Sonder-Kapitel:
6.829 Softwarelösungen für
Digitales Marketing
Was für eine wahnsinnige Grafik! Betitelt haben wir sie vor einigen Jahren mit Martech 5000. Auch wenn mir diese Bezeichnung vom Klang her gefällt – sie reimt sich irgendwie auf Fortune 500 und Inc. 5000 –, ist sie ja unzutreffend. Letztes Jahr hat die Szene schon 6 829 Lösungen überschritten.
Legende: Die Grafik zeigte die Marketing Technology Landscape mit über 6.000 erhältlichen Software-Lösungen für Digital Marketing per April 2018
Seit ich mit diesem Projekt angefangen habe, ist die Martech-Szene jedes Jahr in zweistelligen, oder ursprünglich sogar auch dreistelligen, Raten gewachsen. In der 2017-Ausgabe gab es 39 % mehr Lösungen als 2016. 2018 führte sie 27 % mehr auf als 2017. Ihr Wachstum wird langsamer, es dürfte unvermeidlich eine Art Gesetz der grossen Zahlen eingetreten sein. Wenn Sie aber tausende von Lösungen als Ausgangsbasis haben, dann bleibt ein zweistelliges Wachstum immer noch ziemlich gewaltig.
In der 2019 Marketing Technology Landscape Supergraphic kommen wir nun auf 7’040 Lösungen. Um Ihnen eine Perspektive zu verschaffen, können Sie unten sehen, wie sich dieses Projekt im Laufe der letzten 8 Jahren entwickelt hat. Die Grafik zeigt die Entwicklung der Anzahl Marketing-Softwarelösungen von 2011 bis 2019 – von 150 auf 7.040 Produkte innerhalb von 8 Jahren.
Was aber für mich besonders interessant wird, ist die Explosion von Martech-Apps, deren Entwicklung drei Trends hinter dem zweiten Goldenen Martech-Zeitalter zugrunde liegen: Ecosystems, Experts, Engineers.
Legende:
Ecosystems - Ökosysteme
Experts - Experte
Engineers - Ingenieure
First Golden Age of Martech – Erstes goldenes Martech-Zeitalter
Second Golden Age of Martech – Zweites goldenes Martech-Zeitalter
suite vs. best-of-breed – Paket vs. Bestens seiner Art
software vs. services – Software vs. Dienstleistungen
build vs. buy – Bauen vs. Kaufen
platform ecosystems – Plattform-Ökosysteme
blended models of software & services – Software verschmelzt mit Dienstleistungen
custom apps & ops on a common core – massgeschneiderte Apps und Operationen mit gemeinsamen Kern
Jeder dieser Trends, und zwar der Ausbau von Plattform-Systemen, die Verschmelzung von Software mit Dienstleistern und der Aufstieg von OpenSource-Plattformen, bringen ganze neue Galaxien von Martech-Apps zur Welt.
Aus den wichtigsten Marketingpakete dürften echte Marketing-Plattformen mit immer wie mehr offenen APIs und offiziellen Markplätzen für Apps von Drittanbietern entstehen. Hier nur einige Beispiele für Marktplätze von MartTech-Ökosystemen mit jeweils Hunderten von Apps:
- Salesforce, Adobe, Oracle, HubSpot, Shopify, Microsoft, G Suite
Während viele der Produkte, die in diesen Ökosystem-Marktplätzen aufgelistet sind, zu unserer Marketingtechnologie-Szene gehören (vor allem jene, die über mehrere Marketing-Plattformen hinweg funktionieren), werden immer wie mehr davon eigens für das Ökosystem einer einzigen Plattform gebaut. Ausserhalb dieser Ökosysteme sind sie nicht so einfach zu entdecken, aber innerhalb davon können sie Apps sein, die in ihren jeweiligen Gemeinschaften sehr beliebt sind. Und einige von diesen Gemeinschaften sind ziemlich gross.
Als Beispiel dient OrgChartHub, ein Produkt, das eigens für die HubSpot-Plattform entwickelt wurde. Um zu begreifen, was der äussere Rand des Ökosystem-App-Spektrums bedeuten kann, beachten Sie, dass es über 54.000 WordPress-Plugins gibt, die speziell für WordPress entwickelt wurden. Jedes dieser Plugins ist eine Art Martech-Mini-App (einige davon haben schon ein ziemlich grosses Ausmass). Falls Sie Wordpress nicht kennen: es ist mit Abstand der wichtigste «Webseiten-Baukasten» der Welt mit zehntausenden von Kunden.
(Quelle Blog) Legende: Wordpress bietet über 54.000 Plugins an
Ich bin mir nicht ganz sicher, wie viele davon von unserer Martech-Szene fernbleiben, aber mathematisch betrachtet, gibt es von den Wordpress Plugins mehr als 47.840 Stück. Vergessen Sie Martech 5.000 - sind Sie bereit für Martech 50.000?
Nun sage ich nicht, dass alle diese Martech-Apps und Plattformen gleich sind. Zwischen einem grossen Marketingplatt-form-Unternehmen wie Adobe und einem WordPress-Plugin wie Social Warfare besteht ein Unterschied gemessen in vielen Grössenordnungen.
Dies ist jedoch auf gar keinen Fall ein Tiefschlag gegen Social Warfare. Eigentlich habe ich diese App soeben auf diesem Blog installiert und bin von diesem Produkt ganz und gar begeistert. Man braucht nicht ein 120 US Dollar-starkes, börsenkotiertes Unternehmen zu sein, um mich als Kunden zu erfreuen! Marketingtechnologie ist aus der Sicht der Verteilungskurve gesehen, ein langer, langer, laaaanger «Tail» («Schwanz»). Die Grafik zeigt auf, welche App welche installierte Basis hat, also wie viele Kunden:
Legende: size of install base – Grösse der installierten Basis
10’s of platforms in the „head“ – Dutzende von Plattformen im „Kopf“
100’s of category leaders in the „torso“ – Hunderte von Kategorienführern im „Oberkörper“
1,000’s of specialist apps and components in the „long tail“ – Tausende von spezialisierten Apps und Bausteinen im „langen Schwanz“
10,000’s of ecosystem citizen apps in the „long, long tail“ – Zehntausende von OpenSource-Apps im „langen, langen Schwanz“
the long tail of marketing technology – der lange Schwanz der Marketing-Technologie
Diesem ganzen Kontinuum entlang florieren nützliche Martech-Apps. Im Kontext betrachtet, hat jede für die Vermarkter, die sich ihrer bedienen, ihren Wert und Nutzen, wie breit angelegt bzw. spezialisiert sie auch immer sein mögen. In der Tat ist das eines der überzeugendsten Argumente dafür, dass die wichtigsten Marketingplattformen eine offene Ökosystem-Strategie ergreifen sollten: die prächtige Vielfalt spezialisierter Apps, die auf dieser Grundlage doch blühen könnten.
Das Magische ist, dass sich die Energie und Intelligenz der Ingenieurteams verschiedener Plattformfirmen mit der Energie und Intelligenz von hunderten oder tausenden von einfallsreichen Entwicklern von Dritt-Apps multipliziert. Dieser massiv verteilte Innovationsmotor dient Myriaden von Bedürfnissen und Wünschen über verschiedene Kunden hinweg.
Die Verschmelzung von Software mit Dienstleistungsmodellen ist eine andere reiche Quelle von Martech-Apps, deren Katalogisierung uns die grössten Schwierigkeiten bereitete. Grosse Beratungsfirmen wie Deloitte, Accenture und PwC haben nun alle ihre eigenen Martech-Produkte, wodurch dem Modell Glaubwürdigkeit verliehen wird. Viele Martech-Apps, die Dienstleistungen erbringen, kommen aber auch von kleineren Firmen.
Ein gutes Beispiel ist die Firma Blue Green mit ihrem Produkt Blue Green Analytics, die für die diesjährige Innovation des Jahres gesorgt hat. Mit ihrer Erfahrung im Bereich der Konversionsoptimierung konnte sie als Dienstleisterin eine Lücke im Universum von Martech-Werkzeugen finden, die sie dann so einzigartig gefüllt hat. Und da dieses Plugin zu den wichtigsten Marketingplattformen passt, fällt es auch Kunden leicht, es zu übernehmen.
Schliesslich gibt es die Kategorie der Martech-Massenanwendungen, also der Apps, die Nicht-Entwickler anhand von Plattformen mit wenig oder gar keinem Code kreieren können. Zu meinen Favoriten gehört Airtable: Wenn man mit einer Tabellenkalkulation arbeiten kann, dann kann man auch eine Martech-App bauen. Sicher.
Diese Demokratisierung der Entwicklung in der Marketingtechnologie erhöht die Anzahl von Menschen stark, die Martech-Apps erstellen können. Es können folglich viel mehr Martech-Apps produziert werden, auch wenn sie verhältnismässig klein sind und einer hochspezialisierten Funktion dienen.
Nun könnten Sie sagen: „Na ja, Scott, aber es sind nur kleine, massgeschneiderte Apps, die für den Gebrauch in einer einzigen Organisation entwickelt wurden. Anderen Vermarktern stehen sie doch nicht zur Verfügung.“
Ah, nicht so schnell. Denn aus vielen dieser Plattformen mit wenig oder gar keinem Code sind schon Marktplätze entstanden, auf denen die Benutzer die von ihnen entwickelten Apps bereitstellen und manchmal auch verkaufen können. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist Airtable Universe:
Der lange, lange Schwanz der Martech-Apps ist inzwischen noch länger geworden.
So glaube ich, dass man mit Sicherheit sagen kann, dass man noch nicht einmal an den «Marktech-Höhepunkt» gelangt ist. Die Wahrheit ist, dass sich das...