5.3. Ziele und Nutzen der Elektronischen Krankenakte
Um den Nutzen Elektronischer Krankenakten aufzuzeigen, erscheint es hilfreich, einmal die Schwächen der konventionellen Akte zu betrachten und diesen die Vorteile Elektronischer Krankenakten gegenüberzustellen [Haas 2005a]: Konventionelle Krankenakten müssen aufwändig archiviert und organisiert werden. Ein schneller und bedarfsgerechter Zugriff ist oftmals nicht oder nur aufwändig möglich. Durch den Einsatz einer Elektronischen Krankenakte können aufwändige Suchzeiten in Archiven sowie Transportzeiten entfallen, die Informationslogistik wird erheblich verbessert. Das Heraussuchen einer bestimmten Menge von Krankenakten, die definierten Kriterien genügen - z.B. zum Zwecke der Forschung oder Behandlungsvergleichen, also ein inhaltbezogenes Heraussuchen von Akten bzw. das Bilden spezieller Kohorten durch Suche nach bestimmten Merkmalsausprägungen, ist auf Basis konventioneller Archive äußerst aufwändig, wenn nicht sogar
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unmöglich. Durch den Einsatz einer elektronischen Akte ist es unaufwändig möglich, Kohorten zu bilden bzw. Krankengeschichten, die bestimmten Kriterien genügen, herauszusuchen. Konventionelle Akten und Dokumente können zu einem Zeitpunkt auch nur an einem Ort verfügbar sein. Parallel entstehende Dokumente müssen zusammengeführt und aufwändig in der Akte abgelegt werden. Ist eine Akte noch in einem Arztzimmer, da noch eine Epikrise diktiert werden muss, ist diese Akte z.B. bei plötzlicher Wiederaufnahme des Patienten nicht sofort verfügbar. Oft ist sogar nicht bekannt, wo diese Akte gerade lagert. Durch den Einsatz einer elektronischen Akte ist eine zeitgleiche Nutzung durch verschiedene, an der Behandlung beteiligter Personen, problemlos möglich. Die konventionelle Akte muss intern physisch nach einer einmal festgelegten Struktur organisiert bzw. geordnet werden. Dies kann chronologisch oder nach Befundarten mittels Registern geschehen. Ebenso ist zu entscheiden, ob und in welcher Weise Fallakten getrennt oder gemeinsam in einem Mutterbehälter aufbewahrt werden. Dementsprechend kann eine konventionelle Akte nicht oder nur mit großem Aufwand umsortiert werden, was für den täglichen Gebrauch nicht möglich ist. Oftmals interessieren aber sowohl der chronologische Verlauf, als auch eine nur befundartenbezogene Sicht, ggf. auch eine problemorientierte Sicht oder nur ganz bestimmte Angaben in einer speziellen Zusammenstellung. Durch den Einsatz einer elektronischen Akte muss keine materialisierte physische Ablageorganisation festgelegt werden, der Inhalt von digitalen Krankenakten kann also nach verschiedensten Kriterien sortiert, gefiltert und dargestellt werden. Damit können auch berufsgruppenorientierte virtuelle Sichten auf eine gesamtheitliche Akte (z.B. die Röntgenakte, die Physiotherapiedokumentation, die Anästhesiedokumentation usw.) erzeugt werden. Ärztliches Handeln basiert auf Informationen. Durch die stetig steigende Zahl diagnostischer und therapeutischer Verfahren erhöht sich auch die Anzahl der einzelnen Angaben zu einem Patienten. Das daraus entstehende komplexe Informationsgeflecht muss für Behandlungsentscheidungen laufend neu bewertet, geordnet und priorisiert, sowie in geeigneter Weise dargestellt werden. Durch entsprechende Informationsfunktionen wie die Basisdokumentation oder aber verlaufsorientierte Darstellung von Laborwerten, Vitalwerten, Scores etc. kann die
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medizinische Dokumentation und die momentane Situation eines Patienten effektiv transparenter gemacht werden. Nicht nur durch verbesserte Ablage und Retrieval sowie der flexiblen und aufgabenbezogenen Darstellung von Informationen kann eine elektronische Akte zur besseren Versorgung beitragen, sondern auch durch den Einsatz von elektronischen Eingabeformularen. Als Werkzeuge zur medizinischen Dokumentation wird diese selbst qualitativ besser, da die Vollständigkeit, Korrektheit und Widerspruchsfreiheit steigt. Dies wird durch integrierte Eingabehilfen und Integritätsprüfungen direkt während der Dateneingabe erreicht. Die Vollständigkeit wird aber nicht nur bezogen auf das Ausfüllen einzelner Bildschirmformulare besser, sondern auch durch den Einsatz so genannter Erledigungslisten, anhand derer übersichtlich deutlich wird, welche Maßnahmen noch durchzuführen sind, bzw. was noch zu dokumentieren ist. Konventionelle Dokumentationen erlaubt es nicht, einmal erfasste Angaben für verschiedene nachgeordnete Verwendungszwecke an verschiedenen Orten gleichzeitig zu benutzen. Daher müssen viele Angaben oftmals doppelt oder mehrfach dokumentiert werden. So werden z.B. Angaben über Operationen einerseits für die Versorgungsdokumentation im Operationsbericht dokumentiert, für die Abrechnung auf speziellen Abrechnungsbögen und für die externe Qualitätssicherung nochmals auf entsprechenden, von den Ärztekammern vorgeschriebenen, Qualitätssicherungsbögen. Durch den Einsatz eines Informationssystems können dem gegenüber einmal erfasste Angaben in verschiedensten Zusammenstellungen für nachgeordnete Verwendungszwecke genutzt werden - und können sich dann im Rahmen der Operationsdokumentation erfassten Angaben sowohl im OP-Bericht, in der Epikrise (Arztbrief), in der Abrechnung, in der Leistungsstatistik, in der externen Qualitätssicherung und im internen Qualitätsmanagement Verwendung wieder finden. Gesundheitsversorgungseinrichtungen sind zum internen Qualitätsmanagement verpflichtet. Ein Medizinisches Informationssystem ermöglicht kontinuierlich das automatische Auswerten und Überwachen von behandlungsbezogenen Qualitätsindikatoren, auch unter Berücksichtigung patientenindividueller Faktoren, sowie die Durchführung entsprechender Analysen.
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Die konventionelle Aktenorganisation und Ablage erlaubt es nicht, alle Informationen bzw. Dokumente eines Patienten in einer Akte zu archivieren. So müssen Röntgenbilder, EKG - Kurven, EEG-Kurven, Herzkathetervideos und vieles andere mehr ausgelagert archiviert werden, und der behandelnde Arzt muss, will er diese Quellen nutzen, mit verschiedensten Medien und Nebenakten arbeiten. Elektronische Krankenakten helfen, durch eine maximale Medienintegration solche Medienbrüche zu vermeiden, so dass heute vorhandene (z.B. Akte - Bildarchiv) wegfallen, und sogar zusätzliche Informationen wie z.B. Audio-Sequenzen in die Dokumentation integriert werden können. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, medizintechnische Geräte direkt anzuschließen und Bilder, Signale und Auswertungsergebnisse direkt Online während der Untersuchung aus diesen Geräten in die digitale Krankenakte zu übernehmen. Für viele Gesundheitsversorgungseinrichtungen bestehen eine ganze Reihe von Berichts- und Übermittlungspflichten. Bei der konventionellen Dokumentation müssen diese zu kommunizierenden Informationen in gesonderte Formulare oder Briefe manuell übertragen - also doppelt dokumentiert - und dann per Post versandt werden. Auf Basis einer elektronischen Akte können diese Informationen automatisiert abgeleitet und unaufwändig übermittelt werden. Das ökonomische Management von Gesundheitsversorgungseinrichtungen ist nur noch auf Basis einer sowohl mikroökonomisch als auch medizinisch auswertbaren Dokumentation möglich. Nur die Verfügbarkeit von zeitnahen und detaillierten Angaben zu individuellen Behandlungen ermöglicht z.B. eine medizinökonomisch ausgerichtete Deckungsbeitragsrechnung und eine ökonomische Steuerung des Unternehmens.
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Tabelle 6: Vergleich Konventionelle und Elektronische Krankenakte
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Eine Vielzahl der Eintragungen stammt nicht von der aktenführenden Stelle selbst, sondern von anderen leistungserbringenden, z.B. konsiliarisch tätigen Organisationseinheiten. Untersuchungen in Krankenhäusern...