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Mein Lebenshaus hat viele Räume

Die eigene Biographie verstehen und dem inneren Ruf folgen

AutorSusanne Hofmeister
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783641227906
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Wie man sich in seinem Leben zurechtfindet
Das Leben ist wie ein Haus mit vielen Zimmern, die ein Mensch nacheinander bewohnt. Jedes Zimmer steht gemäß der Anthroposophie für ein Jahrsiebt und beinhaltet u.a. bestimmte Aufgaben und Ressourcen. Jedes Leben ist somit denselben Gesetzmäßigkeiten unterworfen, neben all den individuellen Ausprägungen. Das Lebenshaus vermittelt ein Gefühl für wichtige allgemeine Lebensthemen. Dadurch hören wir den speziellen inneren Auftrag dadurch deutlicher. Das Älterwerden kann als wunderbare Möglichkeit des seelisch-geistigen Wachstums gesehen werden. Besonderen Raum nimmt im Buch daher die Zeit nach dem 63. Lebensjahr ein mit Antworten darauf, wie diese Zeit wertvoll genutzt werden kann.

Dr. med. Susanne Hofmeister, geboren 1962, ist Ärztin mit dem Schwerpunkt Anthroposophische Medizin, seit 2009 in eigener Privatpraxis tätig mit Biographiearbeit, Coaching, Lebensberatung und PEP. Sie ist gefragte Vortragsrednerin und Seminarleiterin zur Biographiearbeit und bildet darin aus. Sie ist Mutter von vier Söhnen und lebt in Heidelberg.

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Leseprobe

Einführung in die Biographiearbeit


Vielleicht stecken Sie in einer Krise fest, vielleicht steht eine wichtige Lebensentscheidung an oder Sie fragen sich am Ende Ihrer Berufstätigkeit nach dem Sinn, dem »roten Faden« in Ihrem Leben – Sie haben jedenfalls dieses Buch in die Hand genommen. Da unser Leben in der Zeit verläuft, droht es uns in der Betrachtung immer wieder aus den Fingern zu gleiten. In der begleitenden Arbeit mit meinen Klienten als ganzheitliche Ärztin und Biographischer Coach hat sich das Lebenshaus mit seinen Räumen als ein hilfreiches Sinnbild zum Verstehen tieferer Zusammenhänge im eigenen Leben gezeigt.

Biographiearbeit ist eine Methode, die das Leben in seinem zeitlichen Verlauf betrachtet. In der Art, wie ich sie anwende, werden die einzelnen Lebensabschnitte als Jahrsiebte betrachtet und in ihrer Aufgabe für das Leben beschrieben. Wir schauen zunächst auf unsere Vergangenheit. Schon wenn Sie meine Beschreibungen zu den einzelnen Jahrsiebten in diesem Buch lesen, beginnt die innere Bewegung: Wo erkennen Sie sich wieder, was verstehen Sie neu, wo war es bei Ihnen ganz anders? Sie erkennen Gesetzmäßigkeiten in Ihrem Leben. Sie ahnen, dass alles so sein musste, wie es gekommen ist. Schon das Entdecken einer tieferen Ordnung kann zu einem Gefühl der inneren Sinnhaftigkeit und des vertrauensvollen Getragenseins führen.

Dann wenden Sie den Blick in die Zukunft. Mit der inneren Frage »Bin ich mir auf der Spur?« kann Sie die Beschreibung der Jahrsiebte, die vor Ihnen liegen, in der Überlegung anregen, wie Sie sich auf Ihre unbekannte Zukunft vorbereiten können. Manchmal braucht es nur kleine Veränderungen unserer Lebensumgebung, damit unsere Stärken ganz zum Vorschein kommen können. Biographiearbeit kann Sie dabei unterstützen, sich in Ihren gegebenen Grenzen so zu verwandeln, dass sich Ihre bekannte Vergangenheit und Ihre unbekannte Zukunft in lebendiger Gegenwart treffen.

Vom Ursprung der Biographiearbeit


Die anthroposophische Biographiearbeit hat ihre Wurzeln in dem Menschen- und Weltbild, das Dr. Rudolf Steiner (1861–1925) mit der Begründung der Anthroposophie zu Beginn des 20. Jahrhunderts lehrte. In dieser Zeit mit den unvorhersehbaren Folgen der industriellen Revolution meldeten sich viele Wissenschaftler, Philosophen, Psychologen und Künstler zu Wort. Es war eine Zeit des Aufbruchs, des Umbruchs und schließlich des Untergangs durch den Ersten Weltkrieg und seine Folgen. Aus allen Lebensbereichen kamen Menschen auf Rudolf Steiner zu – oftmals mit der Frage, wie man Pädagogik, Landwirtschaft, Medizin und auch Heilpädagogik mit der ganzheitlichen Erweiterung der Anthroposophie auf einen neuen fruchtbaren Boden stellen kann. Es entstanden unter anderem die Waldorfpädagogik, die Bewegungskunst der Eurythmie, die biologisch-dynamische Demeter-Landwirtschaft, die Anthroposophische Medizin, die heilpädagogische Camphill-Bewegung. Die Idee, dass der Mikrokosmos Mensch und der Makrokosmos Welt im Kleinen wie im Großen zusammengehören, sich gegenseitig beeinflussen und gemeinsam eingebunden sind in eine klare, spirituelle Ordnung, begründete viele weltweit fruchtbare Gemeinschaften.

Rudolf Steiner nahm den Menschen in seiner Einheit aus Leib, Seele und individuellem Geist ernst und beschrieb ihn in seinem lebenslang vorhandenen Entwicklungspotenzial. Die Ärztin Dr. Gudrun Burkhard und der niederländische Arzt und Professor für Sozialökonomie Dr. Bernard Lievegoed haben die Idee, das Leben als persönlichen Entwicklungsweg aufzufassen, in der Biographiearbeit konkret aufgegriffen und in ihrer Ausbildung sowie ihren Veröffentlichungen an viele Menschen weitergegeben.

Die Zahl 7 steht für Entwicklung


Die 7 durchzieht unser Leben, ob es die 7 Tage der Woche sind, die »Siebensachen«, die wir packen, oder der »7. Himmel«, von dem wir träumen. Auch der Einfluss der 7 auf den Lebenslauf ist seit der Antike bekannt. Hippokrates wusste: So wie der Mond seine Phasen alle 7 Tage ändert, beeinflusst die 7 alle Dinge, die sich unterhalb des Mondes abspielen. Sie neigt dazu, alle Dinge ins Sein zu bringen. Sie teilt Leben aus und ist die »Quelle allen Wechsels«.

Aus der Wissenschaft über die körperlichen Vorgänge, der Physiologie, wissen wir, dass sich unsere Körperzellen alle 7 Jahre bis in die komplexe Eiweißstruktur hinein erneuern. Dieser Zusammenhang spielt zum Beispiel eine wichtige Rolle beim Verstehen unserer Immunabwehr, die von der Ich-Präsenz des Menschen unmittelbar beeinflusst wird: Eine positive Lebenshaltung führt zu einem stärkeren Immunsystem. Die Zahl 7 steht für unsere physiologische Entwicklungskompetenz, daher erleben wir 7-Jahres-Abschnitte als kraftvollen Lebensrhythmus. Wir können uns bewusst machen, dass sich unser Ich über unser Denken und Handeln, über unsere Lebensgewohnheiten ganz konkret bis in den Körper hinein ausdrückt und wir damit unsere Gesundheit positiv und negativ beeinflussen können. Die 7-jährige Strukturveränderung bis in die Molekülebene unseres Körpers legt die Basis für unsere lebenslange Lern- und Veränderungsfähigkeit. Am Lebensanfang werden wir in den »Vererbungsleib« unserer Eltern hineingeboren, den wir dann im Laufe unseres Lebens zu einem immer individuelleren, durch unser Ich geprägten Körper umbilden.

Im Lebenshaus wird die Zeit zum Raum


In meiner biographischen Arbeit erstelle ich im Verlauf des Gespräches eine grafische Themenskizze, die meine Klienten als persönliches Mindmap zur Vertiefung mit nach Hause nehmen können. Die geordnete Struktur, die aus der erzählten Lebensgeschichte entsteht, führt unmittelbar zu einem umfassenderen Verstehen der tieferen Zusammenhänge. Diese Vorgehensweise wird von den Klienten sehr geschätzt, da wir in dieser Grafik die Lebensthemen in Überschriften benennen und innere thematische Verbindungen mit Farben hervorheben. In den letzten Jahren entstand daraus das Bild des Lebenshauses mit seinen Jahrsiebt-Räumen. Dem Ausspruch von Novalis »Die Zeit wird zum Raum« folgend bekommt der zeitliche Verlauf des Lebens mit der Biographiearbeit im Lebenshaus eine Verortung im Raum. Dabei gliedern wir den dahinfließenden Zeitstrom auf 3 Ebenen in 3 mal 3 thematisch geordnete Räume über je 7 Jahre. Nach 9 mal 7 Lebensjahren stehen wir mit 63 am Ende der Berufstätigkeit. Mit dem Anbau einer Dachgaube in unserem Lebenshaus bekommen die erlebten oder geplanten Abenteuer des 4. Lebensabschnitts ihren Platz.

Sie sehen, unser Lebenshaus hat wirklich viele Räume, und ich freue mich sehr, sie Ihnen in einem ersten Überblick vorstellen zu dürfen. Betrachten wir das Lebenshaus, so legen die 3 Räume des Erdgeschosses die Grundlage, auf der wir lebenslang stehen werden: Unsere Kindheit, Schulzeit und Jugend bilden die Räume der leiblichen Entwicklung. In seinem Kurvenschema »Die großen Rhythmen des Lebens« zeigt Bernard Lievegoed eindrücklich, dass in den ersten 21 Jahren auf der Körperebene Wachstum und Entwicklung stattfinden.1 Wir leben in starker Verbundenheit zu unserer Umgebung. Wir sind davon abhängig zu nehmen und zu bekommen. Hier liegen unsere Kraftreserven, hier liegen aber auch unsere Krafträuber! Es ist wichtig, unsere problematischen Themen genau kennenzulernen, denn sie sind es, die uns unser gesamtes späteres Leben lang unverhofft die Lebensenergie absaugen können, als würde man den Stöpsel aus der Badewanne ziehen. Genauso wichtig ist es aber auch, uns unsere Ressourcen aus dieser Zeit bewusst zu machen, denn sie sind Energiequellen, auf die wir jederzeit zurückgreifen können. Erinnern Sie sich an die staunende Spielfreude am Anfang der Kindheit, das fröhliche Lernen und Entdecken während der Schulzeit, die wagemutige, Grenzen sprengende Visionskraft der Jugend? Lernen Sie Ihre persönlichen Ressourcen kennen und greifen Sie im passenden Moment bewusst auf sie zurück!

Im ersten Stock liegen die 3 Räume der seelischen Entwicklung: Die Zeit der Empfindungsseele von 21 bis 28 Jahren ähnelt den Lehr- und Wanderjahren im Leben. In den 20ern ziehen wir in die Welt, lernen uns kennen und erwerben viele Fähigkeiten – ähnlich einem Lehrling, der auf Wanderschaft geht. Ein Schreinerlehrling muss etwa 1000 Bretter gesägt und viele verschnitten haben, um gerade Kanten erstellen zu können. So sammeln auch wir viele Erfahrungen, um an ihnen unseren Charakter auszubilden.

Der Seelenraum der Verstandesseele von 28 bis 35 Jahren ähnelt der Gesellenzeit. Mit Ende 20 legen wir uns fest, werden sesshaft und wollen uns in der Welt erproben, ähnlich einem Gesellen, der sich niederlässt und in der Lage ist, eigenständig in der Werkstatt zu arbeiten. Wir stehen in unserer vollen Kraft und sind in unserem Leben angekommen.

Der Seelenraum der Bewusstseinsseele von 35 bis 42 Jahren ähnelt der Meisterschaft. Mit der Lebensmittekrise wird unser Weg steinig und führt uns zunächst an unsere Grenzen, um dann zu der Weite unseres Ich als Zentrum unserer Persönlichkeit mit neuer Bewusstheit vorzustoßen.

Das Kurvenschema zeigt, dass diese mittleren 21 Jahre auf der Körperebene eine Plateauphase bilden, wir können auf unsere ganze Körperkraft zugreifen. Alles erscheint uns machbar! Wir richten uns in unserem Leben ein. Die belebende Farbenwelt unserer Gefühle, die klare Logik unseres Verstandes und die Lösungsbereitschaft auf der Basis echter Selbstreflexion sind die Kraftquellen der drei Räume dieser Lebensebene.

Der Entwicklungsbogen ab 42 will individuell wie ein Dachausbau gelebt werden. Den beginnenden Alterungsprozess bemerken wir zunächst nicht bewusst. Es liegt an uns, ob wir die Lebenskräfte, die sich nach und...

Blick ins Buch

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