Die Verbreitungswege, die Formen der Aufnahme von Ideen Montesquieus und ihr Niederschlag in der Wissenschaft oder in der pragmatischen Literatur wurden für das 18. Jahrhundert vorbildlich von Rudolf Vierhaus erforscht. Ultrakonservative Universitäten wie Leipzig wendeten sich spitzfindig gegen Montesquieus Ideen, Reformhochschulen wie Halle und Göttingen trugen sie weiter, so wie auch die aufgeklärten Herrscherhäuser sie in die Programme der Fürstenerzieher aufnahmen. Arndt und Vom Stein, und wieder der Vormärz berufen sich auf Montesquieu, und die 48er Bewegung nimmt in einer neuen Übersetzung von Ellissen wahr, daß Gewaltenteilung und Rechtsstaat zusammengehören. Es ist wohl Kants Strenge, verbunden mit dem nordamerikanischen »Axiom Montesquieu«, die einen Robert von Mohl veranlaßten, »Gewaltenteilung im Sinne Montesquieus« zu fixieren. Die Formel erscheint seither jedenfalls in den Diskussionen der Monarchisten (ablehnend), wie der Konstitutionalisten (zustimmend) bis über das Bismarckreich hinaus. Nachdem auch Georg Jellinek den Begriff eindeutig an Montesquieu gebunden hat, bleibt die Formel fest im Argumentationsarsenal verankert. Hier setzen die differenzierenden Analysen der neueren Montesquieu-Diskussion an, die aus Anlaß der Neuformulierungen der Staatsidee eines verfaßten Deutschland nach den beiden Weltkriegen politische Brisanz gewannen und behielten. Der Weg in die Verfassungsstaatlichkeit der Zweiten deutschen Republik wurde, wenn man die Protokolle der verfassunggebenden Versammlungen der Länder, des Herrenchiemseer Konvents und des Parlamentarischen Rates genau liest, auch unter der Fahne Montesquieus beschritten. In diesem Band findet sich eine Auswahl von wissenschaftliche Texten zu Montesquieu. Es sind Texte, in denen sein literarisches, vor allem aber sein politisches Werk, im 20. Jahrhundert in Deutschland Verbreitung gefunden hat: kurze bzw. unwesentlich gekürzte Texte wie Aufsätze, Vorträge, Kapitel aus Monographien. Sie sollen typische Fragestellungen zeigen, die in den jeweiligen Disziplinen die Beschäftigung mit Montesquieu anleiten. Neben den alten Rezeptions-Disziplinen Literaturgeschichte, Geschichtswissenschaft, Jurisprudenz sind es die Soziologie und die Politische Wissenschaft. Den überwiegend deutschen Verfassern stehen auch zwei schweizerische Autoren zur Seite: dies hängt neben der gemeinsamen Sprache damit zusammen, daß nicht für ein schweizerisches oder ein deutsches, sondern für das deutschsprachige Publikum geschrieben wird.
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