Die Thematik des demographischen Wandels ist aktueller denn je und wird in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen diskutiert. Allerdings warnen Experten bereits davor, den demographischen Faktor und seine Auswirkungen nur als Drohpotenzial anzusehen, um endlich die Lösung alter Probleme anzugehen. Stattdessen soll der demographische Wandel als „Ausgangspunkt für eine Diskussion über Problemlagen und Problemlösungen der Zukunft"[8] gesehen werden.
So forderte die Bundesregierung 2009 das Bundesinnenministerium auf, neben der Bildung eines interministeriellen Ausschusses Demographie auf Staatssekretärsebene bis zum Jahr 2011 auch einen „Demografiebericht" vorzulegen, der als Grundlage für eine ressortübergreifende Demographie-Strategie der Bundesregierung dienen soll.[9] Dieser Bericht wurde im Oktober 2011 veröffentlicht und stützt sich dabei im Wesentlichen auf die Zahlen der 12. koordinierten Bevölkerungsberechnung aus dem Jahr 2009.[10] Er analysiert nicht nur die eingetretene und prognostizierte demographische Entwicklung bis 2060 und deren Auswirkungen, sondern soll auch die bisher ergriffenen Maßnahmen der Bundesregierung und zusätzliche Handlungsfelder identifizieren. In dem Bericht wird deutlich, dass sich die demographische Entwicklung auf nahezu alle Lebensbereiche der Bevölkerung auswirken und dabei die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung auf lange Sicht erheblich beeinflussen wird. Schnur spricht gar von einem „sozio-demographischen Wandel"[11], da demographische und soziale Prozesse gleichzeitig auftreten und sich gegenseitig beeinflussen. Aber auch biologische, ökonomische und politische Determinanten werden auf den demographischen Wandel Einfluss nehmen. So sieht denn nicht nur die Bundesregierung in der Gestaltung des demographischen Wandels eine der großen Zukunftsaufgaben[12]: Bei der Befragung von 915 Mitgliedsunternehmen des Bundesverbandes der Deutschen Wohnungswirtschaft (GdW) wurde als eines der wichtigsten aktuellen Themen die nachhaltige Bestandsentwicklung im Sinne einer Berücksichtigung der Zielgruppen im Zusammenhang mit dem demographischen Wandel genannt. Als wichtige Zukunftsthemen gelten die Vorbereitung auf den Strukturwandel und die Umstellung auf altengerechten Wohnraum.[13]
Die Dringlichkeit dieser Aufgabe wird auch bei einem Blick ins europäische Ausland deutlich (siehe Abbildung 1): Im Vergleich der 27 EU-Länder weist Deutschland den höchsten Anteil von 65-jährigen an der Gesamtbevölkerung aus. Zum Stichtag 01.01.2010 lag der Durchschnitt aller EU-Länder bei 17,4% Anteil, während Deutschland mit 20,7% an der Spitze liegt.
Abbildung 1: Statistisches Bundesamt 2011, Anteil von Personen über 65 Jahre an der Gesamtbevölkerung im europäischen Vergleich, S. 13
Die Gründe für den demographischen Wandel liegen dabei vor allem in der niedrigen Geburtenrate und der längeren durchschnittlichen Lebenszeit. Beide Faktoren werden bis 2060 zu einer Abnahme der Bevölkerung auf ca. 65 bis 70 Millionen Menschen führen (Vergleich 2008: 82 Millionen Einwohner).[14]
Abbildung 2: Bundesministerium des Inneren, Demografiebericht 2011, Seite 31, Entwicklung der Bevölkerungszahl in Deutschland bis 2060
Die Bevölkerung im Erwerbsalter wird ebenfalls altern und signifikant abnehmen. Gleichzeitig verändern sich die Relationen zwischen Alt und Jung deutlich, nicht zuletzt aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung (pro Jahr steigt die Lebenserwartung um drei Monate an). So werden im Jahr 2060 34% der Bevölkerung älter als 65 Jahre sein und es werden doppelt so viele 70-jährige leben, wie Kinder geboren werden.
Abbildung 3: Statistisches Bundesamt, 2011, Anteile an der Gesamtbevölkerung, S. 11
Deutlich wird dies auch am sogenannten Altenquotient; dieser beschreibt das Verhältnis von Personen über 65 Jahren zu Personen im Erwerbsalter. Während 2008 auf 100 Personen im Erwerbsalter 34 Ältere entfielen, werden dies 2060 – je nach Ausmaß der Zuwanderung – zwischen 63 und 67 potentielle Rentenbezieher sein, es kommt also zu einer Verdoppelung des Altenquotienten.[15] Man spricht dabei von einem dreifachen Alterungsprozess der Gesellschaft: Die absolute Zahl Älterer wächst, der relative Anteil der älteren Einwohner an der Gesamtbevölkerung nimmt zu und die Zahl Hochaltriger steigt kontinuierlich an.[16] Dabei ist davon auszugehen, dass die meisten Menschen dieses hohe Alter bei immer besserer körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit erreichen werden und die Anzahl der Lebensjahre, die der Mensch in Gesundheit verbringt, wachsen wird.[17] Allerdings wird auch darauf hingewiesen, dass innerhalb der Altersgruppe der Älteren eine strukturelle Verschiebung erwartet wird hin zu Gruppen, die eher chronische Erkrankungen und auch ein erhöhtes Risiko der stationären Behandlungs- oder Pflegebedürftigkeit aufweisen.[18] Daher wird mit einer deutlichen Zunahme des Pflege- und Versorgungsbedarfs dieser Bevölkerungsgruppen in Deutschland gerechnet, allein bis 2030 wird ein Anstieg auf rund 3 bis 3,4 Millionen (2008: 2,34 Millionen)[19] und bis 2050 auf ca. 4 Millionen pflegebedürftiger Menschen[20] prognostiziert.
Da demographische Prozesse aufgrund ihrer Langfristigkeit und Konstanz gut prognostizierbar sind, sind sie nicht nur erwartbar in ihren Konsequenzen, sondern geben auch den entsprechenden Handlungsspielraum, um ihnen zu begegnen.[21] Dies bedeutet, dass die gesundheitliche und pflegerische Versorgung der Bevölkerung vor enormen Herausforderungen steht: Es geht um die Sicherstellung einer bedarfs- und bedürfnisgerechten Versorgungsstruktur, die Bereitstellung qualifizierter Versorgungskräfte in ausreichender Zahl und die bessere Unterstützung von pflegenden Angehörigen und um die Schaffung eines aufeinander abgestimmten Versorgungskonzeptes vor Ort und im Wohnbereich. Es werden neue Instrumente, aber auch neue Kooperationen zwischen unterschiedlichen Dienstleistern notwendig werden, um die Belastungen der Gesundheits- und Sozialsysteme in Grenzen zu halten. [22] Nicht zuletzt ist aber eine weitere Herausforderung und vielleicht sogar Grundbedingung eine altersgerechte Wohnungsversorgung, die von staatlicher Seite durch die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen unterstützt werden muss.[23] Die Bundesregierung identifiziert in ihrem „Demografiebericht" dann auch zehn strategische Handlungsfelder, in denen es u.a. heißt:
„Ein möglichst langes und selbstbestimmtes Leben [ist] durch förderliche Bedingungen vom altersgerechten Wohnraum bis hin zu familiären und sozialen Netzwerken [zu] unterstützen und eine qualitätsgesicherte und angemessene Gesundheitsversorgung und Pflege [sind] sicher[zu]stellen."[24]
Im folgenden Kapitel soll daher nun gezielt auf die Auswirkungen des demographischen Wandels auf den Wohnungsmarkt in Deutschland eingegangen werden.
Die Schrumpfung der Bevölkerung und die gleichzeitige Zunahme der Älteren werden das Wohnen und damit den Wohnungsmarkt in Deutschland beeinflussen. Wie stark sich diese Auswirkungen manifestieren, wird besonders durch die jeweilige regionale Lage geprägt sein.
Abbildung 4: Bundesministerium des Inneren 2011, Veränderung in den Regionen aufgrund des
Dabei wird von drei unterschiedlichen Regionaltypen ausgegangen:
Regionen mit Bevölkerungswachstum bei gleichzeitiger „Alterung von oben" (Zunahme der Anzahl älterer Einwohner), vor allem in Süddeutschland, entlang der Rheinschiene und in den Metropolregionen Hamburg und Berlin;
Regionen mit Bevölkerungsabnahme bei gleichzeitiger „Alterung von unten" (Abnahme der Zahl jüngerer Personen), vor allem in ländlichen Regionen Westdeutschlands;
Regionen mit Bevölkerungsrückgang bei gleichzeitiger „Alterung von oben und unten", vor allem in ostdeutschen Regionen.[25]
Für den Wohnungsmarkt bedeutet dies, dass in zahlreichen Regionen – besonders in Teilräumen in Ostdeutschland, altindustrialisierten Räumen in Westdeutschland sowie in peripheren, ländlichen Gebieten – zunehmend schwierigere Marktbedingungen herrschen werden, die die Wohnungsunternehmen zum Handeln zwingen werden; teilweise sogar mit besonders hoher Intensität und Geschwindigkeit. Der Wettbewerbsdruck steigt: Der Nachfragerückgang wird spürbar sein, wobei die anhaltende Verkleinerung der Haushalte nur marginale Auswirkungen haben wird. Diese Auswirkungen sind teilweise bereits nachweisbar, so schreibt der GdW in seinem Branchenbericht 2011: „Überall dort, wo die sinkende Nachfrage...