Aus einer mach viele: Tabletten teilen ist trendy
Mit der Schere zerschnitten, mit dem Messer malträtiert? Zwischen zwei Löffeln gequetscht oder gar angeknabbert? Wann und wie haben Sie das letzte Mal eine Tablette geteilt? Und warum eigentlich? Sollten oder wollten Sie vielleicht nur die halbe Dosis nehmen oder hatten Sie Probleme mit dem Schlucken? Hand aufs Herz: Wie haben Sie es angestellt?
Jede vierte Tablette wird in Deutschland nicht als ganze geschluckt – eine problematische Angelegenheit.
Für das Teilen von Tabletten kann es durchaus gute Gründe geben. Medikamente sind nicht in jeder beliebigen Stärke verfügbar. Für Kinder oder auch Senioren können Wirkstoffe durch Teilen auf eine individuelle Dosis gebracht werden. Oder es gilt, ein Medikament ein- oder auszuschleichen. Das ist beispielsweise bei Wirkstoffen sehr wichtig, die man nicht – ohne starke Nebenwirkungen hervorzurufen – von jetzt auf gleich absetzen kann. In diesem Fall ist das Teilen von Tabletten also eine sinnvolle und wichtige Sache. Und manchmal flutscht es zerkleinert einfach besser.
Der weitaus häufigste Grund ist aber das liebe Geld! Wie kann das sein? Eine Tablette mit doppeltem Wirkstoffgehalt ist nicht automatisch doppelt so teuer. So kostet (zum Zeitpunkt, als ich dieses Kapitel schreibe) etwa eine Tablette des sehr häufig verordneten Cholesterinsenkers Simvastatin in der Stärke 20 mg 0,18 Euro, während die doppelte Dosis – also 40 mg – nur 0,23 Euro kostet. Doppelte Dosis ist also nicht doppelter Preis! Es wird günstiger, wenn die höhere Dosis einfach geteilt wird. Der Arzt schont auf diese Weise sein Arzneimittelbudget, und auch für den Patienten wird es oft billiger, denn bei doppelter Stärke hält die Packung doppelt so lange. Es wird also nur einmal die gesetzliche Zuzahlung fällig.
Bruchrechnen geht nicht immer auf!
Der Teufel steckt wie immer im Detail. Nicht alles, was sich irgendwie teilen oder zerkleinern lässt, verzeiht einem die rohe Gewalt. Also Stück für Stück ein Risiko? »Da gibt es doch bestimmt irgendwelche Studien«, werden Sie jetzt sagen. Professor Haefeli aus Heidelberg kennen Sie ja bereits von seinen praktischen Tipps zum leichteren Tablettenschlucken.
Er hat 905 Patienten befragt, die insgesamt 3158 (!) unterschiedliche Arzneimittel einnahmen. Ein Viertel der Tabletten wurde geteilt. Meist auf Anweisung des verordnenden Arztes und mit nur wenig Rücksicht auf Verluste: Knappe neun Prozent der geteilten Pillen hatten nämlich gar keine Bruchrille und waren daher auch nicht für das Teilen vorgesehen. Etwa vier Prozent hätten unter keinen Umständen geteilt werden dürfen.
Weder für den Arzt noch für den Patienten war immer erkennbar, ob das Teilen erlaubt war, denn nur in einem Drittel der Packungsbeilagen machte der jeweilige Hersteller Angaben zur Teilbarkeit. Manche Hersteller verpassen ihren Tabletten sogar eine sogenannte Schmuckkerbe. Solche Kerben sollen eigentlich nur der besseren Unterscheidung von ähnlich geformten Tabletten dienen, tatsächlich tragen sie aber zur allgemeinen Verwirrung bei. Für den Patienten sieht die Kerbe natürlich wie eine Bruchrille aus, was vollkommen nachvollziehbar ist. Also, liebe Hersteller: Weg mit Schmuckkerben! Malt halt Blümchen drauf. Punkte wären gerade auch in Mode.
83 Prozent der Patienten waren übrigens der Meinung, es stünde im Beipackzettel, wenn das Teilen der Tablette nicht erlaubt ist. Das mit dem Beipackzettel ist aber so eine Sache. Natürlich gibt es Vorschriften, die die Gestaltung einer Packungsbeilage regeln. Diese stehen im Arzneimittelgesetz. Und genau so lesen sie sich auch: Amtsdeutsch. Patientenfreundlich geht anders. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat im April 2015 Empfehlungen herausgegeben, mit deren Hilfe die Verständlichkeit solcher »Waschzettel« verbessert werden soll. Unter anderem fordert das BfArM »Angaben mit möglichst konkreten Handlungsanweisungen«. Ich verstehe das schon so, dass Angaben zur Teilbarkeit unter diesem Punkt gut aufgehoben wären. Nur leider gibt es keine Verpflichtung, und deswegen wird es kaum gemacht.
Warum sind nicht alle Tabletten teilbar?
Manche Tabletten sind aus gutem Grund mit einem magensaftresistenten Überzug versehen, der sich erst nach der Passage durch den Magen auflösen soll. Der darf nicht durch Teilen zerstört werden. Andere Medikamente sind so hergestellt, dass der Wirkstoff nicht auf einmal, sondern langsam und gleichmäßig ins Blut gelangt. Für Sie hat das den Vorteil, dass Sie das betreffende Medikament statt dreimal täglich vielleicht nur einmal täglich einnehmen müssen. Dafür ist in einer einzelnen Tablette natürlich auch das Dreifache an Wirkstoff enthalten. Wenn Sie diese Tablette nun mutwillig zerstören, hat das eine sofortige Freigabe der gesamten Tagesdosis zur Folge. Gerade im Fall von Arzneimitteln gegen hohen Blutdruck hat das böse Folgen, denn der rauscht dann nämlich ins unterste Kellergeschoss! Bei einigen Arzneimitteln können durch das Zerstören der Hülle oder sonstiger Strukturen deshalb wirklich schwerste Nebenwirkungen auftreten. Oder sie werden komplett wirkungslos, was auch ungünstig ist.
Außerdem können Schwierigkeiten auftreten, an die man vielleicht nicht sofort denkt: Wer sowieso schon mit Würgereiz beim Schlucken der Tabletten zu kämpfen hat, tut sich mit dem Teilen keinen Gefallen. Das gute Stück hat dann oft sehr raue Bruchkanten und rutscht deswegen deutlich schlechter. Und für alle, die Tabletten nur zu Pulver gemörsert runterbringen: Teilbare Tabletten sind nicht zwingend auch mörserbar! Bitte fragen Sie im Zweifelsfall in Ihrer Apotheke nach!
Mitarbeiter in Pflegeberufen werden noch vor ganz andere Herausforderungen gestellt. Manche Wirkstoffe – Arzneimittel gegen Krebserkrankungen gehören etwa dazu – sind sogenannte CMR-Substanzen. Die Abkürzung steht für Canzerogen (krebserzeugend), Mutagen (erbgutverändernd) und Reproduktionstoxisch (fortpflanzungsgefährdend). Beim Teilen von Tabletten entstehen feine Stäube, die mit dem Auge nicht erkennbar sind. Eingeatmet werden sie trotzdem. Daher sollten CMR-Substanzen nicht geteilt oder sonst irgendwie zerkleinert werden.
How to: Tabletten teilen wie ein Profi
Teilen Sie Ihre Tabletten nur, wenn es laut Beipackzettel ausdrücklich erlaubt ist. Ansonsten fragen Sie bitte in Ihrer Apotheke nach.
Teilen Sie NIEMALS:
- Kapseln
- Dragees
- sogenannte »Transdermale Therapeutische Systeme« TTS (dazu gehören zum Beispiel stark wirksame Schmerzpflaster, die Sie nicht zerschneiden dürfen!)
Für die Sparfüchse: Hat eine Tablette nur eine Bruchrille, dann halbieren Sie sie bitte lediglich. Vierteln ergibt oft Brösel. Professor Klaus Langer von der Universität in Münster hat das mit seinen Studierenden ausprobiert und kommt zu dem Schluss, dass die Dosis in diesem Fall eher zur Glückssache wird.
Bei intakter Fingerfertigkeit können Sie die Tabletten meistens ohne Hilfsmittel nur mit den Fingern teilen. Jede Tablettenform hat dabei ihre bevorzugte Technik:
Drücken Sie schnell und kräftig! Wenn Sie zu langsam und zögerlich drücken, brauchen Sie mehr Kraft. Außerdem bricht die Tablette dann eher ungleichmäßig auseinander, und das beeinträchtigt die Genauigkeit der Dosierung.
Manchmal sind die kleinen runden Dinger ziemlich stur und wehren sich gegen das Teilen. Außerdem hat jeder sechste Patient Probleme mit der Fingerfertigkeit. In diesen Fällen gibt es Hilfsmittel, die den Prozess erleichtern.
Kraftverstärker: Lassen sich die Tabletten grundsätzlich durch Druck mit einem Finger teilen, können Sie die Kraft durch einen gut fassbaren Gegenstand mit flachem Ende verstärken. Das kann zum Beispiel ein leeres Brausetablettenröhrchen sein. Nachteil: Bei zu großer Krafteinwirkung wird es bröselig!
Küchenmesser: Das Zentrallabor Deutscher Apotheker hat unterschiedliche Methoden zum Teilen von Tabletten untersucht und festgestellt: Ein simples Küchenmesser kann die meisten Tablettenarten ziemlich präzise teilen! Voraussetzung ist, dass die Klinge des Messers nicht zu spitz zuläuft und Sie eine weiche Unterlage benutzen. Dann klappt das normalerweise gut.
Tablettenteiler: das beste Hilfsmittel. Es gibt ihn in den unterschiedlichsten Ausführungen. Im Test schnitt am besten der Tablettenteiler mit dem sinnigen Namen »Exakt« ab.
Ihre Apotheke: Sollten Sie mit dem Teilen gar nicht zurechtkommen, fragen Sie doch in Ihrer Apotheke nach! Dort hat man in der Regel viele praktische Ideen und kann individuell auf Sie eingehen.
Wohin mit dem übrig gebliebenen Bruchstück?
Die Sache ist die: Manche Wirkstoffe mögen weder Tageslicht noch Luftfeuchtigkeit. Eine geteilte Tablette hat aber – mindestens – zwei »offene« Bruchseiten. Ist der Wirkstoff in der Tablette empfindlich gegenüber Tageslicht oder Luftfeuchtigkeit, wird ein Teil des Wirkstoffs in der Zeit bis zur nächsten Einnahme abgebaut. Wenn das Bruchstück noch längere Zeit offen herumliegt (weil Sie beispielsweise nur eine halbe Schmerztablette brauchen und der Zeitraum bis zur nächsten Kopfschmerzattacke glücklicherweise einige Tage bis Wochen lang ist), verringert sich der Wirkstoffgehalt noch weiter. Und selbst wenn Sie die Tablettenhälfte wieder in den Blister zurückdrücken, bringt das...