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E-Book

Lesereise Finnland

Das letzte Postamt diesseits des Polarsterns

AutorHelge Sobik
VerlagPicus
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl132 Seiten
ISBN9783711750075
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Früher konnten die Kinder in Lappland mit den Geistern spielen, die Erwachsenen mit den Tieren sprechen, ihre Schamanen zwischen den Welten wandern. Und für manche Menschen ist es in den dünn besiedelten Weiten Nordfinnlands noch heute so. Maarit Paadar ist Samin und erinnert sich an die Zeit, als Mensch und Natur noch eine Einheit bildeten. Diesseits des Polarsterns gab es keine Minuten und Stunden, nur Jahreszeiten - lange dunkle Winter und kurze, dafür lebensfrohe Sommer, wenn die Sonne sogar im Süden des Landes für zwanzig Stunden am Himmel steht. Helge Sobik hat Maarit Paadar in Inari, 350 Kilometer nördlich des Polarkreises, besucht und ihre Geschichte aufgeschrieben. Er berichtet von den letzten Schamanen des Nordens, ist mit Rentierzüchtern in Lapplands Winter unterwegs. Und er besucht den echten Weihnachtsmann in Rovaniemi, wo der alte Herr täglich Sprechstunde abhält und Autogrammkarten signiert. Hightech und größter Wohlstand neben einsamer Wildnis, Weltkultur in der Hauptstadt Helsinki neben Geisterglauben im Norden, rund zweihunderttausend Seen, endlose Wälder und viel Platz bis zum nächsten Nachbarn, aber versorgt von einem flächendeckenden Handynetz - Finnland ist ein großes Abenteuer mit geringem Risiko.

Helge Sobik, 1967 in Lübeck geboren, schreibt Reportagen aus aller Welt und publiziert in zahlreichen Medien. Im Picus Verlag erschienen seine Lesereisen Abu Dhabi, Côte d'Azur, Dubai, Finnland, Kanada, Kanadas Norden, Kanadas Westen, Mallorca, Persischer Golf und Portugal sowie die Reiseminiaturen »Gestrandet« (2024). Helge Sobik war »Reisejournalist des Jahres« 2019, auf Platz zwei des Rankings hat er es bereits mehrmals geschafft. www.sobikpress.com

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Leseprobe
Zwanzig Worte für ein wildes Tier (S. 69-70)

Mit einem Rentierzüchter unterwegs in der Polarkreisregion Nordfinnlands


Langsam nur kriecht an diesem Wintermorgen ein Streifen Tageslicht den Horizont hinauf – erst ein roter Schimmer, dann ein feuriger Schein, bald darauf ein bläuliches, klares Leuchten. Ein mystisch-geheimnisvolles Licht. Ein Licht, bei dem man plötzlich die Kobolde im Wald tanzen sieht. Die Sonne wird nicht höher steigen als die Wipfel der Tannen aus dem Schnee herausragen und dennoch über die Polarnacht siegen. Lappland ist das Land der langen Schatten.

Drei bis vier Stunden lang ist es in und um Rovaniemi direkt am Polarkreis Anfang Dezember noch jeden Tag hell. Drei Tage vor Weihnachten wird die Sonne sich gar nicht blicken lassen: Polarnacht. In Pertti Maununiemis Häuschen duftet es nach frisch geschlagener Kiefer. Die Garderobe ist dreimal so groß wie anderswo. Daunenklamotten brauchen Platz. Im Wohnraum stehen Fernseher und Radio, die Antenne empfängt finnisch-, schwedisch- und englischsprachige Sender. Bei CNN flimmern immer wieder Palmen über die Mattscheibe, während sich am Fenster Eisrosen bilden. Ein kleiner Herd in der Ecke reicht aus, um Tee und Mahlzeiten zu erhitzen.

Die Heizung lässt sich bis auf über dreißig Grad hochfahren, und falls das mal nicht ausreicht, [95]gehört sicherheitshalber eine eigene Sauna zu Perttis Holzhaus. Sie bringt es auf bis zu hundert Grad. Zur Abkühlung reichen ein paar Schritte ins Freie. Pertti Maununiemi stapft in den Schnee hinaus und öffnet seine Daunenjacke. »Ein warmer Tag heute«, ruft er noch, ehe er auf seinem Achtzig-PS-Motorschlitten Richtung Waldsaum davonpflügt. Nur minus acht Grad signalisiert das Thermometer an der Außenwand des Hauses zehn Kilometer vor den Toren von Rovaniemi in Finnisch-Lappland heute.

Ein Morgen, an dem die Nasenhärchen nicht gleich beim ersten Durchatmen im Freien festfrieren. Fremde aus wärmeren Breiten bleiben dennoch lieber dick vermummt. In der schneesicheren Zeit von Anfang November bis Ende April fällt die Temperatur hier direkt am Polarkreis auf bis zu minus dreißig, minus fünfunddreißig Grad. Dem fülligen Pertti, geboren 1960, mit seinem herzlichen Lachen wie ein Erdbeben der Stärke sechs Komma zwei auf der Richterskala macht das alles nichts aus. Er liebt die Kälte, den Schnee. Er arbeitet bei Wind und Wetter im Freien und düst mit seinem Schlitten mit hundertsechzig Stundenkilometern theoretischer Spitzengeschwindigkeit jedes Jahr Tausende Kilometer weit durch den Winter zu seiner Herde draußen in der Wildnis. Pertti macht den härtesten Job, den Finnland zu vergeben hat.

Er ist Rentierzüchter – und das ist selbst in Lappland ein aussterbender Beruf, der traditionell innerhalb der Familie Generation [96]für Generation auf den ältesten Sohn übergeht. Den Job kann man nicht lernen, man wird von klein auf dazu erzogen, wächst in ihn hinein. Hat der Sohn kein Interesse, wird die Rentierherde verkauft. Perttis einziger Sohn ist elf Jahre alt und im vorletzten Sommer zusammen mit seinem Papa das erste Mal über Wochen draußen bei der Herde gewesen. Pertti ist stolz darauf und macht sich seitdem ernsthafte Hoffnungen, dass sein Sohn einmal in seine Fußstapfen treten und den Job des Rentierzüchters übernehmen wird.
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