In fernöstlichen Traditionen werden seit Jahrtausenden die komplexen Zusammenhänge und energetischen Aspekte der Schöpfung symbolisch mit den Begriffen „Yang“ (männlich) und „Yin“ (weiblich) beschrieben. Damit sind dort nicht allein menschliche Qualitäten gemeint, sondern es ist ein Bild für die perfekte Balance der Kräfte, die den Kosmos ausmachen:
Das männliche Prinzip der Schöpfung repräsentiert Bewusstsein, Wissen, Klugheit und kreative Initiative.
Das weibliche Prinzip der Schöpfung repräsentiert die kreative Kraft, das alles auf allen Ebenen mit Leben zu füllen, was durch das männliche Prinzip an Wissen und Verständnis initiiert wurde. Klingt das noch ein bisschen abstrakt? Es ist auf jeden Fall ein faszinierendes Denkmodell, das die moderne Wissenschaft mehr und mehr bestätigt.
Als Menschen sind wir Geschöpfe dieses Universums, und so fließen und wirken die energetischen Aspekte männlich/ weiblich in jedem Individuum. Wir können uns als Übende betrachten, die unbewusst im Leben die perfekte Balance dieser Energie für sich anstreben. Als im Ursprung geistige Wesen sind wir durch unser Bewusstsein mit dem Kosmos in ständiger Verbindung und in ständigem wechselseitigen Austausch. Im Grunde haben wir Zugang zu allen seinen Informationen. Je mehr wir diese Dimension unseres Daseins bewusst in jedem Augenblick sehen können, desto mehr sind wir in der Lage, aus authentischer Präsenz heraus die Herausforderungen des täglichen menschlichen Miteinanders gelassener zu leben.
Wir können immer versuchen, in jeder Situation das „bigger and vaster picture“ zu suchen. Alles aus höherer Perspektive neutral beobachtend wahrzunehmen. Der Verstand erfährt dabei mehr Zufriedenheit und das Herz kommt in innerem Frieden zur Ruhe. In solch einem Zustand von Gelassenheit und Frieden öffnet sich eine Tür, um aus der Kraft des höheren Selbst zu handeln.
Abgesehen von dieser spirituellen Sicht ist natürlich so ein Zustand für Körper und Geist sehr beruhigend, Energie spendend und friedvoll.
Geboren werden – sterben, Tag – Nacht, Mangel – Überfluss, jung – alt, allein – gemeinsam, weiblich – männlich, Yin – Yang, positiv – negativ, hell – dunkel, Sonne – Mond, Freude – Trauer, Vertrauen – Angst, Ruhe – Bewegung, Frieden – Streit, Anziehung – Abstoßung, Sympathie – Aversion, um nur einige wenige Beispiele zu nennen, lassen uns jederzeit unmissverständlich fühlen und erfahren, dass sich das Leben auf der Erde im Rhythmus zwischen zwei Polen abspielt. Alles Materielle hat zwei Seiten, die Dualität ist ein Naturgesetz. Selbst wenn scheinbar nur eine Seite wahrnehmbar ist, existiert immer die „Gegenkraft“ oder der komplementäre Aspekt dazu.
Sogar in der Verwirklichung von Herzenswünschen durchkreuzen manchmal unbewusst innere „Gegenspieler“ den geradlinigen Weg zum Ziel. Oft zeigen sich solche inneren Blockaden in äußeren Widrigkeiten, „Komplikationen“, die die Umsetzung sabotieren können. Unser Verstand ist unablässig beschäftigt mit Gedanken – positiven wie negativen. Diese allzeit aktive plappernde Gedankenebene schwächt und boykottiert oft den geraden Weg zum Ziel, welches das klare Bewusstsein sich gesetzt hatte.
Erforsche in dir ehrlich, ob es sein kann, dass unbewusste Wiederholung von zweifelnden Gedanken die Umsetzung deines Herzenswunsches schwächt.
Ist deine Absicht, deine Vorstellung deines Vorhabens hundertprozentig klar fokussiert?
Der Weg zum ersehnten Ziel wird frei, sobald du die Gegenkraft im Innen und im Außen erkennst, auflöst und liebevoll loslässt.
Alle Phänomene des Lebens auf dem Planeten Erde wollen als Ganzes erfahren, wahrgenommen und anerkannt werden. Alles gehört dazu – das Positive wie das Negative. Und alles und jedes/jeder ist auf seine einzigartige Weise etwas Besonderes und in seiner Essenz okay!
Erlauben wir uns, diesen Gedanken mit Leben zu füllen? Ihn liebevoll anzunehmen? Uns selbst anzunehmen? So, wie wir gerade jetzt sind?
In meinem beruflichen Alltag als Gynäkologin stehe ich natürlich zum überwiegenden Teil mit Frauen in Kontakt. Gerade Frauen fühlen sich häufig durch die multiplen Anforderungen in Beziehungen, Beruf und Familie unter hohem Leistungsdruck stehend. Ist es nicht das kulturelle Verständnis von Perfekt-sein-Wollen, Leistung-Zeigen und Selbstwertgefühl-Stärken, was sie weiter in diesem Kreislauf funktionieren lässt? Noch regiert die männliche Energie (Yang) die Glaubenssätze und Handlungsweisen der heutigen westlichen Welt.
Im Grunde strebt die Natur an, sich in Harmonie und Vollkommenheit zu entfalten. Alle Kräfte und Energien des Lebens auf der Erde möchten immer wieder ins Gleichgewicht gelangen, und deshalb ist es auch für jeden Menschen wichtig, neben dem männlichen Yang ebenso den weiblichen Energieaspekt Yin in sich lebendig sein oder werden zu lassen.
Bei aller sogenannten Emanzipation und Aufklärung sind ganz besonders Frauen in der Tradition der westlichen Gesellschaft bereit (meist unbewusst oder gegen besseres Wissen), sich anzupassen und „selbstlos“ zu reagieren. Selbstlos – das Wort benutzt die Gesellschaft in der Hauptsache in der Bedeutung von „nicht egoistisch sein“. Altruistisch zu handeln, uneigennützig zum Wohl anderer, schätzen wir noch sehr im Sinne des sozialen Miteinanders. Lässt man das Wort „selbst-los“ tief im Inneren nachklingen, taucht der Gedanke auf, dass es überdies den Aspekt eines Verlustes beschreibt: Frauen (und auch Männer) haben sich von ihrem wahren Selbst distanziert, haben den Kontakt zur eigenen Mitte verloren.
Die hier aufgenommenen Themen stammen aus der Vielfalt der Lebensschicksale, in die ich Einsicht nehmen durfte und darf. Aus den Praxisgesprächen mit meinen Patientinnen schien das Buch sich ursprünglich an die Zielgruppe „Frau“ richten zu wollen. Auch wenn es scheinbar aus der Perspektive der Frau aufgerollt ist, möchte ich selbstverständlich auch alle interessierten männlichen Leser ansprechen! In Unterhaltungen mit Männern ist mir aufgefallen, dass es Frauen und Männer gleichermaßen betrifft, in Glaubenssätzen gefangen zu sein.
Es entwickelt sich für viele ein Bedürfnis, sich selbst liebevoll wertschätzend etwas zu erlauben, was den programmierten Verhaltensmustern des bisherigen Lebens widerspricht.
An anderer Stelle dieses Buches gehe ich näher darauf ein, wie das Weibliche und das Männliche in jedem Menschen wirken und dass somit jede Frau und jeder Mann mithilfe der Inspirationen in diesem Buch ihre/seine weiblich-männlichen Energieaspekte erforschen kann.
In den letzten Jahren sehe ich gleichzeitig, dass viele Frauen jetzt zunehmend Eigenverantwortung übernehmen und sich in jeder neuen Situation selbst Entscheidungen über ihr Tun erlauben möchten.
Was bedeutet es für dich, Eigenverantwortung zu übernehmen? Fühlst du dich freier, eigenverantwortlich zu handeln? Oder steigt Angst in dir hoch?
Erkennst du die Chance, aus deinen oft unbewusst oder bewusst akzeptierten Gewohnheiten aussteigen zu können? Die sogenannte Opferrolle abzulegen und in die eigene innere Kraft zu gelangen?
Selbst wenn schon bewusst begonnen wird, den Weg in die eigene Kraft zu gehen, durchkreuzen die alten, im „System Mensch“ wie Engramme (fest im Nervensystem gespeichert) verankerten Denk- und Verhaltensmuster noch oft genug diese Entwicklung. Auch die „Rückfälle“ darf Frau/ Mann sich erlauben – der Weg ist das Ziel und jeder Augenblick ist wichtig und richtig.
Allen modernen Bestrebungen nach sogenannter Emanzipation zum Trotz verharrt eine überraschend große Anzahl von Menschen weiterhin für lange Zeit in Lebenssituationen (in Beziehungen, Berufen usw.), die weder ihren wirklichen Weg unterstützen noch ihrem wirklichen Weg entsprechen. Auch dies kann oft zu Krankheit führen.
Krankheit ist meist mit Leid, Schmerz und Nicht-haben-Wollen verbunden. Krankheiten geben Menschen aber auch Raum, sich zu erlauben, von nun an ihre bisher scheinbar „negativen“ oder unerwünschten Eigenschaften zu (er)leben und damit alle Seiten ihres Wesens zu akzeptieren oder für alle (und noch wichtiger für sich selbst) sichtbar zu machen. Es sind beispielsweise solche Wesensaspekte: schwach, leise, zurückgezogen, passiv, leidend, kreativ, sensibel und fühlend zu sein.
Mit dem Durchleben einer leidvollen, unangenehmen Situation und dem tiefen, ehrlichen Zulassen aller aufkommenden Gefühle kann dein Heilungsprozess beginnen. Dir deine Wut, deine Angst, deine Trauer, deinen Schmerz, deine Müdigkeit, deine Freude, deine Kreativität, dein ganzes So-Sein zu erlauben und alles, so, wie es gerade ist, anzunehmen, das lässt mit...