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E-Book

Wie das Krokodil zum Fliegen kam

120 Geschichten, die das Leben verändern

AutorAdrian Hürzeler, Katharina Lamprecht, Martin Niedermann, Stefan Hammel
VerlagERNST REINHARDT VERLAG
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl188 Seiten
ISBN9783497611409
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Streitende Elfen, unzufriedene Kakteen, eine traurige Nixe, ein zu zähmender Drache, das Loch im Schweizer Käse, ein Krokodil, das fliegen lernt: 120 therapeutisch bewährte Geschichten aus der Welt der Fantasie und des Alltags laden ein, sich auf die Reise zu machen - und das Leben mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Menschen auf der Suche nach neuen Wegen finden in den humorvollen und optimistischen Geschichten Anregungen, schwierige Situationen anders anzugehen. Unerwartete Pointen lenken den Blick auf unbeachtete Lösungswege und helfen, Sorgen und Belastungen von einem neuen Blickwinkel aus zu betrachten und anders zu bewerten. Dabei knüpfen sie an verschiedene Lebensbereiche wie Beruf, Freizeit, Jugend und Alter, Gesundheit, Sinnerleben, Partnerschaft und Alleinsein an.

Katharina Lamprecht, Bruchköbel bei Frankfurt a. M., ist Heilpraktikerin
für Psychotherapie, Coach und Erzählerin mit eigener Praxis.
Weitere Informationen zur Autorin finden Sie unter www.mentalpotential.de.Stefan Hammel arbeitet als Klinik- und Psychiatriepfarrer, Kinder-, Familien-
und Hypnotherapeut sowie als Ausbilder für Psychotherapie und
leitet das Institut für Hypnosystemische Beratung in Kaiserslautern.
Weitere Informationen zum Autor finden Sie unter
www.stefanhammel.de und www.hsb-westpfalz.de.Adrian Hürzeler, Reinach / Schweiz, ist selbstständiger Coach und Achtsamkeitstrainer
mit eigener Praxis für Persönlichkeits- und Führungsentwicklung.
Weitere Informationen zum Autor finden Sie unter
www.solutionsteps.ch.Martin Niedermann, Bern / Schweiz, ist Geschichtenerzähler, Coach und
Dozent. Auftritte in verschiedenen Formationen mit Musik, Liedern und
Geschichten.
Weitere Informationen zum Autor finden Sie unter
www.redensart.ch.

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Leseprobe

2  Gesundheit entdecken

In der Hypnosetherapie werden Metaphern, Parabeln, Fabeln und Beispielgeschichten verwendet, um Gesundung von ganz unterschiedlichen Beschwerden zu erreichen, etwa von Schmerzen, Bluthochdruck, Allergien, Asthma, Tinnitus, Warzen, um nur einige zu nennen (Hammel 2009a, b). Wenn das unter Hypnose möglich ist, warum sollte man therapeutische Geschichten nicht auch in vergleichsweise wacheren Zuständen nutzen, um Heilung zu fördern? In Trance sind wir allemal, wenn wir einer Geschichte folgen. Zur Verstärkung könnte auf suggestivem Wege eine Erwartungshaltung unserer Leser und Hörer dahingehend geschaffen werden, dass die Geschichte eine therapeutische Wirkung „wie bei einer Hypnose“ haben kann, sodass die innere Suche nach den therapeutischen Wirkungen diese dann tatsächlich hervorbringt.

Die folgenden Geschichten sind schwerpunktmäßig für somatische Anliegen konzipiert, oftmals aber auch für mehr „psychisch“ oder „sozial“ assoziierte Ziele geeignet.

Der Leibwächter

Aggression, Allergie, Ängste, Borderline, Essstörung, Partnerschaft, Rauchen, Respekt, Schmerzen, Stottern, Sucht

„Ich glaube“, so sage ich manchmal zu Klienten, „Ihre Angst ist wie ein Leibwächter, der auf Sie aufpasst, damit etwas, was Ihnen früher passiert ist, Ihnen nicht wieder zustößt. Sie hat eine sehr gute Absicht mit Ihnen. Sie hat nur eine Strategie gefunden, die nicht so wirklich funktioniert und vielleicht sogar das Gegenteil des Erwünschten bewirkt.“ In anderen Fällen sage ich vielleicht: „Ihr Ärger“, „Ihre Konfusion“, „Ihr Stottern“ oder „Ihre Essstörung“. Ich könnte sagen: „Ihre Skepsis gegenüber Heilung und Glück kommt mir vor wie jemand, der Sie vor Enttäuschung beschützen will. Was meinen Sie: Ist dieser Jemand vielleicht selbst früher enttäuscht worden? Allerdings merkt er vielleicht nicht, dass er mit dem Mittel, mit dem er Enttäuschung zu verhindern sucht, trotz bester Absichten versehentlich gerade die Art von Enttäuschungen fördert, vor denen er Sie schützen will.“ Einem Raucher würde ich sagen: „Ich weiß nicht, ob Ihr innerer Raucher Sie belohnen oder trösten möchte, ob er Ihnen Pausen gönnen oder Sie beruhigen will, ich bin mir aber sicher, dass er etwas Gutes für Sie will. Sie können dem Raucher in Ihnen ausrichten: Diese Dinge und alles, was dazu passt, will ich auch für Sie. Außerdem weiß ich, dass er stärker ist als ich. Darum will ich nichts gegen ihn, sondern nur etwas mit ihm tun. Fragen Sie Ihren inneren Raucher doch einmal, ob es recht ist, wenn ich ihm helfe, das, was er bisher schon tut, noch besser zu tun, nur ohne die bisherigen Nebenwirkungen, also ohne Nikotinabhängigkeit und Gesundheitsschäden, ohne ein schlechtes Vorbild zu sein für die Kinder und ohne so viel Geld auszugeben. Ist Ihrem inneren Raucher das recht?“ Ich könnte auch fragen: „Ist es dem Leibwächter, der dafür sorgt, dass Sie nicht wieder so traumatisiert werden, recht, wenn ich ihm zeige, wie er nur die Ursprungssituation, um die es wirklich geht, zu fürchten braucht, und nicht die vielen Situationen, bei denen gar keine Gefahr besteht? Wir könnten ihm dann beibringen, seine Arbeit noch besser zu machen und am Ende sogar Energie übrig zu haben.“ Die Erfahrung sagt: Die Leibwächter meinen es gut. Wenn man versucht, sie zu verjagen oder zu bekämpfen, weichen sie nicht vom Fleck und passen sogar noch besser auf. Wenn man sich aber auf die Seite der Leibwächter stellt und sich für ihre Interessen einsetzt, sind sie hilfreiche Partner, die schnell und gerne Neues lernen und alles dafür tun, dass es ihrem Schützling besser geht.

Im inneren Theater der Selbstgespräche und vorgestellten Gespräche mit anderen Menschen gibt es oftmals Beleidigungen und aggressive Handlungen. Beschimpft wird der Körper für seine Schmerzen, die Angst, durch die wir bestimmten Situationen auszuweichen suchen, oder die allzu hässlichen Worte, mit denen wir andere Menschen belegen. Wir können Respekt und Wertschätzung in diese inneren Gespräche bringen, wenn wir unterstellen, dass alle unsere Gedanken und Handlungen, all unser Erleben und Erleiden eine gute Absicht verfolgt – wenngleich die Strategien unseres Organismus manchmal ungeeignet sind, um sein Ziel, uns zu schützen und zur Entfaltung zu verhelfen, umzusetzen. Was der Organismus zu verhindern sucht, erzeugt er zuweilen ganz versehentlich. Dann fühlt er sich darin bestätigt, dass die Gefahr tatsächlich besteht und tut mehr desselben. So funktionieren Allergien und Phobien, so entstehen aber auch Paarkonflikte und Kriege zwischen Völkern. Das heißt, dass Mediationstechniken, die zur Beilegung von Konflikten zwischen Menschen nützlich sind, auch für die Heilung körperlicher und seelischer Störungen eingesetzt werden können – und dass eine Kommunikation, die geeignet ist, körperliche und psychische Probleme zu reduzieren, in entsprechend angepasster Weise auch zur Überwindung gesellschaftlicher und globaler Probleme beitragen kann.

Ohne Haare

Allergie, Haut und Haar, Perfektionismus, Perspektivwechsel, Werte

Wir sind auf dem Weg in den Urlaub. Bevor wir das Haus verlassen, knuddeln wir noch mal fix Krümel, unsere Katze.

Auf dem Bahnhof sehe ich, dass die neuen, topmodischen Klamotten meines Sohnes voll mit ihren Haaren sind und beginne, sie abzuzupfen.

„Mama, was soll das?“, fragt mein Sohn genervt und antwortet auf meine Erklärung mit großer Selbstverständlichkeit, „Aber Mama, ohne Katzenhaare ist man nicht richtig angezogen!“

Menschen, die unter Allergien leiden, sehen sich häufig als Opfer der Pollen und Allergene. Diese Geschichte erleichtert es besonders Kindern, eine Umdeutung vorzunehmen und den Fokus von „schlecht“ auf „gut“ zu legen.

Regelohren – Ohrenregeln

Arbeitsorganisation, Balance, Mobbing, Schwerhörigkeit, Teamarbeit, Tinnitus

Gestern besuchte mich ein alter Schulfreund. Er ist Tontechniker und arbeitet oft in großen Konzertsälen. „Cooler Job“, sagte ich, „da stehst du doch lediglich in der Mitte an einem großen Mischpult und schiebst ein paar Regler hin und her, oder?“

„Genau“, antwortete mein Freund, „ist im Grunde ganz leicht. Du musst nur genau darauf achten, dass du alle Töne abmischst, die hohen und die tiefen und die mittleren. Und du musst aufpassen, was die Musiker gerade spielen, damit du die Stimmung des Stückes auch gut einfangen kannst. Also mal die tiefen Töne mehr einblenden. Oder aber eben ausblenden. Du musst gut justieren können, die Lautstärke rauf- und runter regeln, mal verstärken, mal abschwächen. Je nachdem, was du hören willst. Und du musst auf die Umgebungsgeräusche oder auf die anderen Instrumente achten, wenn zum Beispiel ein Solo gespielt wird. Dann will man ja das besonders gut hören und nicht die Begleitmusik dazu, die kann man dann etwas ausblenden. Du musst flexibel sein, ein guter Ohrentechniker hat natürlich die ganze Umgebungs-Geräuschkulisse im Ohr. Meine Ohren sind inzwischen ziemlich selbstständig und manchmal ganz unabhängig voneinander. So kann das linke sich auf andere Töne konzentrieren als das rechte. Oder das eine hört besonders gut den Solisten und das andere die Umgebung, die Begleitmusik. Auch die Lautstärke können sie ganz unterschiedlich einstellen. Es ist, als hätte ich einen eigenen kleinen Ton-Mann im Ohr, der an meinem inneren Mischpult steht. Der fängt die äußeren Signale auf und reguliert meine Ohren dann ganz eigenständig. Ich verlasse mich da ganz auf meine innere Mannschaft.“

Wir saßen auf meiner Terrasse und ich hatte meinem Freund sehr aufmerksam zugehört. Und während einer Gesprächspause war es mir plötzlich, als wäre das Zwitschern der Vögel viel lauter geworden und die Straße und Nachbarn viel leiser. Offenbar habe auch ich einen fähigen inneren Ohrtontechniker.

Diese Geschichte hat zum einen unmittelbar mit dem Zuhören zu tun und spricht zum anderen durch ihren Inhalt das Unbewusste an. Menschen, die schlecht hören, schildern häufig, dass sie manches sehr gut, anderes wieder kaum hören können. Statt also mit hypnotischen Suggestionen auf eine Lösung des Problems zu zielen, wird hier ein Angebot an das autonome System gemacht, die Ohrgeräusche eigenständig zu variieren und zu regeln. Eine mögliche Erwartungshaltung dahingehend, alles hören zu können, hält sich daher die Waage mit der Neugier, was sich alles verändern kann.

Die Vorstellung

Balance, Schwindel, Sicherheit, Vertrauen, Wahrnehmung

Eines Tages kam der Zirkus in die Stadt. Alle waren aufgeregt, sie lachten, riefen „Der Zirkus ist da!“ und planten den abendlichen Besuch. Nachmittags liefen die Kinder zu der großen Wiese vor der Stadt, auf der die Zirkusleute sich niedergelassen hatten, und schauten mit großen Augen zu, wie sie Zelte aufbauten, ihre Wäsche wuschen, sie auf Leinen zwischen den Wohnwagen aufhängten und Pferche für die Tiere errichteten.

Unter den Kindern war auch die kleine Inge. Sie war vielleicht neun oder zehn Jahre alt, mit langen blonden Zöpfen, schmalem Körper und übergroßen Augen, die alles um sich herum aufzunehmen suchten. Die kleine Inge liebte den Zirkus. Dies war nicht der erste, den sie sah. Immer wenn einer in ihrer Stadt gastierte, überredete sie ihre Mutter, am Abend mit ihr in die Vorstellung zu gehen. Sie liebte das hohe Zirkuszelt, die vielen unterschiedlichen Geräusche und Gerüche, die fremden Sprachen und das Lachen, das aus den Wohnwagen immer wieder zu hören...

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