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E-Book

Frankfurts Neue Altstadt

AutorFreddy Langer
VerlagInsel Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl100 Seiten
ISBN9783458764182
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Neobarock und Fachwerkromantik in einer Stadt, die groß denkt, nach oben wächst und am liebsten immer schon das kommende Jahrhundert im Blick hat? Kaum war der Plan auf dem Tisch, zwischen Dom und Römer Frankfurts im Krieg zerbombte Altstadt auferstehen zu lassen, hagelte es Kritik.

Doch heute kommen Frankfurter aus dem Staunen nicht mehr heraus. Rund um den Hühnermarkt, nunmehr der schönste Platz der Stadt, ist eine kleine neue Welt entstanden, die mit Wirtshäusern, Läden und sogar einem Barbier nicht nur zu einem Magnet der Touristenmassen geworden ist. Es ist, als habe Frankfurt in seinem Zentrum neben einem neuen Herz auch eine Seele erhalten.

Der reich illustrierte Band erzählt die wechselvolle Geschichte des Römerbergs, fasst die Debatten rund um seine Neubebauung zusammen und nimmt den Leser mit zu den schönsten und wichtigsten Gebäuden des neuen Stadtteils.

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<p>Freddy Langer, geboren 1957, finanzierte sich das Studium der Amerikanistik, Film- und Fernsehwissenschaften mit Filmkritiken in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dass er nach dem Examen Redakteur im Reiseteil ebendieser Zeitung wurde, hat seine Begeisterung f&uuml;rs Kino nicht bremsen k&ouml;nnen. Mittlerweile ist er seit 30 Jahren Redakteur der FAZ. Seine Buchpublikationen konzentrierten sich bislang auf Reisethemen und die klassische Fotografie. Der Band<em> Frauen, die wir lieben</em> erschien 2008 im Elisabeth Sandmann Verlag, 2019 folgt sein Buch <em>Frankfurts neue Altstadt</em>.</p>

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Leseprobe

2 Wo alles seinen Anfang nahm –


Die heiligen Mauern der Kaiserpfalz franconofurt

Die älteste Fotografie Frankfurts hängt in einem Leuchtkasten unter dem Stadthaus an der Wand und sieht aus wie eine Filmkulisse für Game of Thrones. Aufgenommen ist sie bei strahlendem Sonnenschein von Sachsenhausen aus über den Main hinweg: Vorne sieht man den Fluss samt einigen Booten und Stegen und am gegenüberliegenden Ufer die mächtige Pfalz, die Ludwig der Fromme dort Mitte des neunten Jahrhunderts hat errichten lassen. Es ist ein eindrucksvoller Komplex. Links die Königshalle samt ihrem klobigen Turm, wuchtig wie eine Festung, nicht allzu weit entfernt eine Basilika, von ähnlich wehrhaftem Charakter, und dazwischen, fast filigran, als Verbindung der beiden Gebäude eine Art Wandelhalle, aufgelockert durch nahezu ein Dutzend Bögen. Fenster sind rar in dem Gemäuer – und allesamt so schmal wie Schießscharten, was damit zu tun haben mag, dass Glas ein kostbares Gut gewesen ist in jenen Tagen. Zwar ist die Anlage umgeben von Palisaden, aber eingebettet in eine Umgebung, für die sich der Begriff des Idylls aufdrängt. Äcker, Felder und Weiden breiten sich aus bis an die dichtbewaldeten Hänge des Taunus am Horizont. Dazwischen liegen wie hingetupft ein Dutzend kleiner Siedlungen aus schilfgedeckten Holzhäuschen. Handwerker sind in ihren Werkstätten zu Gange. Einige Menschen bewirtschaften Beete. Ein Schäfer hütet seine kleine Herde. Auf Ochsenkarren transportieren Bauern und Händler ihre Waren über holprig gepflasterte Straßen. Einzig ein Zeltlager des Militärs erinnert daran, dass die Zeiten damals nicht immer friedlich gewesen sind.

Natürlich ist das farbige Panorama nur eine Simulation. Am Computer erstellt. Zusammengesetzt aus Tausenden kleiner Bilder, mit einer gehörigen Portion Phantasie, aber eben auch dem Wissen und den Schlüssen, die Archäologen aus einer Reihe steinerner Relikte gezogen haben, die man erst nach den Luftangriffen vom März 1944 unter den Trümmerfeldern der zerbombten Altstadt gefunden hatte. Schicht für Schicht wurde damals während der größten und wichtigsten Altstadtgrabung, die es in Deutschland je gegeben haben soll, freigelegt. Kellerwände mittelalterlicher Wohnhäuser konnten als karolingische Mauerfundamente identifiziert werden. Und darunter wiederum entdeckte man Reste eines römischen Schwitzbads samt einem Abwasserkanal, in deren Ziegel der Stempel der 14. Legion in Mainz gedruckt war. Die Anlage wird auf das Jahr 75 nach Christus datiert. Auch sie inspirierte die Forscher zu einem Bild: das einer römischen Straßenstation. Es hängt ebenfalls in einem Leuchtkasten unter dem Stadthaus an der Wand.

Hier ist die Ebene noch weitgehend ungenutzt. Am Ufer des Mains steht der massive Steinbau einer Herberge, daneben ein Stützpunkt der Militärpolizei, außerdem ein kleines Heiligtum. Und ebenjenes Badehaus, dessen Heizung man ausgegraben hat. Die Existenz der Holzbrücke, die auf dem Wasser dümpelt, ist wissenschaftlich nicht gesichert. Aber es wird vermutet, dass es eine gab. Denn die wichtige Nord-Süd-Verbindung zwischen den römischen Zentren Nida im heutigen Frankfurter Stadtteil Heddernheim und der Siedlung mit dem nur unvollständig erhaltenen Namen …MED…, dem heutigen Dieburg, verlief hier entlang. Bis der Name Frankfurt zum ersten Mal fiel, verging noch mehr als ein halbes Jahrtausend.

Dabei war der Domhügel, auch Dominsel genannt, schon seit der Jungsteinzeit bewohnt. Als leichte Erhöhung zwischen dem Main und dessen vermoortem Altarm, der Braubach, bot er auf einer Länge von etwa 325 Metern und einer Breite von 125 Metern inmitten einer sumpfigen Landschaft nicht nur Schutz vor Hochwasser, sondern auch den Zugang zur Furt durch den Main. Ihretwegen waren die Römer hier gewesen, etwa bis zum Untergang des Limes um 260 nach Christus. Wenig später nutzten Alemannen das, was von der Anlage noch zu gebrauchen war, bis sie Mitte des sechsten Jahrhunderts von den Merowingern vertrieben wurden. Selbst als aus der kleinen Siedlung rund um die Pfalz allmählich eine Stadt wurde, blieb deren Grundriss lange Zeit auf ebendiesen Domhügel zwischen dem Main und der Braubach beschränkt.

Das Land der Franken war ein Land ohne Hauptstadt. Die Könige reisten von Ort zu Ort oder genauer: von Pfalz zu Pfalz. Und als Karl der Große während eines acht Monate dauernden Aufenthalts hier im Jahr 794 mit hochrangigen Kirchenvertretern des Frankenreiches und weiteren tausend Teilnehmern die große Synode abhielt, mit Beschlüssen zu Religion, Wirtschaftspolitik und Rechnungswesen des Landes, benutzte er zum ersten Mal den Namen »franconofurd« auf einem der Pergamente: die Furt der Franken. Für die Stadt gilt das heute als ihr Gründungstermin, den Frankfurter Grundschüler mit dem Satz »Sieben, neun, vier – Frankfurt auf Papier« eingebleut bekommen. Und die Ruinen der Pfalz markieren ihren Geburtsort. Umso überraschender ist es, wie lange es gedauert hat, ihn gebührend zu präsentieren. Jahrzehnte lang war die Anlage nur ein Gewirr aus Mauern und Mäuerchen gewesen, das Kinder als Abenteuerspielplatz nutzten und Obdachlose als Ort für ihre Picknicks. 1972 als »Archäologischer Garten« eröffnet, sprach der Name dem Zustand mitunter Hohn. Nun werden die Mauerreste präsentiert wie das Heiligtum der Stadt. Und ja keineswegs zu Unrecht. Seit dem Sommer 2018 sind sie im Rahmen der Altstadt-Rekonstruktion überdacht vom Festsaal des neu errichteten Stadthauses und umrahmt von roten Sandsteinwänden, so dass man sich in einer riesigen Gruft fühlt. Es ist kühl dort unten. Aber nicht kalt. Nicht abweisend. Das liegt am Licht, das durch eine Reihe von Fenstern und Mauerdurchbrüchen von oben in die Kammer fällt. Bisweilen sorgt es für gespenstische Effekte.

Zu verstehen ist die Präsentation nicht auf Anhieb. Ihr Herzstück, so wird gerne gesagt, sei die Königshalle. Aber das erweckt falsche Vorstellungen. Denn auch wenn die Architektur sich auf deren Längswand beziehen mag, und eine golden schimmernde Decke aus Messing mit ihrem Rautenmuster einen Festsaal simuliert, schieben sich auf den ersten Eindruck all die Relikte aus Antike und Mittelalter hier ineinander, dort übereinander. Die Säulchen, tönernen Bodenplatten, Natursteinmauern und verputzten Wände erwecken eher den Eindruck einer künstlerischen Installation, als dass man darin Gebäudeteile erkennen würde. Es handelt sich quasi um ein urbanes Palimpsest. Als wie fragil man es plötzlich einschätzt, zeigt sich darin, dass alles geschützt hinter Zäunchen und Mäuerchen steht, damit bloß niemand etwas davon berührt. Wie in einem Museum eben. So wertvoll sind der Stadt die Ruinen geworden. Und damit auch bloß niemand vergisst, wo er sich befindet, steht das Wort »franconoford« gleich sechsmal an der Wand: in unterschiedlichen Varianten, geradeso, wie der Name im achten Jahrhundert, vielleicht nur wegen Rechtschreibefehlern, in unterschiedlichen Urkunden auftauchte – und jeweils in den damals benutzten Lettern, von denen die karolingische Minuskel zur Grundlage der modernen Schrift wurde. Karl der Große hatte auch eine Bildungsreform angestoßen.

Drei Herrscher vor allem verbinden sich mit diesem Ort: Karl der Große, der mit der Synode dem bisschen Stadt, das es damals gab, international Bedeutung verlieh. Dessen Sohn Ludwig der Fromme, der den merowingischen Königshof 822 durch die karolingische Pfalz ersetzte. Sowie dessen Sohn, Ludwig der Deutsche, der Frankfurt zu einer Art Hauptstadt des ostfränkischen Reiches erhob und die Salvatorkirche bauen ließ, aus der später der Kaiserdom hervorging. Dass um alle drei Könige kaum Aufhebens gemacht wird, ist typisch für Frankfurt. Mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein hat es sich stets als Bürgerstadt verstanden. Womöglich war das auch der Grund dafür, weshalb die archäologischen Funde lange Zeit stiefmütterlich behandelt wurden. Und weshalb die Idee Egon Wamers, des früheren Direktors des Archäologischen Museums, das zentrale Gebäude der Pfalz, die »Aula Regia«, zu rekonstruieren, nie wirklich ernst genommen wurde. Stattdessen hatten sich manche schon vor mittlerweile fast einem halben Menschenleben über den Plan, die Fachwerkhäuser der Ostzeile am Römerberg wieder aufzubauen, lustig gemacht, indem sie konterten: Dann solle man doch besser die römische Therme rekonstruieren. Davon hätten die Bürger mehr.

Was eine gute Überleitung ist. Denn während die »Kaiserpfalz franconofurd« das Zeug dazu hat, ein...

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