Die Vermännlichung der Frau
Die Frauen haben in den 1970er-Jahren Einzug gehalten in die bis dahin männlich dominierte Gesellschaft. Mit ihrer kämpferischen Energie haben sie eine Bewegung initiiert, die auf der politischen Ebene per Gesetz die Gleichstellung der Frau garantieren sollte. Mit Quotenregelung, Gleichstellungsgesetzen und öffentlich geförderten frauenspezifischen Angeboten haben sie dafür gesorgt, dass sich die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft grundlegend verändert hat. Alte, längst überholte Denkstrukturen und festgelegte geschlechtsspezifische Verhaltensweisen wurden hinterfragt und aufgelöst. Die gesetzlich verankerte Gleichstellung der Frau führte dazu, dass sich eine Bewusstseinsveränderung unter Frauen, aber auch bei den Männern etablierte. Bis dato war die nicht hinterfragte klassische Rolle der Frau in der Regel auf die Erziehung der Kinder und fürsorgliche ehrenamtliche Tätigkeiten ausgerichtet. Die drei Ks – Kirche, Küche, Kinder –, die zur Identität jeder Frau gehörten, wurden jetzt abgelöst von drei neuen Ks: Karriere, Kampf und Kompromisslosigkeit.
Ihren vehementen Kampf fochten die Frauen mit den Waffen der Männer: Einsatz ihres messerscharfen Verstandes, fokussierte Willenskraft, Zielgerichtetheit und Schlagfertigkeit. Damit übernahmen sie die zuvor den Männern zugeschriebenen Qualitäten für die Frauenwelt. Die Übernahme und Verinnerlichung der männlichen Eigenschaften verdrängte die klassischen weiblichen Werte wie Einfühlungsvermögen, Hingabefähigkeit und Harmonie. Der gute Kontakt zum Körper, seinen Gefühlen und Sinneswahrnehmungen galt als mütterlich-weibliche Qualität und wurde oftmals gemeinsam mit der Mutter abgelehnt und abgespalten. Gefühle oder gar das Zeigen von Schwäche waren den angriffslustigen Frauen fremd und wurden als „kampfuntauglich“ vermieden.
Die Ablehnung weiblicher Werte
Vielen Frauen war in dieser Zeit die komplette Frauenwelt, repräsentiert von der Mutter, suspekt oder gar zutiefst zuwider. Sie erlebten in ihren Müttern und Großmüttern oft Generationen, die in einer passiven Rolle, fremdbestimmt vom Mann, sich willenlos in ihr Schicksal von Abhängigkeit und Bevormundung ergeben hatten. Sie verurteilten die mütterlich-weibliche Welt als beschränkt, engstirnig und unfrei und lehnten es ab, daran zu partizipieren. Mit der Abwehr der Mutter sowie der von ihr vorgelebten Weiblichkeit wurden jedoch zugleich auch all jene weiblichen Qualitäten verneint und verdrängt, die sich leise hinter all den negativen Auswüchsen verbargen. Der Frauenwelt mit ihren unkontrollierten Gefühlsduseleien und Dramen und den unergründlichen depressiven Verstimmungen sollte endgültig der K.-o.-Schlag versetzt werden. Ratio war angesagt.
Die Frauen fühlten sich endlich als Mitglied der leistungsorientierten Männerwelt und identifizierten sich vollkommen mit den väterlich-männlichen Werten: Leistungswille, Selbstdisziplin, Willensstärke, vernunftgesteuertes erfolgsorientiertes Handeln. Frauen standen allein und unabhängig ihren Mann in einer männlich dominierten Welt. Mit Selbstdisziplin und Leistungswillen bewältigten sie die Dreifachbelastung von Beruf, Kindererziehung und Haushalt. Da war für Gefühle, Entspannung oder gar Schwächen wenig Platz.
So erreichten die Frauenrechtlerinnen große Erfolge, die wir Frauen heute selbstverständlich und gern in Anspruch nehmen und auf die niemand mehr verzichten will. Gleichzeitig wurden jedoch mit der Disqualifizierung der weiblichen Werte und Qualitäten diese fast ausradiert. Damit haben die Frauenrechtlerinnen sicherlich unbeabsichtigt das Tor zu Kampf, Konkurrenzdenken und Leistung geöffnet, von denen Frauen heute zunehmend geprägt sind. Mit der Entwertung weiblicher Qualitäten sind sie auch verantwortlich dafür, dass viele Frauen sich ihrer Identität beraubt und damit wurzellos fühlen.
Meiner Erfahrung nach sind die meisten Frauen nicht glücklich, wenn ihre männliche Seite sich erfolgreich im Konkurrenzkampf gegen die Männer durchsetzt. Eine tiefe, unerfüllte Sehnsucht nach Weiblichkeit, nach Hingabe und Harmonie, nach innerem Frieden, Verbundenheit und intensiven Gefühlen bleibt. So fühlt sich manch erfolgreiche und autonome Frau leer, ausgebrannt und einsam – trotz vieler Bestätigungen und sozialer Kontakte.
Zehn Aspekte der verkümmerten femininen Seite
Wenn die ursprüngliche feminine Seite der Frau verkümmert, kann sich dies in verschiedenen Aspekten zeigen:
1. Der vermännlichte Frauenkörper
Die Vermännlichung der Frau kann sich zunächst am Körper zeigen. Das Ideal der körperlichen Maße gleicht heute eher dem schlanken, kantigeren männlichen Körperbau als den rundlicheren weiblichen Formen mit ausladenden Hüften. Früher ging man davon aus, dass ein breites Becken Geburten begünstigt, sodass es als ein Zeichen mütterlich-weiblicher Qualität galt. Da Mutterschaft in unserer Gesellschaft jedoch nicht mehr per se als weibliche Aufgabe anerkannt wird, verliert auch die körperliche Entsprechung ihre Akzeptanz. Das weibliche Schönheitsideal verändert sich. Hinzu kommt ein eher funktionales, distanziertes Verhältnis zum eigenen Körper, was bisher eher dem Mann zugeschrieben wurde. Der Körper wird wie eine Maschine betrachtet. Er hat zu laufen, wird mit Sport ertüchtigt und mit Kosmetik verschönert, damit er gut funktioniert und die Frau Bestätigung bekommt.
2. Mangelndes Körpergefühl
Eine weibliche Qualität ist das intensive Erleben mit allen Sinnen; sehen, schmecken, riechen, fühlen und hören. Um die Sinne aber öffnen zu können, sie empfänglich zu machen, braucht es ein gutes Körpergefühl, denn sinnliche Wahrnehmung hat immer mit einem ausgeprägten Körperbewusstsein zu tun. Um intensiv zu fühlen, muss die Frau zunächst sensibel für ihren eigenen Körper werden, ihm Aufmerksamkeit schenken, ihn gut kennen und sich wohl in ihm fühlen. Doch viele Frauen betrachten ihren eigenen Körper mit der männlichen Bewertungsbrille: Ist er gesund, funktioniert er gut und wirkt er attraktiv auf andere? Das führt zu Distanz zum eigenen Körper: Er wird dann eher wie ein Werkzeug betrachtet, anstatt ihn liebevoll von innen zu fühlen. Dieser männlich-distanzierte Umgang mit dem eigenen Körper entfremdet Frauen von sich selbst. Der liebevolle Zugang zum eigenen Körper ist meiner Erfahrung nach jedoch die Basis für ein gutes Verhältnis zur eigenen Weiblichkeit.
3. Selbstkritik
Mit dem kritischen Verstand, den Frauen verstärkt entwickelten, beurteilen sie nicht nur die Männer, sondern bewerten sie vor allem sich selbst. Statt sich selbst anzunehmen und wertzuschätzen, was weibliche Attribute sind, disqualifizieren sie sich durch erbarmungslose Selbstkritik sowohl dem eigenen Körper als auch ihrem Verhalten gegenüber. Fast jede Frau kennt den morgendlichen kritischen Blick in den Spiegel, um den kleinsten versteckten Makel zu entdecken. Kein Mann betrachtet eine Frau so kritisch, wie sie es selbst tut. Den meisten Männern fallen die kleinen Mängel, unter denen manche Frauen leiden, gar nicht auf. Wunderschöne Frauen kasteien sich täglich durch überkritische Blicke und einen leistungsorientierten Anspruch ihrem Körper gegenüber. Diese distanzierte und harte Betrachtungsweise lässt auf eine mangelnde Wertschätzung sich selbst gegenüber schließen.
4. Funktionieren und organisieren
So wie der Körper funktionieren muss, unterliegt auch die übrige Lebensweise der Frau eher männlichen Prinzipien. Sowohl berufliche wie auch private Anforderungen werden mit Qualitäten wie Disziplin, Willensstärke und Durchsetzungsvermögen gemeistert. Arbeitskollegen und -kolleginnen werden als Konkurrenten gesehen, die der Karriere im Weg stehen. Fast die Hälfte aller Frauen in den Großstädten leben autonom und stehen ihre Frau ohne Mann – und oftmals mit Kind. Die Alleinerziehenden sind fast ausschließlich damit beschäftigt zu tun, zu organisieren, zu funktionieren und zu managen. Bedingt durch die Doppelbelastung von Beruf und Kindererziehung fühlen sie sich bald chronisch überfordert, ausgebrannt und leer. Hierbei kommt das weibliche Prinzip, das sich im Miteinandersein, im Entspannen, im Spielen mit den Kindern, im Verweilen schöner Augenblicke zeigt, zu kurz.
5. Trennung von Verstand und Gefühl
Die einseitige Förderung ihres kritischen Verstands sorgt dafür, dass Frauen sich nicht mehr so leicht von Männern etwas weismachen lassen. Aber es fällt ihnen auch zunehmend schwer, sich für einen Mann zu begeistern und sich verführen zu lassen. Skeptisch seziert die Frau jede seiner Bemerkungen, bewertet seine Verhaltensweisen. Es fehlt die tolerante und großzügige Haltung, die auch einmal fünf gerade sein...