Wie bereits im vorherigen Kapitel erwähnt, beginnt eine erfolgreiche Implementierung eines Kennzahlensystems nicht mit der Festlegung eben solcher Kennzahlen. Paine bringt es mit seinem Buchtitel treffend auf den Punkt:
„Measure what matters“[40]. Umgekehrt verdeutlicht ein Grundprinzip des Controllings: „You can only manage what you can measure.“ Relevante Faktoren kann man nur ermitteln, in dem man sich zuvor Ziele setzt. Genau an diesen Punkt knüpft das strategische Management an, bei dem die Formulierung von Zielen eine tragende Rolle spielt.
Um im Bereich des Social Media Marketings erfolgreich agieren zu können, ist eine Social Media (Marketing) Strategie eine der wesentlichen Erfolgsfaktoren.
Marketingstrategien können sich je nach Unternehmensphilosophie als strategische Führungskonzeption verankern. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Unternehmensstrategie mit der Marketingstrategie gleich gesetzt wird. Dabei werden in der Praxis zwei grundsätzliche Kategorien von Marketingstrategien unterschieden.[41] Zum einen die wettbewerbsorientierten Strategien und zum anderen die kundenorientierten Strategien. Alternativ dazu kann die Marketingstrategie in eine globale Unternehmensstrategie eingebettet werden und stellt somit nur eine von vielen strategischen Komponenten dar.
Wettbewerbsorientierte Strategien haben die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen als vordergründige Zielsetzung. Es geht darum, sich von Konkurrenten am Markt abzusetzen und entsprechende Nutzenvorteile für den Kunden zu generieren. Entsprechend den Ansätzen von Porter kann ein Unternehmen die Strategie der Kostenführerschaft oder die Differenzierungsstrategie bevorzugen.[42]
Kundenorientierte Strategien stellen die Kunden in den Mittelpunkt der strategischen Ausrichtung. Hier unterscheidet man zwischen vier strategischen Positionen, die ein Unternehmen einnehmen kann: die Marktfeld-, Marktsti- mulierungs-, Marktparzellierungs- und Marktarealstrategie.[43]
Die Fragestellung ist nun: Wo ordnen sich die Aktivitäten des Social Media Marketing ein? Oder ergibt sich hierdurch sogar eine zusätzliche strategische Ausrichtung im Marketing?
Grundsätzlich ist zunächst festzuhalten: Social Media Marketing ist anders als klassisches Marketing. So weist auch Weinberg darauf hin, dass traditionelle Strategien im Marketing nicht mehr so effektiv sind wie früher.[44] Social Media Marketing wird als kostengünstige Alternative zu klassischen Marketing- Instrumenten gesehen. Ob die Alternative wirklich kostengünstiger ist, bleibt abzuwarten und ist je nach Randbedingungen durch die Anwendung entsprechender Kennzahlensysteme zu bemessen.
Der wesentliche Unterschied zwischen Social Media Marketing und dem klassischen Marketing ist die bedeutungstragende Rolle der Kommunikation zum und vor allem mit dem Kunden. Am Beispiel klassischer TV-Werbung ist der Unterschied gut zu erklären: Dreht ein Unternehmen einen Werbespot und veröffentlicht diese Werbebotschaft über das Fernsehen, handelt es sich hierbei um eine unidirektionale Kommunikation vom Unternehmen hin zum Kunden. Im Idealfall nimmt der Kunde die Werbebotschaft auf und beansprucht die angepriesene Dienstleistung bzw. das Produkt. Unidirektionale Kommunikation bedeutet nun, dass dem Kunden kein unmittelbarer Rückkanal zur Verfügung steht, um seine Empfindungen, seine Kritik oder seine Bedürfnisse zu äußern.
Im Social Media Marketing geht es um echte, persönliche und direkte Beziehungen zum Kunden. Wird der gleiche Werbespot bspw. auf Youtube eingestellt, so hat der Kunde die Möglichkeit durch Kommentare seine Meinung der Öffentlichkeit preis zu geben. Diese Meinung ist dann nicht nur für das Unternehmen sichtbar, sondern auch für andere Nutzer, potenzielle Kunden oder Stammkunden. Der Kunde nimmt im Social Media Marketing also eine wesentlich bedeutendere Rolle im Rahmen der Kommunikationspolitik ein.[45] Sogenannte Marken-Evangelisten können einen enormen positiven wie negativen Einfluss auf den Stellenwert einer Marke nehmen. Es liegt ein Wandel vom Push-Marketing zum Pull Marketing vor. Push-Marketing bedeutet einen Informationstransfer vom Unternehmen zum Kunden. Das Unternehmen bestimmt demnach, in welcher Art Informationen an den Kunden gelangen und wie diese vom Kunden aufgenommen werden. Beim Pull-Marketing geht die Erstinitiative vom Kunden aus. Das Unternehmen ist dazu angehalten, regelmäßig Informationen bereitzustellen und dauerhaft Gespräche anzubieten. Der Kunde entscheidet auf welche Informationen er wie eingeht. Social Media Marketing ist also nicht nur als zusätzlicher Absatzkanal im Sinne des Pull- Marketings zu verstehen.
Durch die Besonderheiten des Social Media Marketings sollte eine Social Media Strategie auf eine bereits vorhandene Unternehmens-, Marketing- oder Kommunikationsstrategie abgestimmt und sinnvoll in dessen Kontext integriert werden.[46] Sofern ein Unternehmen auf eine Kombination von klassischem Marketing und Social Media Marketing setzt, empfiehlt sich eine sinnvolle Integration der Social Media Maßnahmen in den bestehenden Marketing Mix. Jedoch weist Grabs in diesem Fall auf den übergeordneten Stellenwert der Kommunikation im Social Media Marketing hin:
„Dem Verkauf Ihres Produkts sollte immer ein Gespräch, eine Empfehlung oder eine Diskussion vorausgegangen sein, die den Kunden überzeugt hat“.[47]
Das Cluetrain Manifest besagt: Märkte sind Meinungsaustausch. Märkte sprechen miteinander.[48] Dieses Manifest ist zur Jahrtausendwende (1999) von zahlreichen Marketingexperten erstellt worden und beinhaltet 95 Thesen über die Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden.[49] Dem „Social Media Boom“ einige Jahre voraus, hat das Manifest einen erstaunlich signifikanten Bezug zum Social Media Marketing.
Weinberg beschreibt „Marketing ist Mitwirkung“. Social Media Marketing ist noch ein Stück mehr Mitwirkung. Unter anderem deshalb, weil Social Media Marketing als sogenanntes Pull-Marketing von der Mitwirkung der Community lebt.[50]
Damit ein Unternehmen Social Media Marketing erfolgreich einsetzen kann, bedarf es einiger Voraussetzungen. Zunächst einmal müssen eine innere Bereitschaft und die Motivation existieren, sich mit dem Thema zu befassen. Aussagen wie „Wer braucht denn so etwas?“ bringen ein Unternehmen oder eine Marketingabteilung nicht weiter.[51] Basierend auf dem bereits im vorherigen Kapitel beschriebenen Unterschied zum klassischen Marketing, muss sich ein Unternehmen jedoch bewusst machen, dass sich die Reichweite der Kundenaussagen im Social Media nicht so einfach steuern und beeinflussen lassen. Zahlreiche Gedanken und Meinungen werden unverfälscht auf den entsprechenden Plattformen verbreitet. Natürlich besteht diese Gefahr auch, wenn ein Unternehmen nicht aktiv im Social Media Marketing agiert. Jedoch motivieren aktive Unternehmen die Community noch stärker zur Meinungsäußerung also solche, die eine passive Präsenz zeigen.
Vorwiegend sind also zuerst die eigenen Vorbehalte im Unternehmen zu überwinden. Dies bedeutet konkret, den Kontrollverlust hinzunehmen und entsprechend damit umzugehen. Auch mit (offener) negativer Kritik sollte ein Unternehmen rechnen und entsprechend damit umgehen können. Mitarbeiter im Bereich Social Media Marketing sollten jedes Kundenfeedback annehmen. Es gilt verstärkt die Kunst eine One-To-One-Kommunikation zu leben, genauso als würde das Unternehmen eine persönliche Beziehung zum Kunden pflegen können. Empathie, Offenheit, Transparenz und Ehrlichkeit sind grundsätzliche Werte, die für eine erfolgreiche Social Media Marketing Kampagne unerlässlich sind. Darüber hinaus ist es förderlich, wenn die Unternehmenskultur diese Werte bereits in der strategischen Ausrichtung voraussetzt.[52]
Social Media Marketing ist nur auf den ersten Blick kostenlos. Der Eindruck täuscht, dass nach der Erstellung einer kostenlosen Unternehmensseite in sozialen Netzwerken keine Folgekosten entstehen. Für die anschließende kontinuierliche Planung und Pflege der Inhalte müssen personelle Ressourcen bereitgestellt werden. Wenn es jedoch um die Erstellung eines Unternehmens-Blog geht, fallen auch bereits frühzeitig Kosten für ein entsprechendes Web-Design an.
Die Mitarbeiter müssen im Umgang mit den neuen Plattformen und den veränderten Kommunikationsbedingungen entsprechend geschult werden. Es ist weiterhin wichtig, die zahlreichen Diskussionen und Meinungen über das Unternehmen oder eine Marke zu beobachten. Grundsätzlich ist ein Unternehmen gut beraten, wenn es seinen Mitarbeitern vertraut. Denn letztlich muss die Reaktionszeit im Social Media Marketing möglichst gering sein. Dies erreicht man nur durch kurze Kommunikations- und Entscheidungswege.[53] Die wichtigsten Voraussetzungen sind: Die Definition...