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Schulschwierigkeiten: Störungsgerechte Abklärung in der pädiatrischen Praxis

AutorRomedius Alber, Thomas Baumann
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl286 Seiten
ISBN9783456948713
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis25,99 EUR
Für viele Kinder und Jugendliche bedeutet die Schule Dauerstress, weil sie die Leistungsvorgaben nicht erreichen oder in der Gruppe nicht aufgenommen werden. Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich, und im Familienalltag äußern sich die Schulschwierigkeiten ebenso mannigfaltig als Leistungs- oder Verhaltensstörung. «Kann oder will es nicht?» ist dann häufig die Hauptfrage der Eltern – oder liegt die «Störung» auf Seiten der Schule? Fast jeder Verwandte und Bekannte weiß sofort einen Rat, wie man dem Kind helfen könnte.
Kinderärzte und -psychiater bemühen sich seit Jahrzehnten, Normvarianten in der Entwicklung und Störungsbilder zu definieren und diagnostisch voneinander abzugrenzen. Zunehmend klärt sich, welche körperlichen Erkrankungen oder Hirndysfunktionen mit welchen Schwierigkeiten verbunden sind. Gleichzeitig können aber auch wissenschaftliche «Modeströmungen» beobachtet werden, sodass Kinder mit derselben Verhaltensauffälligkeit zu verschiedenen Zeiten verschiedene Diagnosen bekommen – auch wenn dadurch weder das Verständnis besser wird noch der Therapieansatz gezielter.
In dieser Situation liefert dieses Buch «Nachhilfe» und Orientierung für Kinderärzte. Der Pädiater oder Kinderpsychiater soll (wieder) befähigt werden, Kinder mit Schulschwierigkeiten gezielt abzuklären und sinnvolle Maßnahmen einzuleiten. Dazu bietet das Buch einen Überblick im Abklärungsdschungel, beschreibt die häufigsten Formen der spezifischen Lernstörungen und Syndrome und erklärt vereinfacht die Wirkprinzipien der wichtigsten Therapieansätze.

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Kapitelübersicht
  1. Inhalt, Vorwort
  2. 1. Schulschwierigkeiten oder schwierige Schule?
  3. 2. Wie kommt das Kind zum Wissen – und Können?
  4. 3. Medizinische Klassifikationssysteme
  5. 4. Epidemiologie und Geschlechterdifferenz
  6. 5. Das Konzept der Wahrnehmungsstörungen
  7. 6. Testverfahren
  8. 7. Entwicklungsstand und Schulbereitschaft
  9. 8. Die Problematik erkennen und die Abklärung planen
  10. 9. Testpsychologische Abklärung – die «Qual der Wahl»
  11. 10. Schulbereitschaftsuntersuchung
  12. 11. Lernstörungen
  13. 12. Motorische Störungen
  14. 13. Störungskomplexe
  15. 14. Sprach- und Sprechstörungen
  16. 15. Hochbegabung
  17. 16. Psychische Störungen und Erkrankungen
  18. 17. Entwicklung, Lernen und Therapie
  19. 18. Allgemeine Therapieprinzipien
  20. 19. Funktionelle Behandlungen
  21. 20. MedikamentöseBehandlung
  22. 21. Alternative Therapiemethoden
  23. Anhang
  24. Nachwort
  25. Literatur
  26. Sachregister
Leseprobe
Für die meisten Kinder ist die Schule die Berufsschmiede schlechthin, das heißt der Ort, an dem es sich zu beweisen gilt. Je nach Voraussetzungen erreichen sie die vorgegebenen Lernund Verhaltensziele leichter oder schwerer bzw. gar nicht. Nicht wenige Kinder werden im Laufe der Schullaufbahn daher körperlich oder psychisch krank. In der Bundesrepublik verlassen derzeit gut 9% der Hauptschüler die Schule ohne Abschlusszeugnis (Lauth & Mackowiak, 2006). Auch in Realschulen und Gymnasien kommt es häufig zu folgenschweren Abbrüchen der Schullaufbahn. In Reihenuntersuchungen geben 20% der Schüler an, sich den Ansprüchen von Lehrern und Eltern nicht gewachsen zu fühlen (Reihenuntersuchung «Schulstress»). Sie fallen durch schwache, ungleichmäßige oder plötzlich nachlassende Leistungen auf, zeigen Schulunlust/-angst oder andere Störungen im psychischen und körperlichen Bereich: Gefühle von Resignation bis Aggression, motorische Unruhe oder psychosomatische Symptome.

Je nach sozial-psychologischem Hintergrund werden als Begründung pauschale Diagnosen wie «Begabungsmangel», «Faulheit», «Konzentrationsschwäche» ausgesprochen, oder aber es beginnt eine Odyssee an Abklärungen für das Kind, die in konzeptuell diffusen Erklärungen münden. Während bei den einen Vorwürfe, Strafen, Drill, Klassenwiederholung oder voreilig eine Sonderbeschulung eingeleitet werden, versucht man bei den anderen unterschiedlichste Therapiearten, die jeglicher Wissenschaftlichkeit entbehren. In vielen Fällen schieben sich die Schule und Eltern gegenseitig die Verantwortung zu, und die Zuständigkeiten auch der schulnahen Fachpersonen bleiben unklar. Dies ist Ausdruck von allseitiger Ratlosigkeit und hilft nicht wirklich, sondern verschärft oft nur die Situation für das Kind. Die praktische Erfahrung und auch die Fachliteratur zeigen, dass mehr als die Hälfte aller Kinder mit Schulschwierigkeiten bereits früher Auffälligkeiten in ihrer Entwicklung aufwiesen oder aber an körperlichen Erkrankungen leiden, die ihre Wahrnehmung oder aber ihre Hirnleistung beeinflussen (Steinhausen, 2001). Den diesbezüglichen Wissensstand vorangetrieben hat insbesondere die neuro-biologische/-psychologische Forschung der letzten zehn bis 20 Jahre. Diese Forschungszweige führten zur genaueren Differenzierung von einzelnen Störungen und sekundär auch zur Entwicklung von Testinstrumenten. Erwartungsgemäß konnten aber nicht im gleichen Tempo wirksame Therapieansätze aufgezeigt werden.

Als am Thema «Entwicklung» interessierte Kinderärzte sind wir mit dem Thema Schulschwierigkeiten häufig konfrontiert und stellen uns dabei folgende Fragen: Welche Folgen haben Entwicklungsstörungen oder Erkrankungen für die weitere Schullaufbahn? Wie viel Unterstützung kann das Kind von seinem Umfeld, seinen Lehrpersonen einfordern? Was kann der betreuende Kinderarzt dazu beitragen, dass das persönliche und/oder berufliche Schicksal des Kindes nicht durch seine «Behinderung» über die Maßen beeinträchtigt wird?

Der Kinderarzt hat das Kind und seine Familie bereits in der Vorschulzeit begleitet und betreut. Er verfügt über die Grundlagenkenntnisse in den Bereichen Medizin, Entwicklung und Neurologie und ist häufig für die Eltern eine wichtige Vertrauensperson. Die Komplexität der Fragestellung und ungenügende praktische Abklärungsleitlinien hindern ihn aber, sich mutig der Problematik anzunehmen. Dass die Störungen nur in Ausnahmefällen als isolierte Leistungseinbußen auftreten, aber in der Regel als Symptomenkomplexe die diversen Fähigkeiten betreffen, macht ihm die Aufgabe nicht leichter. Er hat nun die Möglichkeit diagnostisch tätig zu sein oder sich eher als Koordinator zwischen Pädagogen, Psychologen und Eltern für das Kind einzusetzen. Damit der Pädiater seine Abklärungen effizienter durchführen und sinnvolle Maßnahmen gezielter vertreten kann, gibt dieses Buch einen Überblick über die häufigsten Störungsbilder bei Schulschwierigkeiten und zeigt ein praxisorientiertes Abklärungsschema dazu auf.

Schulschwierigkeiten gehören, neben den akuten Erkrankungen, zu den häufigen Konsultationsgründen in der pädiatrischen Praxis. Sie äußern sich entweder als spezifische Leistungsoder Integrationsproblematik oder als unspezifische Verhaltensauffälligkeit/ psychische Störung bzw. als psychosomatisches Leiden. Der Kinderarzt ist aus unserer Sicht die geeignete Fachperson, diese Symptome abzuklären und geeignete Maßnahmen einzuleiten.

Schulkinder stehen auf verschiedensten Ebenen unter Druck. Die Gesellschaft hat sich stark und nicht nur zum Vorteil der Kinder gewandelt. Die Ansprüche an die Fähigkeiten des Kindes haben in der Schule stark zugenommen. Ebenso die Ansprüche an die Lehrer. Die ihrerseits stellen normative Ansprüche an ihre Schulkinder, die nicht den biologischen Gegebenheiten der Variabilität entsprechen. Der Versuch der Schule, alle zu integrieren, scheitert ebenso an dieser Variabilität. Die Schule muss lernen, das Kind als Individuum zu akzeptieren und individuell zu fördern. Die Jahrgangsklasse hat in diesem Zusammenhang ausgedient. Die Lehrer sollen befähigt werden, einen individualisierten Unterricht, zum Beispiel mit Team-Teaching, Koedukation, kleineren Schulklassen oder anderen moderneren Formen der Schule zu realisieren. Eine Harmonisierung der Schulen ist nicht nur auf der Ebene der Lehrpläne als auch auf derjenigen des Lehrstils zu suchen. Eine Integration aller Kinder in einer Klasse als Möglichkeit zu sehen, Kosten zu sparen, muss scheitern. Die Kosten dafür bezahlen die Kinder. Der Kinderarzt kann und soll mit seiner Kenntnis der Variabilität der Kinder beitragen, das Umfeld und damit den Fit des Kindes in der Schule zu verbessern. Auch die Ausbildung der Lehrpersonen muss wieder vermehrt biologische Gegebenheiten berücksichtigen. Es ist in diesem Zusammenhang äußerst ungünstig, dass sich die Pädagogik von dem medizinischen Wissen verabschiedet hat bzw. in ihrem Bereich ungenügend berücksichtigt! Es kann und darf nicht sein, dass Kinder mit Schulschwierigkeiten nur mit «Defektdiagnosen» versehen werden, um einem ausufernden Therapieund Förderwahn anheim zu fallen. Der Kinderarzt muss sich hier zum Vorteil der Kinder mit seinem Wissen einbringen! Er soll die Kinder und sein Umfeld abklären, um zu ermitteln, wo der Schuh drückt. Es ist sinnvoll, wenn er Kenntnis von dem im Buch vorgestellten Untersuchungsmöglichkeiten und deren Bedeutung, aber auch deren Grenzen für das Kind kennt. Ein moderner «Schularzt» ist gefragt, der nicht unreflektiert Reihenuntersuchungen durchführt, sondern dafür sorgt, dass das Schulumfeld den Ansprüchen des Kindes gerecht wird.

Die Rolle des Kinderarztes

Die in Kapitel 3 (S. 36) beschriebenen Klassifikationssysteme spiegeln den aktuellen medizinischen Wissensstand wider. Für die akademische und auch die gesundheitspolitische Diskussion sind die Kenntnisse dieser Definitionen unabdingbar, im praktischen Alltag helfen sie allein jedoch wenig: Die Störungen treten in der Regel nicht isoliert und klar voneinander abgrenzbar auf, sondern sind meist kombiniert und ineinander verwoben. Ein Kind mit Rechenstörungen hat beispielsweise oft auch eine Aufmerksamkeitsstörung und gelegentlich zusätzlich motorische Probleme. Der Fokus des Praktikers sollte sich daher auf die individuellen Stärken und Schwächen des Kindes richten. Es ist seine Aufgabe, die spezifischen Schwierigkeiten eines Kindes mit geeigneten Diagnostik-Tools so zu differenzieren, dass es mit einer möglichst gezielten Therapie/Maßnahme nicht in seiner Schullaufbahn behindert wird. Das Spannungsfeld zwischen Erziehung, Pädagogik und Psychologie beinhaltet auch die Gefahr der Instrumentalisierung durch die jeweiligen Auftraggeber. Der Praktiker tut daher gut daran, sich durch regelmäßige Fallbesprechungen mit Kollegen oder aber Super-/Intervision davor zu schützen. Wiederholt muss der Pädiater für sich entscheiden, ob er die Auswahl und korrekte Anwendung der spezifischen Testinstrumente selber lernen oder zumindest Teile der Abklärung an sachkompetente (Neuro-)Psychologen delegieren will. Leider bietet die Grundausbildung zum Facharzt bisher diesbezüglich nur wenig fundiertes Wissen und Können, außer der sich in Ausbildung befindende Pädiater findet einen raren Platz in einer entwicklungspädiatrisch spezialisierten Ambulanz.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Vorwort6
Danksagung6
Teil 1: Theoretische Grundlagen6
1. Schulschwierigkeiten oder schwierige Schule?6
2. Wie kommt das Kind zum Wissen – und Können?6
3. Medizinische Klassifikationssysteme6
4. Epidemiologie und Geschlechterdifferenz6
5. Das Konzept der Wahrnehmungsstörungen6
6. Testverfahren6
7. Entwicklungsstand und Schulbereitschaft6
Teil 2: Praktisches Vorgehen6
8. Die Problematik erkennen und die Abklärung planen6
9. Testpsychologische Abklärung – die «Qual der Wahl»6
10. Schulbereitschaftsuntersuchung6
Teil 3: Störungsbilder6
11. Lernstörungen6
12. Motorische Störungen6
13. Störungskomplexe6
14. Sprach- und Sprechstörungen7
15. Hochbegabung7
16. Psychische Störungen und Erkrankungen7
Teil 4: Therapie7
17. Entwicklung, Lernen und Therapie7
18. Allgemeine Therapieprinzipien7
19. Funktionelle Behandlungen (mit Christina Schulze und Marie-Theres Studer)7
20. Medikamentöse Behandlung7
21. Alternative Therapiemethoden7
Anhang7
Anhang 1: Schulbereitschaftsfragen an die Erzieher und Erzieherinnen im Kindergarten7
Anhang 2: Schulschwierigkeiten-Fragebogen fu?r Eltern7
Anhang 3: Schulschwierigkeiten-Fragebogen fu?r Lehrpersonen7
Anhang 4: Elternfragebogen7
Nachwort7
Literatur7
Sachregister7
Vorwort8
Danksagung11
Teil 1: Theoretische Grundlagen12
1. Schulschwierigkeiten oder schwierige Schule?14
2. Wie kommt das Kind zum Wissen – und Können?25
3. Medizinische Klassifikationssysteme37
4. Epidemiologie und Geschlechterdifferenz46
5. Das Konzept der Wahrnehmungsstörungen51
6. Testverfahren66
7. Entwicklungsstand und Schulbereitschaft76
Teil 2: Praktisches Vorgehen94
8. Die Problematik erkennen und die Abklärung planen96
9. Testpsychologische Abklärung – die «Qual der Wahl»114
10. Schulbereitschaftsuntersuchung121
Teil 3: Störungsbilder138
11. Lernstörungen140
12. Motorische Störungen146
13. Störungskomplexe149
14. Sprach- und Sprechstörungen167
15. Hochbegabung169
16. Psychische Störungen und Erkrankungen172
Teil 4: Therapie180
17. Entwicklung, Lernen und Therapie182
18. Allgemeine Therapieprinzipien187
19. Funktionelle Behandlungen192
20. MedikamentöseBehandlung203
21. Alternative Therapiemethoden219
Anhang238
Anhang 1: Schulbereitschaftsfragen an die Erzieher und Erzieherinnen im Kindergarten240
Anhang 2: Schulschwierigkeiten-Fragebogen fu?r Eltern243
Anhang 3: Schulschwierigkeiten-Fragebogen fu?r Lehrpersonen250
Anhang 4: Elternfragebogen257
Nachwort262
Literatur264
Sachregister278

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