war; die winzigen Holzkirchen der Maramureș mit ihren schlanken, hohen Türmen und ausgemalten Innenräumen voller Ikonen und Wandtücher. All diese Schönheiten zählen zum UNESCO-Weltkulturerbe, liegen gut zwei Flugstunden von Deutschland entfernt - und sind im Westen weitgehend unbekannt.
Auch die Architektur der Dörfer ist sehenswert: die reich geschnitzten, riesigen Holztore der Maramureș, die bunten, verzierten Dorfhäuser der Bucovina, die pastellfarbenen Häuser mit Stuck und Jahreszahl im Giebel in den einstigen Dörfern der Siebenbürger Sachsen.
Bei den Städten ist das Bild zweigeteilt. Es gibt die charmanten, gepflegten Altstädte in Siebenbürgen, allen voran Sibiu (Hermannstadt) und Brașov (Kronstadt), mit ihren weiten Marktplätzen, gesäumt von bunten Bürgerhäusern mit herrlichen restaurierten Fassaden: Barock, Klassizismus, Jugendstil. Wie auch in Cluj (Klausenburg) und Timișoara (Temeswar, Banat) sind in diesen Städten die Einflüsse der Habsburgermonarchie ganz klar an der Architektur ablesbar. „Klein-Wien“ heißt ein Platz in Timișoara - zu Recht. Das Mittelalter-Ensemble von Sighișoara (Schäßburg) gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Auf der anderen Seite gibt es die Städte, in denen die zerfressenen Fassaden uniformer Wohnsilos bis heute an die Fratze der Diktatur erinnern. Das „Goldene Zeitalter“ (Epoca de Aur), so die einst von Ceaușescu verordnete und heute ironische Bezeichnung für jene Zeit, überzog viele Städte mit einem Grauschleier. Eine Besonderheit ist der Brâncoveanu-Baustil - eine genuin rumänische Architektur, in der Orient und Okzident verschmolzen sind. Schöne Beispiele dafür sieht man unter anderem in Bukarest.
Auch Spuren der römischen Epoche, auf die die Rumänen sehr stolz sind, sind erhalten: z. B. im Archäologischen Museum der Hafenstadt Constanța, im Museum des römischen Triumphdenkmals Tropaeum Traiani (Dobrudscha) oder auf dem Ruinenfeld von Ulpia Traiana (Siebenbürgen).
Küche
Die osmanische Herrschaft, die Zugehörigkeit zu Österreich-Ungarn, die slawische Nachbarschaft - all das fließt in die rumänische Küche ein. Es gibt Polenta, Moussaka und Cevapcici, Gulasch, Strudel, Baklava und Doboschtorte. Aus den Wäldern kommen Bär (!), Hirsch, Reh und Wildschwein auf den Tisch, aus den Flüssen Fisch in allen Variationen. Eine raffinierte Küche ist es nicht, und die Ausflüge ins gehobene Fach glücken nicht immer. Doch es ist eine bodenständige Kost, die bei guter Zubereitung ihre Frische und Aromen entfaltet: Auberginenpaste mit Tomaten, Gemüseaufstrich aufs Brot, bekömmliche Gemüsesuppe - solche Einsprengsel in der ansonsten recht fleischlastigen Küche dürften auch Vegetarier versöhnen.
Sightseeing
Besichtigen in Rumänien unterscheidet sich mancherorts vom Besichtigen in Österreich, Italien oder Spanien - und zwar auf charmante Art. Natürlich haben Museen und größere Sehenswürdigkeiten reguläre Öffnungszeiten. Doch will man z. B. eine dörfliche Holzkirche in der Maramureș, immerhin UNESCO-Weltkulturerbe, oder eine abgelegene Kirchenburg in Siebenbürgen besichtigen, sollte man nicht mit festen Öffnungszeiten rechnen. Vielleicht ist offen, vielleicht auch nicht. Wenn nicht, hängt ein Zettel an der Tür: Mal muss man sich zum Pfarrer durchfragen, mal zu einem Menschen in der Nachbarschaft, der den Schlüssel hat und gerne öffnet. Das wird Perfektionisten vielleicht verwirren, führt aber zu unerwarteten Begegnungen und freundlichen Gesprächen. Um die Suche zu erleichtern, sind in diesem Handbuch natürlich die Ansprechpartner genannt.
Die Highlights
Die „vollständigste“ Reiseregion ist sicher Siebenbürgen: schöne Städte, schöne Berge, viel zu sehen, viel zu erwandern, viel deutsches Erbe. Die Bucovina ist die vielleicht ansprechendste unter den rumänisch geprägten Regionen: traumhafte kleine Klöster, zauberhafte Hügellandschaft, malerische Dörfer, viel Brauchtum. Die Maramureș ist die rustikalere, ebenfalls sehr lohnende Variante. Die sehenswerte Hauptstadt Bukarest präsentiert sich als kontrastreiche, anregende Achterbahn der Gefühle. Und das Donaudelta ist ein Muss für Naturliebhaber. Die Walachei (das Prahova-Tal ausgenommen) und die Schwarzmeerküste dagegen eigenen sich weniger als „Einsteigermodell“ für die, die noch nie in Rumänien waren. Es gibt zwar viele und gute Unterkünfte, aber der Romantikfaktor in Städten und Dörfern hält sich in diesen sichtbar armen Regionen in Grenzen. Umso frappierender sind dann aber Überraschungen wie die wunderschönen weißen Klöster, die kleinen, verborgenen Museen oder Naturwunder wie das Kleine Donaudelta von Brăila.
Wandern
Ein Volkssport ist Wandern nicht - Rumänen sehen die Berge eher als hübsche Landschaftstapete für Wochenendausflüge, bei denen man sich gemütlich mit Freunden und Familie zum Grillen niederlässt (und bis zum Grillplatz natürlich im Auto vorfährt). Wanderfreunde haben zwar ihren Exotenstatus verloren, sind aber immer noch eine recht seltene Art.
Touristen finden dennoch durchaus Wanderwege und Klettermöglichkeiten in allen Schwierigkeitsgraden, allerdings hält man sich mit der dazugehörigen Infrastruktur vor Ort zurück. Wanderwege sind oft nicht gut markiert, Zugänge zu den vielen wunderschönen Nationalparks nicht oder schlecht ausgeschildert. Doch es gibt örtliche Bergführer und kleine Veranstalter, die das Manko ausgleichen. Auch die Nationalparkverwaltungen und die Bergrettungsstellen „Salvamont“ bieten Kartenmaterial, Informationen und Ranger, die Gäste begleiten. Die jeweiligen Adressen sind in diesem Reiseführer genannt.
Kinder
Guten Gewissens kann man Rumänien für Urlaub mit Kindern empfehlen. Mega-Ferienanlagen mit Dauer-Kinderbespaßung sucht man vergeblich. Doch wenn man sich für die leise, sanfte Form des ländlichen Tourismus entscheidet, wird man eine Menge Schönes entdecken: Kleine Veranstalter und Pensionen bieten Ausflüge im Pferdefuhrwerk, zu Imkern, Töpfern oder zu einem alten Schmied. Dorfunterkünfte müssen nicht erst einen Streichelzoo anlegen, weil die Betreiber sowieso Kälber, Hunde, Ferkel etc. halten. Das gilt vor allem für Siebenbürgen, die Maramureș und die Bucovina.
In mehreren Salzbergwerken gibt es Kinderspielplätze, Tischtennisplatten, Seen mit Bootsverleih - ein ungewöhnliches unterirdisches Abenteuer für die ganze Familie. In der Saline von Turda dreht sich sogar ein Riesenrad! Bekannt ist auch die Mine von Praid (beide in Siebenbürgen).
Auch einige Höhlen, gut ausgeleuchtet und leicht begehbar, dürften Kindern Spaß machen: In der schönen Bärenhöhle (Peștera Urșilor, Crișana) sieht man das vollständig erhaltene Skelett eines Höhlenbären.
Bären
Die Chance oder Gefahr, je nach Sichtweise, einem Braunbären in freier Wildbahn zu begegnen, ist sehr klein, aber vorhanden. Da durch die rumänischen Karpaten Tausende Bären streifen, können die Rumänen über die westliche Braunbär-Bruno-Hysterie nur lachen. Auch dass Meister Petz mal ein Schaf reißt, ist normal und keine große Aufregung wert. Und dass sich die Tiere auch mal gegen übermütige Touristen zur Wehr setzen, die ihnen samt Fotoapparat auf den Pelz rücken, kann man ihnen auch nicht verdenken.
Es gibt einige kleine Veranstalter, die professionelle - und sichere - Bärenbeobachtungstouren anbieten. Eine weitere Möglichkeit, Karpatenbären zu Gesicht zu bekommen, ist das Bärenreservat in Siebenbürgen (bei Zărnești). Zig „ausgediente“ Zirkus-, Zoo- und Tanzbären verbringen auf dem abgeschiedenen Waldareal ihren wohlverdienten Ruhestand. Ja sogar auf dem Teller lässt sich Bär genießen - vor allem in Restaurants in Poiana Brașov und Bukarest.
Dracula
Es ist paradox: Sobald man im Ausland von Rumänien spricht, fällt mit ziemlicher Sicherheit das Stichwort „Dracula“. In Rumänien selbst...