Die vorliegende Dissertation widmet sich der
quartären Landschaftsgenese und der anthropogen
bedingten Landschaftsdegradation in
der Serra dos Órgãos, einem jung gehobenen
Kristallingebirge im Hinterland des Bundesstaates
Rio de Janeiro, das sich durch die Existenz
artenreicher Küstenregenwälder der Mata Atlântica
auszeichnet, die zunehmend durch den Menschen
bedroht sind.
Der erste Teil der Arbeit befasst sich mit der
Landschaftsgenese während der quartären Klimazyklen
und liefert neue Erkenntnisse über die
Entwicklung von Rumpfflächenlandschaften, die
jungquartäre Vegetationsdynamik, geomorphologische
Prozessdynamiken sowie die Genese tropischer
Böden. Der zweite Teil beschäftigt sich
mit der anthropogenen Degradation insbesondere
von Wäldern und Böden und erforscht die Zusammenhänge
zwischen der natürlichen, vom
Menschen unbeeinflussten Landschaftsgenese
und der historischen Landnutzung von der prähistorischen
Besiedlung bis zur Gegenwart.
Gemäß den vielfältigen Fragestellungen wurde
der holistische Forschungsansatz der Landschaftsökologie
gewählt. Die landschaftsgenetischen
Untersuchungen erfolgten auf Basis geomorphologischer
und bodengeographischer Gelände-
und Labormethoden, die historische Landschaftsdegradation
wurde im Gelände anhand
von Degradationsformen und Bodeneigenschaften
interpretiert. Detailliert untersucht wurden
verschiedene Waldstandorte und ein kleines Einzugsgebiet.
Zudem wurden archäologische und
historische Quellen ausgewertet, um ein umfassendes
Bild der historischen Landnutzung zu gewinnen.
Für das Munizip Teresópolis wurden zudem
die Zusammenhänge zwischen Landnutzung,
Landschaftsdegradation und sozioökonomischen
Triebkräften untersucht.
Die känozoische Landschaftsgenese der Serra
dos Órgãos wurde maßgeblich durch tektonische
Prozesse, die Petrovarianz, die Auswirkungen
globaler Klimaschwankungen sowie reliefbedingte
Klimaeffekte bestimmt. Das Klima hatte wiederum
einen maßgeblichen Einfluss auf die Vegetationsdynamik,
den Wasserhaushalt, die Verwitterungs-
und Abtragsverhältnisse sowie die
Bodenentwicklung.
Gesteuert wurde die großräumige Reliefentwicklung
durch die tektonische Hebung der Serra
do Mar / Serra dos Órgãos sowie den monozyklischen
Wechsel des reliefwirksamen Klimas – von
feucht zu trocken und wiederum feucht – im Tertiär.
Innerhalb der großräumigen Strukturen wirkten
sich der orographische Luvseiten-Effekt sowie
die Petrovarianz und Klüftigkeit der Gesteine
maßgeblich auf die Reliefentwicklung aus. Vor
allem letztere ist für eine unterschiedliche Durchfeuchtungstiefe,
Tiefenverwitterung und damit
ungleichmäßige Verwitterungsfront verantwortlich,
die durch Abtragungsprozesse an die Oberfläche
gelangte und die weitere Reliefgenese determinierte.
Das Quartär ist durch polyzyklische Klimafluktuationen
gekennzeichnet, die jedoch keinen
Einfluss auf die großräumige Reliefentwicklung
hatten, sondern lediglich zur Weiterbildung der
im Tertiär angelegten Strukturen und zur Ausräumung
tertiärer Füllungen in Talungen führten.
Pedimente oder Flussterrassen als Zeugen der
Klimazyklen wurden im jungen Hebungsgebiet
der Serra dos Órgãos nicht nachgewiesen.
Auf Grundlage der untersuchten Profile und
unter Einbeziehung paläoklimatischer Befunde
anderer Untersuchungen wurde ein landschaftsgenetisches
Modell für das jüngere Quartär entworfen.
Rote Böden haben sich demnach nur unter
trocken-heißen Bedingungen im Tertiär gebildet
und wurden durch (bio)chemische Umwandlungsprozesse
(Chelation oder Xanthisierung) im
Pliozän und Quartär überprägt. Diese Prozesse
führten zu einer relativen Anreicherung des braun
färbenden Goethits gegenüber dem roten Hämatit
in der oberen Bodenzone. Während der Kaltzeiten
kam es zu einem Waldrückzug und verstärkten
Bodenabträgen. Die heute vorzufindenden
Kolluvien wurden primär während der Instabilitätsphase
gegen Ende des Würms und zu Beginn
des Holozäns sowie nach der ersten Rodungsphase
abgelagert. Zudem deutet einiges aufverstärkte
Abträge während sogenannter Dansgaard-
Oeschger-Ereignisse in den Kaltzeiten hin.
Eine häufig zwischen einem (gelb)braunen
Boden und einem roten Latosol ausgebildete
Steinlage wird primär auf Bioturbation zurückgeführt.
Es wird der Nachweis geführt, dass
die Steinlagenbildung durch Bioturbation an eine
waldfreie Landschaft gebunden ist, was auf trockene
Klimabedingungen schließen lässt. Der
Autor stützt mit seinen Befunden das „Biomantel
Konzept“ von JOHNSON (1990, 1992) und ältere
Arbeiten von THORP (1936, 1949), wonach die
Grenze braun/rot (mit oder ohne Steinlage) die
Untergrenze des durch Bioturbation geprägten
Teils des Bodens markiert. Er geht aber noch einen
Schritt weiter, indem er aus der Verbreitung
und Ausprägung von Steinlagen und (gelb)braunen
Böden Rückschlüsse auf die Klimaentwicklung
und Pedogenese zieht. Neben der Bioturbation
wurden auch andere Entstehungsmechanismen
von Steinlagen nachgewiesen, so dass eine
landschaftsgenetische Deutung nur zusammen
mit anderen Geländebefunden möglich ist.
Im Hinblick auf die historische Landschaftsdegradation
wird die Serra dos Órgãos in drei
Teilräume unterteilt: (a) Die bereits in prähistorischer
Zeit durch Brandrodung und später durch
koloniale Ausbeutungszyklen stark beeinträchtigte
Küstenregion, (b) die heute überwiegend
bewaldeten Gebirgshänge im Luv der Serra, die
in Abhängigkeit von Reliefposition und Höhenlage
unterschiedlich stark beeinflusst sind, sowie
(c) die erst im frühen 19. Jahrhundert erschlossene
Bergregion im Lee der Serra, die derzeit von
einer massiven Nutzungsintensivierung und
Landschaftsdegradation betroffen ist.
Der Nachweis einer prä-anthropogenen flächenhaften
Verbreitung gelbbrauner und brauner Böden,
die bodentypologisch überwiegend als Cambisole
anzusprechen sind, führt zu der Folgerung,
dass die roten Ferralsole nicht als charakteristische
Böden unter Regenwald, sondern als das Ergebnis
anthropogener Bodendegradation zu deuten
sind. Durch Bodenerosion wurden die (gelb)-
braunen Bodenhorizonte vielerorts abgetragen
und die tertiären roten Latosole freigelegt. Der
„natürliche“ zonale Bodentyp ist daher der Cambisol.
Von den verschiedenen Degradationsformen
sind im Munizip Teresópolis ein zunehmender
Flächenverbrauch durch Suburbanisierungsprozesse
und neue Verkehrsflächen, das Abbrennen
von Buschland und Waldflächen, Bodenerosion
durch Überweidung und Gemüsebau sowie Veränderungen
der Gewässerdynamik hervorzuheben.
Örtlich wurde eine Überformung ganzer
Landschaftsteilräume beobachtet. Die Entwaldung
folgt verschiedenen sozioökonomischen
Triebkräften, die hohen Bodenerosionsraten sind
die Folge unangepasster Nutzungsformen und
natürlicher Ungunstfaktoren.
Spuren präkolonialer Brandrodungen fanden
sich in der Bergregion nicht. Hohe Bodenabträge
und Grabenerosion sind auf eine Übernutzung in
den letzten zweihundert Jahren zurückzuführen.
Im untersuchten Einzugsgebiet begann die Nutzungsintensivierung
erst Mitte des letzten Jahrhunderts,
führte in diesem kurzen Zeitraum aber
bereits zu gravierenden Schäden. Für das Einzugsgebiet
wurden die Empfindlichkeiten gegenüber
Bodenerosion ermittelt und Vorschläge für
geeignete Nutzungen unterbreitet.
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