Die Gamingbranche, in dieser Arbeit ebenfalls als Videospielebranche und Gaming Industrie bezeichnet, ist ein enorm wachsender Markt. Der geschätzte Jahresumsatz 2011 beträgt über 74 Milliarden US-Dollar (vgl. Gartner Inc. 05.07.2011). Darüber hinaus wird der Branche bis 2015 ein Umsatzwachstum von 50,7% vorausgesagt. Dies bedeutet, dass die Gamingbranche im Jahre 2015 112,163 Milliarden US-Dollar umsetzen wird (vgl. Gartner Inc. 05.07.2011). Um diese Größenordnung besser einordnen zu können, ist es interessant zu wissen, dass die weltweite Musik- und Filmindustrie 2008 rund 67 Milliarden US-Dollar umgesetzt hat. Daraus wird deutlich, dass die Gamingbranche durch ihre starken Wachstumsraten die Umsatzstärke von Musik- und Filmindustrie übertreffen wird oder gar schon übertroffen hat.
„Die Industrie hat eine neue Revolution. Spiele für Onlinenetzwerke ändern unser Geschäft komplett.“ (Yves Guillemot CEO von UbiSoft in Financial Times Deutschland 07.06.2011)
Doch wie wird sich die Gamingbranche in Zukunft verändern? Diese und weitere Fragen beschäftigen die in der Spielebranche tätigen Unternehmen.
Es ist der Wunsch eines jeden Unternehmens, einen Blick in die Zukunft werfen zu können, doch eine Glaskugel, welche die Zukunft voraussagt, gibt es nicht. Allerdings ist dies nicht der einzige Weg, zukünftige Entwicklungen vorauszusehen. Die Zukunft ist geprägt durch das wechselseitige Zusammenspiel von Veränderungen und Entwicklungen. Diese können kontinuierlich ablaufen, müssen es aber nicht. So gibt es immer mehrere potentielle Szenarien der Zukunft. Betrachtet man diese Zukunftsbilder detaillierter und vergleicht sie miteinander, werden Alternativen ausgeschlossen und Zusammenhänge aufgezeigt. Deshalb ist es sinnvoll, nicht nur von der einen Zukunft zu sprechen, sondern von vielen möglichen.
Die Blickwinkel, aus denen die Zukunft betrachtet wird, spielen eine erhebliche Rolle. So können Entwicklungen sich negativ auf das eine, aber positiv auf das andere Szenario auswirken. Maßgeblich hierfür ist die Zielsetzung des Betrachters unter der Berücksichtigung möglichst vieler Einflussfaktoren. Beispielhaft sind hier die Einflüsse der Wirtschaftskrise auf die Börsen der Welt zu nennen. Anleger, welche aufgrund von viel versprechenden Zukunftsprognosen der Banken in Immobilien investierten, wurden bitter enttäuscht. Diejenigen, welche anderen Prognosen ihr Vertrauen schenkten, investierten beispielsweise in Gold und erwirtschafteten so große Gewinne. Dieses Beispiel zeigt, dass das Eintreten einer Wirtschaftskrise in einigen Zukunftsszenarien prognostiziert wurde, in anderen wiederum gänzlich außer Acht gelassen wurde. So kann die Wirtschaftskrise als negative, aber auch als positive Entwicklung betrachtet werden.
Durch den Wandel der Welt, sei es durch die Globalisierung oder die rasanten technologischen Entwicklungen, ist es mehr denn je von Bedeutung, vorausschauend zu handeln und das eigene Unternehmen zukunftsfähig auszurichten. Die Zukunftsforschung ist „die wissenschaftliche Befassung mit möglichen, wahrscheinlichen und wünschenswerten Zukunftsentwicklungen und Gestaltungsoptionen sowie deren Voraussetzung in Vergangenheit und Gegenwart“ (Kreibich 2007, S. 181). Die Szenarioanalyse zählt zu den zentralen und verbreitetsten Methoden der Zukunftsforschung (vgl. Steinmüller 2002).
Seit den 50er-Jahren finden Szenarien Anwendung, um zukünftige Ereignisse vorhersehbar zu machen, zu Beginn jedoch nur im Zusammenhang mit militärischen Interessen (vgl. Steinmüller 2000, S. 37-54). Hieraus wird deutlich, dass strategische Planungen auf Szenarien basieren, worauf wiederum operative Maßnahmen folgen. Diese Art der langfristigen, zukunftsgerechten Planung findet heutzutage nahezu überall statt.
Die vorliegende Arbeit vollzieht eine Szenarioanalyse zur Entwicklung der Gamingbranche in Bezug auf die Akteure der Wertschöpfungskette in Verbindung mit deren Umgebungsbereichen. Es werden Faktoren aufgezeigt, welche die Entwicklungen der Gamingbranche beeinflussen. Anhand dieser Faktoren werden Szenarien erstellt, die ein möglichst repräsentatives Zukunftsbild der Gamingbranche darstellen.
Die technologische Entwicklung macht auch vor der Gamingbranche nicht halt. Das Internet verbindet die Menschen weltweit. Und darüber hinaus ermöglicht es ihnen, jederzeit miteinander zu spielen. Diese Entwicklung hat massiven Einfluss auf die Geschäftsmodelle der Videospielebranche. Wo noch vor einigen Jahren der Verkauf von physischen Datenträgern die Haupteinnahmequelle der Branche war, eröffnet der zunehmende Ausbau von Breitband-Internetverbindungen neue Erlösquellen. Immer mehr Konsumenten beziehen ihre Spielesoftware direkt aus dem Netz, sei es via Computer, Konsole oder über das Smartphone. Diese Entwicklung kommt den Spieleherstellern entgegen, denn so können sie ihre Distributionskosten deutlich senken.
Neue Erlösquellen, wie der Handel mit virtuellen Gütern oder Abonnements für die Nutzung von Onlinespielen, sind entstanden. Auch die Zielgruppen haben sich verändert. Die Kunden sind nicht mehr hauptsächlich Kinder und junge Männer. Die Altersgrenze steigt stetig an. Auch spielen immer mehr Frauen in ihrer Freizeit Videospiele (vgl. WinFuture.de, 23.06.2011).
Diese Entwicklungen beeinflussen die Spielebranche ungemein. Um den Wünschen der Zielgruppe gerecht werden zu können und um damit langfristig Erfolg zu haben, benötigen die Spielehersteller Prognosen über die weiteren Entwicklungen der Branche.
Im Rahmen dieser Arbeit werden Szenarien entwickelt, die langfristige Zukunftsprognosen für die kommenden fünf bis zehn Jahre darstellen. Hierzu werden Faktoren identifiziert, die Einfluss auf die Entwicklung der Spielebranche haben. Mittels der Szenariotechnik nach Gausemeier werden diese Einflussfaktoren analysiert, um möglichst zutreffende Vorhersagen zur weiteren Entwicklung der Gamingbranche zu tätigen. Der Transfer dieser Zukunftsprognosen auf die Akteure der Gamingbranche sieht hierbei keine Handlungsempfehlungen seitens des Autors vor.
Entwicklungen in der Gamingbranche eröffnen immer auch neue Segmente, die von Unternehmen der Gamingbranche bearbeitet werden könnten. Doch nur, weil ein neues Marktsegment bearbeitet werden kann, heißt dies noch lange nicht, dass dies auch erwünscht ist. Diese Wünsche beziehen sich letzten Endes auf die Steigerung des Umsatzes seitens der Unternehmen. Doch der Eintritt in neue Marktsegmente ist keine Garantie für eine derartige Umsatzsteigerung. So muss zunächst analysiert werden, ob die einzusetzenden Kosten auch den gewünschten langfristigen Profit bringen. Hierzu ist es überaus wichtig, die Zielgruppe und ihre Bedürfnisse zu kennen. So ist es beispielsweise fraglich, ob ein Konsolenspieler, der gerne auf dem heimischen Sofa seinem Hobby nachgeht, auch bereit ist, dieses Hobby über eine andere Plattform wie von unterwegs über das Smartphone zu betreiben. Weiter stellt sich die Frage, ob neue Zielgruppen durch den Eintritt in neue Marktsegmente erreicht werden können.
Um langfristigen Profit in den diversen Marktsegmenten gewährleisten zu können, bedarf es einer möglichst genauen Zukunftsprognose zu deren Entwicklung.
Diese Arbeit wird anhand einer Szenarioanalyse eine derartige Zukunftsprognose zur Entwicklung in der Gamingbranche aufzeigen. Hierzu werden die technologische Entwicklung sowie weitere Einflussfaktoren identifiziert und untersucht. Auf Basis dieser Untersuchungen werden Trends identifiziert, aus denen im Anschluss eine repräsentative Zukunftsprognose für die Gaming-Industrie abgeleitet wird. Die in dieser Arbeit erarbeiteten Erkenntnisse bilden die Basis, auf der strategische Planungsprozesse erarbeitet werden können, die dem langfristigen Erfolg eines Unternehmens in der Gamingbranche zu Grunde liegen.
Es wird zunächst auf die historische Entwicklung der Gamingbranche eingegangen. Anhand der Wertschöpfungskette der Gamingbranche werden in Abschnitt 2.2 die Akteure dieser vorgestellt. Die technischen Entwicklungen, welche auf dem Computerspielemarkt bereits Einfluss haben, werden ebenso betrachtet wie auch solche, welche noch keinen oder nur geringen Einfluss auf die Gamingbranche haben. Des Weiteren wird in Abschnitt 2.3 die Szenarioanalyse mit ihren unterschiedlichen Ansätzen als Untersuchungsmethodik vorgestellt und es wird erläutert, welche der vorgestellten Szenariotechniken zur Erreichung des in der Problemstellung definierten Ziels ausgewählt wurde und aus welchen Gründen diese Anwendung findet. Kapitel 3 erläutert das detaillierte Vorgehen nach der ausgewählten Szenariotechnik.
Aufbauend auf der zuvor erläuterten Methodik der Szenarioanalyse findet diese in Kapitel 4 Anwendung. Hierbei werden die Entwicklungen auf Faktoren hin analysiert, welche Einfluss auf die Gamingbranche haben. Aus diesen werden im weiteren Verlauf der Arbeit Schlüsselfaktoren abgeleitet. Um den Rahmen einer Bachelorthesis nicht zu sprengen, werden aus den identifizierten Schlüsselfaktoren Kernschlüsselfaktoren für den weiteren Verlauf der Arbeit ermittelt. Die erarbeiteten Kernschlüsselfaktoren dienen im Anschluss...