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Die Frau an Jakobs Seite

Luise Charlotte von Brandenburg, Herzogin von Kurland und Semgallen (1617 - 1676)

AutorUlrich Schoenborn
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl87 Seiten
ISBN9783656109129
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis20,99 EUR
Fachbuch aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Geschichte Europa - Deutschland - 1848, Kaiserreich, Imperialismus, , Sprache: Deutsch, Abstract: Die geopolitische Lage hat das Herzogtum Kurland zeit seines Bestehens in diplomatische Verhandlungen wie kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Schweden, Polen, Russland und Brandenburg-Preußen verwickelt. Von elementarer Bedeutung erwies sich, vor allem im 17. Jahrhundert, die Verbindung mit Brandenburg-Preußen. Die folgende Studie richtet die Aufmerksamkeit auf eine Frau, Luise Charlotte von Branden¬burg, die als Herzogin von Kurland an der Seite ihres Gatten, Herzog Jakob, nachhaltigen Einfluss auf die Politik und die kulturelle Entwicklung des Herzogtums genommen hat. In ihrer Lebensgeschichte spiegeln sich epochale Ereignisse und Veränderungen.

ULRICH SCHOENBORN (Jhg. 1942); Dr. theol. habil. (Marburg); Pfarrdienst in Kurhessen-Waldeck; Lehrtätigkeit in Deutschland, Brasilien, Argentinien, Litauen, Kirgistan; exegetische und religionsgeschichtliche Forschungen ( Neues Testament, Gnosis); Veröffentlichungen zur Kirchen- und Kulturgeschichte in Lateinamerika und Ostmitteleuropa; u.a. Hermeneutik und Theologie der Befreiung; Kirchenkampf in Ostpreußen; Reformation und Aufklärung in Kurland; Integration der poetischen, künstlerischen und religiösen Dimension im theologischen Diskurs.

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Leseprobe

2.  Biographischer Horizont

Die älteste Schwester des Großen Kurfürsten wurde am 3. September 1617 im Residenzschloß zu Cölln a. d. Spree als erstes Kind der Prin­zessin Elisabeth Char­­­lotte (1597-1660) und des Kurprinzen Georg Wilhelm (1595-1640) gebo­ren. Bei der Taufe erhielt sie den Namen der Mutter, wurde später aber immer Luise Charlotte genannt. Ihre Schwester, Hedwig Sophie, die spätere Landgräfin von Hessen-Cassel, folgte 1623. Der Großvater, Johann Sigismund von Bran­den­burg, starb zu Beginn des Dreißig­jährigen Krieges (1618) und hinterließ seinem Sohn und Nach­folger Georg Wilhelm ein schweres Erbe. Dessen Schwe­ster, Marie Eleo­nore (gest. 1655), war mit dem schwedischen König Gustav Adolf ver­heiratet. 

Über die Kindheit Luise Charlottes ist fast nichts überliefert. Man darf aber voraussetzen, dass sie wie ihre Geschwister das Bildungs- und Erziehungs­programm für fürstliche Kinder durchlaufen hat. M.a.W., sie war mit der Bil­dung der Zeit ausgestattet. Aus ihrer späteren Korrespon­denz kann auf ein selbst­­bewusstes, diskursives und empathisches Wesen geschlossen werden[12]. Es war selbstverständlich, dass sie im calvini­stischen Glauben erzogen worden ist, der ihr im wechselhaften Verlauf der Lebensgeschichte Trost und Stand­fe­stigkeit gegeben hat. Das Haus Brandenburg hatte sich seit der Kon­ver­sion ihres Großvaters Johann Sigismund (1613) zu einem maß­geblichen Förderer und Verteidiger des Calvi­nismus in Europa entwickelt. Ihre Mutter, eine Tochter des Win­ter­königs, Friedrich IV. von der Pfalz, ge­noss den Ruf eine Fürstin mit streng calvi­nistischer Gesinnung.

 

 

Luise Elisabeth von Brandenburg (1617-1676)

                         Herzogin von Kurland und Semgallen

 

Als während des Dreißigjährigen Krieges die Kämpfe Pommern und Bran­den­burg erreichten, wich die kurfürstliche Familie (zusammen mit den pfäl­zischen Ver­wandten) nach Königsberg aus. Denn Kurfürst Georg Wilhelm war auf die kaiserliche Seite gewechselt und hatte die Reaktionen der einstigen Ver­bündeten zu fürchten. Unterdessen führte in der Mark Hans Adam von Schwar­zen­berg, ein Katholik, die Regierungsge­schäfte. Er war auch die treibende Kraft hinter der neuen Allianz mit dem Kaiser. Entsprechend verhasst war er am prote­stan­tisch ge­stimmten Hof, besonders bei den fürstlichen Damen.

Aus der Königsberger Zeit ist vor allem Luise Charlottes Engage­ment für die calvinistische Sache überliefert. Bekanntlich dominierten die Lutheraner im Einvernehmen mit dem polnischen König in Preußen das religiöse Terrain. Die Minderheit der Reformierten erlitt daher Diskrimi­nierung mannigfacher Art. Sie besaß weder Kirche noch Friedhof. Gegen das Verbot des polnischen Lehns­herren sorgten Luise Charlotte und ihre jüngere Schwester, Hedwig Sophie, für die Anlage eines Friedhofes und ließen denselben mit einer schützenden Mauer umgeben[13].    

Auch ihre Aufgeschlossenheit gegenüber Dichtung und Musik stammt aus dieser Zeit in Königsberg. Luise Charlotte schätzte den Dichter Simon Dach und seinen Kreis. Bei Hof wurden Werke „aus der Kürbishütte“ sehr geschätzt. Von Simon Dach stammen viele Verse zu festlichen Anlässen des Fürstenhauses. Er hat auch poetische Glück­wünsche zu Verlobung und Hochzeit, später dann zur Geburt des ersten Sohnes geschrieben. Zum Domorganisten und Komponisten Heinrich Albert entwickelte sich ebenfalls eine Beziehung. 1642 hat er Luise Char­lotte und ihrer Schwester eine Sammlung von Arien gewidmet. Er kom­mentiert die Widmung mit der Bemerkung, dass die Fürstinnen die Arien

 

„zum Teil nicht allein gerne musiciren und singen hören, sondern auch ein gnädiges Belieben getragen, etliche aus ihnen zu dero Hochfürstlicher Lust und Ergetzung selbsten zu studiren und sich bekannt zu machen, welches denn durch die gute Anleitung der kunstreichen Hand des berühmten Musikanten Walter Rowe, EE.FF.DD. getrewen Dieners leichtlichen geschehen möge“[14].

 

Als ein Politikum ersten Ranges sollte sich die Verheiratung der Prin­zessin er­weisen. Noch zu Lebzeiten des Vaters standen zwei Bewerber mit ernsten Ab­sichten zur Auswahl: Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm von Neuburg und Prinz Kasimir von Polen, ein Bruder des Königs Wladislaus IV. Gegen beide Kan­di­daten gab es ökonomische bzw. religionspolitische Vorbehalte. Dann starb 1640 Kurfürst Georg Wilhelm und sein Nach­folger, Kurfürst Friedrich Wil­helm, be­gann, die bran­denburgische Politik neu zu profilieren. Er betrieb die An­nä­herung an Schweden, so dass eine Ver­bindung mit Polen auch aus diesem Grunde nicht in Frage kam. In der Zwischenzeit hatte sich Markgraf Ernst von Bran­denburg als Kandidat präsentiert. Obwohl er nur über bescheidenes Ver­mögen verfügte und außer­dem der lutherischen Konfession angehörte, war Luise Charlotte ihm zugetan und zur Verlobung bereit. Doch der Markgraf verstarb 1642 plötz­lich. In einem dritten Anlauf musste der Geheime Rat sich mit fol­genden Bewerbern beschäftigen: dem polnischen König Wladislaus IV., Graf Karl Ludwig von der Pfalz und Herzog Jakob von Kurland.

Jakob stand durch seine Mutter, Sophie von Brandenburg, Tochter des „blöden Herren“, Herzog Albrecht Friedrich von Preußen, in ver­wandtschaftlicher Be­ziehung zum Haus Hohenzollern[15]. Eine Zeit lang hatte er am Hof seines Oheims Johann Sigismund verbracht. Der Herzog von Kurland befand sich in staats­recht­licher Hinsicht gegenüber dem polnischen König in derselben Stel­lung wie der Herzog von Preußen. Unter Jakobs Führung erlebte das Land einen Aufschwung. Er war reich[16], klug[17] und geachtet.

 

 

 

                   Herzog Jakob von Kurland und Semgallen  (1642-1682)

 

Im Sommer 1644 ließ Jakob in Königsberg durch seinen Rat Professor Christian Derschau die Heirats­absichten anmelden. Gegen­über den Mitbe­werbern (katho­lisch und machtlos der eine, reformiert und ohne Land der andere) erhielt Jakob den Vorzug, obwohl er lutherischer Konfession war. Im Juli 1645 fand in Kö­nigs­berg die Verlobung statt, von Simon Dach poetisch gefeiert. In einem spä­teren Brief an Otto von Schwerin schreibt die Fürstin, dass sie nur auf des Kur­fürsten Geheiß und Zusage, denn aus staats­politischer Räson den Herzog gehei­ra­­tet habe[18]. Jakob zählte zu der Zeit 34 Jahre, und Luise Charlotte war auch schon 27 Jahre alt. 

Am 13. Juli 1645 wurde in Königsberg der Ehevertrag aufgesetzt, in dem an exponierter Stelle das calvinistische Bekenntnis Luises berück­sichtigt wurde. Ausdrücklich erwähnt werden die freie Ausübung des Gottesdienstes nach refor­mierter Art und Bestimmungen über die Kon­fession der erwarteten Kinder. Die Söhne wie die Töchter sollten bis zum siebten Lebensjahr von der Mutter reli­giös erzogen werden. „Her­nach­mals werden Unsere beyderseits Söhne in un­serer Evangelischen (d.h. luthe­rischen) Religion, Unserer Lande Verfassungen und Reversalen gemäß, wie billig auferzogen, die Töchter oder Fräulein aber blei­ben auch nach der Zeit nicht minder der freyen Mütterlichen education einen weg wie den andern Unterhaben und Vorbehalten“[19]. Ferner wurde zuge­standen, dass bei der Taufe auf den Exorzismus und Altar-Kerzen ver­zichtet würde. Per­sonen calvinistischen Glaubens sollten im Herzogtum nicht diskriminiert wer­den[20]. Herzog Jakob verstand sich als Anhänger der Lehre Luthers, war aber kein religiöser Fanatiker, vielmehr tolerant und weitherzig. Aus Rücksicht auf die Mehrheit der orthodoxen Lutheraner im Herzogtum wurden diese religiösen Vereinbarungen allerdings in einem Nebenrezess festgehalten (13. Juli 1645). Jakob besaß ein feines Gespür für die Bedeutung der Konfession und wollte sie als Stütze der Terri­torialherrschaft nichts aufs Spiel setzen. Dass der lutherische Super­intendent Daniel Hafftstein[21] heftig von seinen luthe­rischen Amtsbrüdern kritisiert wurde, weil er den Wünschen der refor­mierten Herzogin folgte, offen­bart das angespannte konfessionelle Klima in Kurland.

Die materiellen Verpflichtungen wurden im Ehevertrag wie folgt geregelt: Jakob verpflichtete sich zur Zahlung von 1000 Reichstalern als Morgengabe an seine Gemahlin und weiteren 8000 Reichstalern jährlich als Ehegeldern (aus den Einkünften der herzoglichen Ämter Grobin, Ober­­­bartau, Rutzau, Heiligenaa). Von ihrem Bruder sollte Luise Charlotte als „Fräuleinsteuer“ 15.000 Reichstaler „Ehegelder“ und 7500 Reichstaler „Schmuckgelder“ erhalten. Um diese Gelder hat es in der Folgezeit man­che Verstimmung und Kontroverse gegeben. Außer- dem wurde im Blick auf die Jülichschen Lande die weibliche Erbfolge mit in den Vertrag auf­genommen. D.h., falls Kurfürst Friedrich Wilhelm kinderlos ster­­­ben sollte, würden Luise Charlotte bzw. ihre Kinder das Erbe antreten.

Da Jakobs Pflegemutter, Elisabeth Magdalene von Pommern-Stet­tin, aus Altersgründen nicht nach Königsberg reisen konnte, sollte die Hoch­zeit in Kur­land stattfinden. Doch gaben Luise Charlottes Mutter und ihre Tante, Eleonore von Schweden, den Zuschlag für Königsberg. Die Hochzeit, zu der auch der König von Polen eingeladen war, fand am 9. Ok­tober 1645 statt. Die Trauung vollzog...

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