VORWORT
Der Mensch und das Licht
Licht ist wohl das am meisten verkannte und unterschätzte Lebensmittel. Woran das liegt, darüber kann man nur spekulieren – wahrscheinlich ist es so allgegenwärtig, dass wir seine Präsenz einfach als gegeben hinnehmen, ohne weiter darüber nachzudenken. Für unsere Vorfahren war es wirklich »gegeben«, und zwar durch die Sonne, den Mond und das Feuer. Heute wird den Menschen das Licht eher verordnet: EU, Politiker, Industrie, Arbeitgeber, Lichtplaner oder Elektriker sind diejenigen, die das Licht in unserer Umwelt auswählen und gestalten. Eltern legen die Lichtumgebung ihrer Kinder anhand spontaner Kaufimpulse fest, die sie beim Gang durch das Einrichtungshaus verspüren. Dabei spielt oft die Form der Leuchte eine wichtigere Rolle für die Kaufentscheidung als die Lichtqualität.
Der richtige Umgang mit Licht muss erlernt werden
Es ist immer wieder erstaunlich, wie wenig die meisten Menschen über die Qualität von Kunstlicht wissen. Ähnlich verhält es sich mit den Grundregeln im Umgang mit Sonnenlicht. Lichtkompetenz wird zu keinem Zeitpunkt der schulischen oder beruflichen Ausbildung systematisch vermittelt, dabei ist sie aus meiner Sicht so wichtig wie Lesen und Schreiben. Der Mensch spürt, wann er Hunger oder Durst hat und handelt dementsprechend. Bei Licht verhält sich das anders: Der richtige Umgang mit Sonnenlicht muss erlernt werden.
In prähistorischen Zeiten waren es meistens die Religionen, die den kulturell-rituellen Rahmen vorgaben, indem sie das Licht der Sonne einer göttlichen Kraft gleichstellten. Dies bedeutete, Licht/Gott war allmächtig, also sowohl in der Lage, Leben zu erschaffen, als auch es zu zerstören. Die religiösen Rituale flößten den primitiven Menschen Ehrfurcht ein, damit sie sich so verhielten, dass sie von der göttlichen Energie (= Sonnenlicht) nicht geschädigt wurden. Strukturierung von Tagesabläufen (chronobiologische Rhythmen) oder Bekleidungsvorschriften (Sonnenschutz) sind nur zwei Beispiele für kulturell-religiös geschaffene Rahmenbedingungen, die salutogenetisch und risikomindernd wirken, sprich, der Entstehung und dem Erhalt der Gesundheit dienen. Unter diesem Blickwinkel wird auch verständlich, dass die Kulte vergangener Zeiten meist lokal eng begrenzt waren, denn die Sonne scheint zwar für jeden, aber sie scheint nicht überall auf der Erde gleich. Jede Kultur musste in ihrem Einflussgebiet den optimalen Umgang mit dem Sonnenlicht finden und an die kommenden Generationen weitergeben, um das Überleben zu gewährleisten.
Kunstlicht als große Herausforderung der Moderne
Heute haben sich die Bedingungen grundlegend verändert. Das Sonnenlicht ist nicht mehr der wichtigste Lichteinfluss, da wir uns meistens in geschlossenen Räumen aufhalten, die mit modernen Fenstern und Kunstlicht ausgestattet sind. Lichtanpassungsreaktionen, die sich auf der Erde über Millionen von Jahren entwickelt hatten, um menschliches Leben zu ermöglichen und unser Überleben zu sichern, können sich nun leicht gegen uns wenden, da sie in dieser neuen, künstlichen Umgebung sinnlos geworden sind. Der moderne Mensch steht lichtbiologisch vor einer der größten Herausforderungen unserer Tage: Er muss lernen, technische Möglichkeiten nicht nur intelligent, sondern bio-logisch zum Einsatz zu bringen. Er sollte außerdem verstehen, dass er sich nicht nur vom Auge leiten lassen darf – dieses Sinnesorgan ist nämlich ein begnadeter Gaukler, dem man nicht über den Weg trauen sollte!
Ich beschäftige mich nun seit über 25 Jahren intensiv mit dem Thema Licht. Dabei habe ich den Werbesprüchen der Industrie immer misstraut und stattdessen meine Informationsquellen in der Wissenschaft und auch der angewandten Medizin gesucht und gefunden. Ich finde es reizvoll, altes Wissen mit neuen Forschungsergebnissen zusammenzuführen. Die alten Mediziner, die vor über 100 Jahren die Lichtbiologie für sich und ihre Patienten entdeckten, hatten von Molekularbiologie oder Erbsubstanz noch wenig Ahnung. Dafür konnten sie wesentlich besser beobachten als viele ihrer heutigen Kollegen und waren gezwungen, die fehlende Detailkenntnis durch den aufmerksamen Blick auf das Ganze zu kompensieren.
Die Disziplin der Lichtbiologie heißt heute »Photobiologie«. Ich nenne mich trotzdem gern »Lichtbiologe«, da mir die Herangehensweise meiner Vorgänger sympathischer ist als die heutige Strategie, die fast ausschließlich auf die biochemisch-pharmakologischen Vorgänge blickt und dabei die physikalischen Aspekte des Lebens weitgehend vernachlässigt. Außerdem missfällt mir eine Wissenschaft, die es unterstützt, dass das Sonnenlicht, Ursprung allen Lebens auf diesem Planeten, als krebserzeugend eingestuft und die Glühlampe als einzige Kunstlichtquelle mit natürlichem Spektrum verboten wurde.
In der heutigen Zeit einen Ratgeber über gutes Licht zu verfassen, ist ein Wagnis. Die technische Entwicklung schreitet so schnell voran, dass kaum absehbar ist, was uns der Fortschritt morgen bringen wird. Wer hätte zum Beispiel im Jahr 2007 gedacht, dass im darauffolgenden Jahr die Glühlampe verboten werden könnte? Was also bleibt in einer Zeit, in der das einzig Sichere der immer schnellere Wandel ist? Welche Ratschläge sollte man geben?
Wie Licht unseren Organismus beeinflusst
Aus meiner langjährigen ärztlichen Praxis, aber auch aus Rückmeldungen von Hörern meiner zahlreichen Vorträge weiß ich, dass schlechtes Kunstlicht krank machen kann. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Licht als Gesundheitsfaktor wird in der Öffentlichkeit aber weitgehend vermieden. Eine große Anzahl wissenschaftlicher Studien hat das Thema der Lichtschädigung zum Gegenstand. Solche Untersuchungen können jedoch immer nur einen Teilaspekt bearbeiten und wurden zumeist an Zellkulturen oder Tieren durchgeführt. Hinzu kommt, dass weder die normale Bevölkerung noch die meisten Ärzte ungehinderten (das heißt zum Beispiel kostenlosen) Zugang zu solchen Publikationen haben. Dies macht es der Industrie umso leichter, alle Erkenntnisse, die der Vermarktung ihrer Produkte im Wege stehen könnten, erst einmal zu bestreiten und einfach weiterzumachen wie gehabt. Selbst bei ganz offensichtlich schädigenden Einflüssen wie dem Rauchen oder der Verwendung von Asbest hat es Jahrzehnte gedauert, bis die Gesetzgeber sich zu Gegenmaßnahmen entschließen konnten.
Kunstlicht vertreibt nicht nur die Dunkelheit, sondern kann auch krank machen.
Auch beim Thema Licht gibt es eine starke Lobby, die dafür sorgt, dass die Interessen der Industrie gewahrt bleiben. Ich denke dabei nicht nur an die Lichtindustrie und das Glühlampenverbot, sondern auch an die heute gängige Praxis, Arbeitgebern eine Arbeitsplatzbeleuchtung zu verkaufen, die das Lichtdoping ihrer Angestellten ermöglicht, um dadurch deren Produktivität zu erhöhen. Pharmakonzerne profitieren doppelt, wenn die Menschen vor dem Sonnenlicht Angst haben: Einerseits fördert der Lichtmangel den Absatz zahlreicher Medikamente zur Behandlung von Zivilisationskrankheiten, andererseits verdienen sie auch bei dem Verkauf von Sonnenschutzmitteln und Hautpflegeprodukten kräftig mit. Selbst die Tourismusbranche profitiert davon, wenn den Menschen das Lichtwissen fehlt, denn ihre Kunden buchen ungehindert von jeglicher Vernunft auch diejenigen Urlaubsreisen, die gegen alle Regeln von Chronobiologie und Heliotherapie – die medizinische Anwendung von Sonnenlicht – verstoßen und dadurch der Gesundheit eher schaden. Dabei war der Urlaub doch ursprünglich als Erholungsmaßnahme gedacht, um dem Organismus die Gelegenheit zu geben, sich zu regenerieren.
Was Sie in diesem Buch erwartet
Es gibt genügend Gründe, sich näher mit der Kraft des Lichts zu befassen. Da Licht in all seinen Erscheinungsformen sowohl positiv als auch negativ wirken kann und wie Luft und Wasser ständig auf uns einwirkt, ist es wichtig, die Mechanismen zu kennen, über die es unseren Organismus beeinflusst. Nur dann kann man seine Vorteile optimal nutzen und eventuelle Schäden wirksam vermeiden.
Da selbst ein Genie wie Albert Einstein sagte: »Den Rest meines Lebens werde ich darüber nachdenken, was Licht ist«, ist es mir natürlich unmöglich, alle Aspekte dieser komplexen Materie im Rahmen dieses Buches erschöpfend darzustellen. Folglich beschränke ich mich darauf, Ihnen eine sehr persönliche Darstellung vorzulegen, in der ich mich auf solche Themen konzentriere, die mit dem Erhalt oder dem Wiedererlangen der Gesundheit in Verbindung stehen.
In der Einführung wird zuerst die Frage beantwortet, warum gutes Licht für uns so wichtig ist, bevor im ersten Kapitel genauer analysiert wird, was Licht ist, woher es kommt und warum es für alle Prozesse des Lebens auf unserem Planeten unverzichtbar ist. Im Anschluss daran werden Sie erfahren, wie Licht auf alle chemischen Prozesse einwirkt, und die wichtigsten Mechanismen der...