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Vor dem Sprint
Bevor Sie einen Design Sprint vorbereiten, müssen Sie zum einen sicherstellen, dass ein Sprint überhaupt die richtige Methode ist und Sie nicht aufgrund mangelnder Vorbereitung Ressourcen verschwenden. Zum anderen benötigen Sie für den Sprint einige Voraussetzungen und Utensilien, deren rechtzeitige Bereitstellung Ihnen einiges an Stress zu Sprint-Beginn erspart. Wir zeigen Ihnen in diesem Kapitel, wie Sie die Herausforderung herausarbeiten und leicht verständlich aufbereiten sowie welche Vorkehrungen Sie spätestens ab vier Wochen vor dem Design Sprint sukzessive treffen sollten.
Die Herausforderung verstehen
Man kann eine Herausforderung nur annehmen, wenn man sie versteht. Aber woher haben Sie die Gewissheit, dass Sie die Herausforderungen mit all ihren Facetten kennen? Als Sprint Master müssen Sie das nicht. Aber Ihr Team sollte alles bis ins kleinste Detail verstehen. Und da sind Sie wieder im Spiel: Es ist Ihre Aufgabe, genau das sicherzustellen.
Die Durchdringung der Situation und der Herausforderung ist der Ausgangspunkt all Ihrer gemeinsamen Bemühungen. Es ist also sinnvoll, sich mit den Gegebenheiten zu befassen. Denn die Qualität der zu entwickelnden Lösungen verhält sich proportional zur Detailtiefe, mit der Ihr Sprint-Team die Fragestellung und die umliegenden Faktoren und Wechselwirkungen einschätzen und beschreiben kann. Der Sprint bietet Ihnen später in seinem Verlauf noch einige Möglichkeiten, auch bis dahin unerkannte Elemente zu integrieren. Je gründlicher Sie aber im Vorfeld arbeiten, desto stressfreier und kreativer können Sie später in der Lösungsfindung sein und umso mehr Energie können Sie auf neue Ideen als auf die überraschende Berücksichtigung alter Strukturen verwenden. Schauen Sie sich als Sprint Master vorliegende Dokumente und bestehende Prozesse an und führen Sie gegebenenfalls einige Interviews mit Projektmitarbeitern und Kunden durch. Auf diese Weise verschaffen Sie sich einen Überblick, welche Expertisen und Betrachtungsweisen in Ihren Sprint einbezogen sein müssen. Sie können dann entscheiden, ob Sie diese bereits im Sprint-Team abdecken oder aber über kleine Gastvorträge in den Sprint integrieren müssen. Diese Expertenbeiträge von außerhalb des Kernteams werden in Sprints Lightning Talks genannt. Wie diese ablaufen, erklären wir Ihnen später in unseren Ausführungen zur ersten Sprint-Phase ausführlich.
Folgende Perspektiven sollten in Ihrem Sprint aussagefähig vertreten sein:
- Überblick über die gesamte Situation des Unternehmens, seine Produkte und Dienstleistungen und seine Zukunftsvision
- Abhängigkeiten und Restriktionen des Projektes (Infrastruktur, Rechtliches, Finanzielles etc.)
- Kundenwünsche und Kundenfeedback (Interviews, Umfragen, Beobachtungen, Kundenchats etc.)
- Technische Machbarkeit und Durchführbarkeit der derzeitigen Produkte und Dienstleistungen und möglicher Neu- und Weiterentwicklungen
- Vorangegangene Versuche, das Problem zu lösen, und was aus diesen gelernt wurde
Ohne diese Blickwinkel zu kennen und sicherzustellen, dass diese im Sprint aus der Erfahrung heraus vorgetragen werden können, dürfen Sie sich nicht an den Sprint wagen. Denn dann werden Ihnen wichtige Details fehlen, um zu einem guten Ergebnis zu gelangen. Außerdem sollten Sie akribisch darauf achten, dass in Ihrem Sprint-Team echte Kundenversteher sind, also Leute, die tatsächlich tagtäglich mit Kunden im Kontakt sind und deren Wünsche und Unzufriedenheiten aus erster Hand kennen. Was bewegt die Kunden? Was wäre in deren Augen ein Erfolg oder Kaufargument? Es nützt Ihnen nichts, wenn in Ihrem Team ein Zahlenanalytiker aggregierte Daten über Zielgruppen herunterbeten kann, alle seine Ausführungen dann aber nur abgeleitete Annahmen über die Kunden sind. Wir haben das schon in Sprints erlebt und dabei aufgrund der falschen Expertise viele Enttäuschungen am letzten Tag abfangen müssen, die sich mit einem anders zusammengesetzten Sprint-Team leicht hätten vermeiden lassen.
Was müssen Sie vor dem Sprint langfristig sicherstellen? (noch vier Wochen bis zum Sprint)
Einige vorbereitende Tätigkeiten benötigen mehr Zeit und unter Umständen längere Entscheidungswege. Daher sollten Sie diese rechtzeitig vor dem Sprint in Angriff nehmen und sorgfältig vorarbeiten. Andere Vorkehrungen können Sie bereits so früh treffen und sich dadurch Zeitdruck und Terminstress in der weiteren Vorbereitung sparen. Umso früher Sie die folgenden Punkte erledigt haben, umso entspannter gestalten sich die Tage unmittelbar vor dem Sprint.
Die Herausforderung präzise formulieren
Egal ob Sie sich die Herausforderung selbst ausgesucht haben oder diese an Sie herangetragen worden ist, schauen Sie sich die Vorgaben genau an und versuchen Sie, zum Kern des Problems vorzudringen. Sie müssen für das Team daraus einen Vorschlag zur Formulierung der Herausforderung machen, zu der Sie gemeinsam während des Sprints eine Lösung erarbeiten. An einer präzisen Formulierung als Startpunkt aller Sprint-Aktivitäten hängt also viel. Stellen Sie die Herausforderung so gut und präzise Sie können dar und seien Sie trotzdem vorbereitet, dass Sie sie während des Sprints mit Ihrem Team noch umformulieren müssen, um noch besser zu arbeiten.
Natürlich gibt es keine goldene Regel für die Formulierung der Herausforderung, aber einige Tipps, die sich bewährt haben. Spielen Sie mit Worten und Satzbau, versuchen Sie sich an mehreren Varianten und schlagen Sie zwei bis drei davon Ihrem Auftraggeber vor, um zu erfahren, welche die Problemstellung Ihres Auftraggebers am genauesten widerspiegelt und so auf fruchtbar-kreativen Boden fällt. Versuchen Sie bewusst auch, einzelne Worte durch andere zu ersetzen, und schauen Sie, inwieweit das Ihre Wahrnehmung der Herausforderung beeinflusst. Hier einige hilfreiche Vorgehensweisen:
- Sammeln Sie so viele Fakten wie möglich. Erst das Puzzle aus Details lässt Ihre Herausforderung Gestalt annehmen. Umso deutlicher Sie alle Facetten beleuchten, desto klarer können Sie später formulieren und Ihr Team schnell in die Situation einführen.
- Formulieren Sie Fragen. Der Mensch ist gemacht für Rätsel, spielerisches Erforschen und intuitives Finden von Lösungen. Zähe, schwere Brocken und Schwierigkeiten kosten uns viel Energie und geben kaum innere Befriedigung. Neugierige Fragen regen die Kreativität Ihres Teams an.
- Formulieren Sie so, dass Sie für verschiedene Lösungsmöglichkeiten offen bleiben und nicht sofort nach der einen perfekten Lösung suchen. Statt »Was ist der goldene Weg, um …« besser »Welche Möglichkeiten könnten wir nutzen …«.
- Formulieren Sie positiv und verwenden Sie ermöglichende statt beschränkende Verben. Statt »beenden, abstellen, …« besser »freischalten, ermöglichen, einrichten, unterstützen«.
- Versuchen Sie, Interesse bis Begeisterung zu wecken. Statt »Verkaufszahlen steigern« besser »Interessenten zu begeisterten Besitzern machen«.
- Formulieren Sie der Erfahrungswelt des Teams angemessen. Statt »Wie erhöhen wir die Produktivität/Wirtschaftlichkeit von …« besser »Wie vereinfachen/erleichtern/verbessern wir das alltägliche …«.
- Nehmen Sie verschiedene Blickwinkel ein: Sie als Unternehmen wollen mehr Kunden erreichen. Wonach suchen aber diese Kunden, wenn Sie sich für Ihre Produkte oder Dienstleistungen interessieren?
- Versuchen Sie, so weit wie möglich, Annahmen über die Situation auszuklammern. Umso besser Sie hierauf achten, desto erstaunter werden Sie sein, welche neuen Möglichkeiten sich eröffnen. Muss eine Kinderarztpraxis zwangsläufig durch die Vordertür betreten werden? Muss ein Büro in einem Gebäude untergebracht sein? Muss eine Webseite Text aufweisen?
- Spielen Sie mit der Dimension der Herausforderung; in beide Richtungen. Wenn Sie sich von den Details erschlagen fühlen oder Sie das Gefühl haben, die Fragestellung gibt Ihnen kaum noch Entfaltungsmöglichkeiten, versuchen Sie, die Herausforderung aus der Vogelperspektive zu betrachten. Wenn Sie das Gefühl haben, ohnmächtig einem Puzzle aus dutzenden Schwierigkeiten gegenüberzustehen, dann versuchen Sie, kleinere Gruppen zu identifizieren und sich vielleicht einer kleineren Herausforderung zu widmen als ursprünglich angedacht.
- Eine Formel, mit der Sie die Herausforderung formulieren können, aber nicht müssen, lautet: »Welche Möglichkeiten bestehen, um (OBJEKT) (KRITERIEN) (AKTION) (RESULTAT)?« Zum Beispiel: »Welche Möglichkeiten bestehen, (Design Sprints) (in sechs Monaten in unserem gesamten Unternehmen) (umzusetzen), (um alle neuen Produkte schneller und kostengünstiger zu entwickeln)?«
Um Ihnen diese Herangehensweise an einen Sprint noch besser zu veranschaulichen, nehmen wir Sie nun mit auf die Reise in unser fiktives Beispiel, die Schulküche Cookidadido. Zunächst beschreiben wir Ihnen die Situation, in der sich das Unternehmen befindet, und geben Ihnen Ideen, wie man sich der Formulierung der Herausforderung nähern könnte. Am Ende wählen wir eine Herausforderung aus, zu der wir Ihnen durch das gesamte Sprint-Geschehen Beispiele aufzeigen werden.
Unser Beispiel: »Schulküche Cookidadido«
Nehmen wir also an, Sie sind gebeten worden, einen Sprint des Schulcatering-Unternehmens Cookidadido zu...