Vorwort
Betrachtet man in einem Zeitraffer die demographische Entwicklung der Menschheit von der Mittleren Altsteinzeit bis heute, so ergibt sich folgendes Bild: Vor 100.000 Jahren, als auf dem afrikanischen Kontinent eine extreme Dürre herrschte, lebten auf der Erde etwa 2 – 3 Millionen Menschen der Unterart Homo sapiens sapiens, auch anatomisch moderner Mensch genannt. Als Jäger und Sammler existierten sie vor 40.000 bis 10.000 Jahren in kleinen, beweglichen Gruppen, die über ein weiträumiges Kommunikationsnetz miteinander verbunden waren.
Am Ende der letzten Eiszeit vor 10.000 Jahren entwickelten zuerst einige Gruppen des anatomisch modernen Menschen im Vorderen Orient neue Überlebensstrategien in Form von Ackerbau und Viehzucht. Weitere Gruppen in anderen Regionen der Erde folgten unabhängig davon. Diese neuen Lebensstrategien ermöglichten die Sesshaftwerdung. Die Menschen wurden territorial und nutzten die Umwelt viel intensiver. Dadurch stieg die globale Population auf bis zu 20 Millionen Menschen an. Die sesshafte Lebensweise, die sich über einen relativ großen Zeitraum allmählich entwickelt hatte, bewirkte im Neolithikum (Jungsteinzeit) viele Veränderungen im sozialen Bereich („Neolithische Evolution“).
Die Größe der Weltbevölkerung vor 2.000 Jahren schätzt man auf 170 bis 400 Millionen Menschen. Im Jahr 1750, dem Maximum der agrikulturellen Phase, umfasste die Weltbevölkerung etwa 750 Millionen Menschen. Im Zusammenhang mit der Industriellen Revolution (ein relativ schnell erfolgender Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft) stieg 1850 die Anzahl der Menschen auf der Erde auf 1,26 Milliarden an. Als der Autor dieses Buches im Februar 1942 geboren wurde, war er der 2.337.062.674ste Erdenbürger. Im Jahr 2019 umfasst die Weltbevölkerung 7,71 Milliarden Menschen.
In allen angesprochenen kulturhistorischen Zeiträumen wurden die Menschen in ihrer Entwicklungsgeschichte entscheidend beeinflusst, was sich auch auf ihr Verhalten auswirkte. Als frühzeitliche Jäger und Sammler konnten die Menschen ihre Umwelt optimal nutzen, ohne dauerhafte Spuren zu hinterlassen. Mit der Sesshaftwerdung hinterließen die Menschen oftmals Spuren, die von der Natur nicht mehr beseitigt werden konnten. Im Zusammenhang mit der Urbanisierung in kultur-technisch modern ausgerichteten Sozialverbänden ist ein bedeutender sozialer Wandel eingetreten. Dies zeigt sich besonders in Rechtssystemen und in bürokratischen Hierarchiemustern. Im Hinblick darauf ist eine legale, aber unpersönliche und bürokratische Kontrolle der Mitglieder in den Sozialverbänden wirksam. Inzwischen haben sich weltweit „Mega-Sozialverbände“ entwickelt, in denen die sozialen Balance- und Kontrollmechanismen in der Anonymität städtischer Massengesellschaften kaum noch funktionieren. Historisch gesehen ist eine kontinuierliche Zunahme des Anteils der Stadtbevölkerung festzustellen. Im Jahr 2008 lebten weltweit erstmals in der Menschheitsgeschichte mehr Menschen in Städten als auf dem Land.
Dass in der Kulturgeschichte des Menschen Bauern mit ihrer Arbeit in der Landwirtschaft und handwerkliche Tätigkeiten die Grundlage dafür schufen, dass Städte wachsen und Kulturen sich entfalten konnten, wird im ersten Buchkapitel „Zurück zu den familiären Wurzeln“ anhand ausgewählter Beispiele aufgezeigt. Die Erfahrung zeigt, dass sich in der dichten Atmosphäre der Städte die kulturelle Entwicklung sehr schnell beschleunigt. Diese Wohn- und Lebensbereiche werden immer mehr zum „Anziehungsmagneten“ für Menschen aus der ganzen Welt.
Das Thema „Der Erste Weltkrieg und seine Folgen“ im zweiten Buchkapitel spricht die erste militärisch geführte globale Auseinandersetzung in der Menschheitsgeschichte an, die von 1914 bis 1918 in Europa, im Nahen Osten, in Afrika, Ostasien und auf den Ozeanen ausgeführt wurde. Der Erste Weltkrieg war der Nährboden für den Faschismus in Italien, den Nationalsozialismus in Deutschland und wurde so zum Vorläufer des Zweiten Weltkrieges. Auf Grund der Verwerfungen, die durch den Ersten Weltkrieg in allen Lebensbereichen entstanden, und seiner bis in die jüngste Vergangenheit nachwirkenden Folgen betrachtet man ihn als die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ (George F. Kennan). Der Erste Weltkrieg markierte das Ende des Hochimperialismus. Im Zusammenhang mit „Krieg“ ist folgende Erkenntnis bemerkenswert: Der Krieg als destruktive, mit Waffen geführte und strategisch geplante Gruppenaggression ist ein Ergebnis der kulturellen Entwicklung. Krieg kann daher auch kulturell überwunden werden. Der Krieg ist nicht in unseren Genen verankert. Er hat jedoch insofern mit den Genen zu tun, als er die Eignung (Fitness, gleichbedeutend mit Fortpflanzungserfolg) der Sieger fördert. Der Mensch ist seiner Motivationsstruktur nach zweifellos friedensfähig. Will man den Frieden, dann muss man allerdings zur Kenntnis nehmen, dass der Krieg Funktionen wie jene der Ressourcensicherung und Erhaltung der Gruppenidentität erfüllt, die es dann auf andere, unblutige Weise zu erfüllen gilt. Aus soziobiologischer Sicht werden Kriege nicht so sehr durch Aggressivität sondern mehr durch ein Übermaß an Hingabebereitschaft des Menschen ermöglicht. Dies lässt in beeindruckender Weise sein altes Primatenerbe erkennen. Eine weitere Eigenschaft des Menschen, nämlich seine Bereitschaft zur Loyalität wurde schon immer zu politischen Zwecken missbraucht. Diese angesprochene Neigung ist eine weitere Erklärung für die Mobilisierbarkeit von Menschen zum gemeinsamen Kampf.
In dem dritten Buchkapitel „Auf dem Weg zum Zweiten Weltkrieg“ wird die Erfahrung eines Kriegsteilnehmers dokumentiert, der die Invasion 1944 in der Normandie und die letzten Kriegswochen in Norditalien miterlebt hat. Im Mai 1945 geriet er in britische Kriegsgefangenschaft. Der Zweite Weltkrieg, der von 1939 bis 1945 geführt wurde, war der zweite global geführte Krieg sämtlicher Großmächte des 20. Jahrhunderts und stellte den größten militärischen Konflikt in der Geschichte der Menschheit dar. Er bestand in Europa aus Blitzkriegen, Eroberungsfeldzügen gegen die deutschen Nachbarländer mit Eingliederung eroberter Gebiete, der Einsetzung von Marionettenregierungen, Flächenbombardements sowie im letzten Kriegsjahr dem wiederholten Einsatz von Atomwaffen in Japan (Hiroshima und Nagasaki).
Das im vierten Buchkapitel „Kriegsgefangenschaft – Zukunft ungewiss“ erwähnte Kriegsgefangenenlager Bellaria bei Rimini in Italien war im Mai 1945 für die kapitulierenden Soldaten der deutschen Wehrmacht durch die britische Armee und die US-Armee eingerichtet worden. 1947 wurde das Lager nach Entlassung der Kriegsgefangenen (POWs, „Prisoners of War“) wieder aufgelöst.
Die Nachkriegszeit in Deutschland, die thematisch im fünften Buchkapitel „Überlebensstrategien in der Nachkriegszeit“ behandelt wird, war sehr oft von Hunger und Mangel an Gütern aller Art gekennzeichnet. Sie stellte die Bevölkerung vor hohe Herausforderungen.
Das sechste Buchkapitel „Für das Können ist Handeln der beste Beweis“ widmet sich dem Thema Kunst, speziell der Malerei. Im Mittelpunkt steht die informelle Malerei einer Künstlerin aus dem 20. Jahrhundert, die sich in vielseitigen Ausdrucksformen widerspiegelt und das deutliche Ergebnis ausgedehnter Reflexionen ist. Denn das, was Menschen mit den Händen schaffen, ist ein Ausdruck geistiger Vorgänge. Der Philosoph Immanuel Kant hat es so formuliert: „Die Hand ist das äußere Gehirn des Menschen.“
Bemerkenswert ist, dass die ältesten Belege der Malerei in der Menschheitsgeschichte Höhlenmalereien aus der letzten Eiszeit und aus dem Jungpaläolithikum sind. Interessanterweise sind Malereien in drei spanischen Höhlen mit einem Alter von 65.000 Jahren BP auf Neanderthaler zurückzuführen. Kunstwerke von Menschen belegen eine intensive intellektuelle Auseinandersetzung von ihnen mit der Welt (nach Wikipedia: „Gesamtheit der bezogenen Objekte und als Ganzes der geteilten Beziehungen“). Sie sind ein Ausdruck eines reichen spirituellen Lebens.
Das siebte Buchkapitel „Solange man lernfähig bleibt“ setzt sich mit dem Alltagsleben heutiger Menschen auseinander – allerdings unter dem Gesichtspunkt einer humorvollen aber auch nachdenklichen Betrachtungsweise. In der Alltags-Realität lässt sich allerdings immer wieder beobachten, dass das Leben von Menschen in den modernen Gesellschaftsformen und in einer technisierten Umwelt vielfach extreme soziale Lebensformen zeigen: Allein sein („Single-Dasein“), anonymes Leben, oberflächliche soziale Kontakte, soziale Kontakte auf der Grundlage der telekommunikativen Technik, Patchwork-Familien. Die Dauer und Reihenfolge unterschiedlicher Tätigkeiten im Alltag werden oft vorgeschrieben. Bürokratische Hierarchiemuster verhindern vorteilhafte Adaptationen der Sozialsysteme gegenüber sich verändernden gesellschaftspolitischen Bedingungen. Viele Menschen fühlen sich durch die Anforderungen ihrer sozialen Umwelt gegenüber überfordert. Trotz allem wird nicht nur in der Gegenwart sondern auch in der Zukunft eine fundierte Bildung für die Menschen überlebensnotwendig sein. In Verbindung damit ist lebenslanges Lernen erforderlich. Aber man muss sich auch immer wieder bewusst machen, dass es die „Affennatur“ ist, die die Besonderheiten des Menschen ausmacht. Jürgen Lethmate bringt es folgendermaßen auf den Punkt: „Der Mensch ist körperlich, sozial-emotional und geistig nur als Produkt der Primatenevolution zu begreifen.“
Im achten Buchkapitel wird der Frage nachgegangen: „Wohin gehen wir?“ Der Mensch als „Homo technicus“ bzw. „Homo digitalicus“ neigt dazu, seinen kulturellen Fortschritt stets als technischen Fortschritt darzustellen. Jedoch: Ohne technische Ausrüstung...