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Bis dass der Tod euch scheidet?

Die Unauflösbarkeit der Ehe und die wiederverheirateten Geschiedenen. - Ein Lösungsvorschlag. Mit einem Geleitwort von Karl Kardinal Lehmann

AutorHeidi Ruster, Thomas Ruster
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783641103026
FormatePUB/PDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
'Was Gott verbunden hat, das soll der Mensch nicht scheiden': Eine katholische Ehe gilt ein Leben lang; Katholiken können kein zweites Mal kirchlich heiraten. Standesamtlich Wiederverheiratete fühlen sich ausgeschlossen, sie dürfen z.B. im Gottesdienst die Kommunion nicht empfangen. Erstmals bieten die Autoren hier eine Lösung, die offiziell und für die gesamte Kirche gelten kann.



Prof. Dr. Thomas Ruster, geb. 1955, lehrt an der TU Dortmund Systematische Theologie und Dogmatik. Er ist gefragter Referent und hat langjährige Erfahrungen in der Erwachsenenbildung. Seine lebensnahen Analysen und markanten Thesen sorgen stets für Aufsehen.

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Leseprobe

Die Entkoppelung von Naturehe und Sakrament

THOMAS RUSTER

Die Eheauffassung der Katholischen Kirche beruht auf der Voraussetzung, dass die Ehe bereits in der Schöpfung grundgelegt ist. Sie gehört zur Schöpfungsordnung. Als Gott sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei, als er aus der Rippe des Adam eine Frau schuf und sie dem Menschen zuführte, als dieser sich über die Frau freute und ausrief: Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch, als all das gemäß der zweiten Schöpfungserzählung der Bibel geschah, da war die Ehe als Teil der Schöpfungsordnung begründet. Die Bibel kommentiert denn auch: Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch (vgl. Gen 2,18–24). Nach dieser Auffassung ist es also natürlich, dass Mann und Frau ihre Gemeinschaft in der Gestalt der Ehe leben. Die Ehe nach der Schöpfungsordnung heißt deshalb auch »Naturehe« oder »natürliche Ehe«. Man braucht keinen Glauben an Gott, um die Ehe einzugehen; man tut es, weil es die normale, von der Natur des Menschen und der Gesellschaft her vorgegebene Form der Gemeinschaft von Mann und Frau ist. Das Sakrament der Ehe, das Christus begründet hat, baut auf der Naturehe auf. Es ändert nicht die Natur der Ehe, aber es vollendet sie, indem es ihr eine besondere Würde verleiht und ihre natürlichen Eigenschaften, vor allem die Unauflöslichkeit, festigt.

Diese Auffassung von der Ehe bestimmt das kirchliche Eherecht. Gleich im ersten Satz des Abschnitts über die Ehe im »Codex des kanonischen Rechts« wird gesagt:

»Der Ehebund, durch den Mann und Frau unter sich die Gemeinschaft des ganzen Lebens begründen, welche durch ihre natürliche Eigenart auf das Wohl der Ehegatten und die Zeugung und die Erziehung von Nachkommen hingeordnet ist, wurde zwischen Getauften von Christus dem Herrn zur Würde eines Sakraments erhoben« (CIC Can. 1055 § 1).2

In diesem Satz ist eine ganze Theologie der Ehe enthalten. Beschrieben wird das Verhältnis der natürlichen Ehe zur sakramentalen Ehe. Mann und Frau, so heißt es, begründen den Ehebund, der bereits in sich eine »Gemeinschaft des ganzen Lebens« ist. Dieser natürliche Ehebund ist bereits von sich aus auf das Wohl der Ehegatten und Nachkommenschaft hingeordnet. Das Wesen der Ehe und ihre Wesenseigenschaften, die »Einheit« und die »Unauflöslichkeit«, sind bereits mit der Naturehe gegeben. Can. 1056 unterstreicht das, indem erklärt wird:

»Die Wesenseigenschaften der Ehe sind die Einheit und die Unauflöslichkeit, die in der christlichen Ehe im Hinblick auf das Sakrament eine besondere Festigkeit erlangen.«

Noch einmal sehr deutlich wird dies im Can. 1134, der die Wirkungen der Ehe behandelt:

»Aus einer gültigen Ehe entsteht zwischen den Ehegatten ein Band, das seiner Natur nach lebenslang und ausschließlich ist; in einer christlichen Ehe werden zudem die Ehegatten durch ein besonderes Sakrament gestärkt und gleichsam geweiht für die Pflichten und die Würde des Standes.«

Die Ehe als Sakrament kommt zur »Gemeinschaft des ganzen Lebens«, die die Ehe bereits von Natur aus ist, hinzu. Die natürliche Ehe wird durch Christus »zur Würde eines Sakraments erhoben«. Das Sakrament verleiht der Ehe »eine besondere Festigkeit«. Es »stärkt« die Ehegatten und weiht sie »für die Pflichten und die Würde ihres Standes«. Es ändert aber nichts an der Natur der Ehe. Unauflöslich ist die Ehe von Natur aus – auch ohne das Sakrament.

In dieser Eheauffassung ist die für den katholischen Glauben charakteristische Zuordnung von Natur und Gnade klar zu erkennen. Ein im Mittelalter formuliertes Axiom der katholischen Theologie besagt: »Die Gnade zerstört nicht die Natur, sondern setzt sie voraus und vollendet sie.« Genau dieses Verhältnis liegt zwischen der Gnade des Ehesakraments und der Natur der Ehe vor.

Der Theologieprofessor und Mainzer Bischof Kardinal Hermann Volk (1903–1988) hat 1962 ein schönes, menschliches und kluges Buch über die Ehe geschrieben, aus dem so recht deutlich wird, was die Kirche mit diesem Natur-Gnade-Verhältnis für die Ehe im Sinn hatte.3 Es war dem Kardinal wichtig, die Zuordnung der natürlichen Ehe zur sakramentalen Ehe zu betonen. Er schreibt zum einen über die Ehe, »welche es ja überall bei den Menschen gibt« (S. 16), und darüber hinaus über ihre Heiligung durch das Sakrament. Die christliche Ehe muss von der Gnade durchdrungen sein, und dies ist nur möglich »unter der Voraussetzung der […] Natur der Ehe als Schöpfungsordnung« (S. 76). Was insbesondere die beiden Wesensmerkmale der Ehe aus christlicher Sicht betrifft, nämlich ihre Einheit (die Ausschließlichkeit der Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau) und ihre Unauflöslichkeit, so können diese Forderungen von den Eheleuten nur angenommen werden, insoweit sie aus »dem inneren Anspruch der Ehe an den Menschen« (S. 79) erwachsen und dort schon gegeben sind. Volk legt dar, dass die Ehe schon in der Schöpfungsordnung und nicht erst in der Gnadenordnung begründet ist. »Die Schöpfungsordnung besteht darin, dass Mann und Frau nach dem Willen Gottes in der geordneten Weise der Ehe miteinander verbunden sind« (S. 56). Gott will und hat in der Schöpfung grundgelegt, dass die »Begegnung als Mann und Frau nicht ohne Ehe« (S. 57) geschehe. Die Schöpfungsordnung gilt für alle Menschen, nicht nur für Christen. Und bereits diese in der Schöpfung begründete Ehe weist die Merkmale des Bleibenden, des Allumfassenden und des Ausschließlichen auf, also genau das, was auch im Zentrum der Lehre von der sakramentalen Ehe steht. Die »Sakramentalität ist darum nicht fremdartig für die natürliche Wirklichkeit der Ehe« (S. 65); »was die Gnade des Sakramentes fordert, entspricht also durchaus der Natur der Ehe, der Ehe als Schöpfungsordnung. Darum kann sich auch die Gnade des Sakraments mit der breiten Wirklichkeit der Ehe verbinden« (S. 63). Bezogen auf die Einheit der Ehe erklärt Volk, es gehöre zum Wesen einer jeden ehelichen Verbindung, dass sich Mann und Frau »wirklich und ganz lieben« (S. 67), das heißt, dass da kein Platz bleibt für die Liebe zu einem anderen Partner. Die »Ausschließlichkeit der Gemeinschaft« gründet im Wesen der Liebe, die »ungeteilte Ganzheit« will (S. 65f.). Und auch die Unauflöslichkeit der Ehe entspricht dem Wesen des Menschen und der Liebe. Wohl weiß der Kardinal, dass das Gefühl von Liebe oder Verliebtheit allein nicht für die Unauflöslichkeit bürgen kann. Aber zum Wesen der Liebe gehört mehr als dieses Gefühl, es gehört »der Entschluss, die Gewilltheit« (S. 71) dazu, dem Ehepartner gegenüber eine verbindliche und unwiderrufliche Verantwortlichkeit einzugehen. So kann gesagt werden: »Unauflöslichkeit gehört […] von der Schöpfungsordnung […] her zum Wesen der Ehe« (S. 70). Wenn die Kirche lehrt, dass die sakramentale Ehe unauflöslich ist, so entspricht dies der »inneren Gesetzlichkeit der Ehe als Schöpfungsordnung« (S. 73), die durch die Gnade des Sakraments nur verstärkt und durch die sie unterstützt wird. Das Sakrament bestimmt die Ehe neu, aber es schafft sie nicht neu. Sie richtet sich an dem aus, »was der Mensch überhaupt durch die Erschaffung ist« (S. 80), nämlich ein Wesen, das berufen ist zur unwiderruflichen personalen Gemeinschaft von Mann und Frau.

Dies war eine hohe und zugleich sehr menschliche Theorie der Ehe. Sie konnte die sicher zu allen Zeiten als schwierig empfundene Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe als natürlichen Ausdruck der Liebe und nicht als fremde Forderungen eines strengen Gottes und seiner Kirche ausweisen. Die Kirche forderte nichts Unnatürliches, wenn sie das Zusammenleben von Mann und Frau vor der Ehe, den außerehelichen Geschlechtsverkehr und die Wiederheirat nach einer Trennung der Ehepartner verbot, sie machte sich nur zum Anwalt des Natürlichen, also dessen, was die Menschen eigentlich und wirklich wollen und nur zu ihrem Schaden übersehen und übertreten. Die Ehelehre der Katholischen Kirche steht ihrem Anspruch nach im Dienst der Menschlichkeit. Sie will mit ihren rechtlichen Möglichkeiten dazu beitragen, dass die Gemeinschaft von Mann und Frau gelingt. Sie will Irrtümer über das Wesen der Ehe fernhalten und Störungen zu vermeiden helfen. Sie betont, das sei ausdrücklich hinzugefügt, die gleichen Rechte und Pflichten von Mann und Frau in der Ehe.4 Sie ist bedacht auf das Wohl der Kinder und sucht dieses durch zahlreiche Schutz- und Rechtsbestimmungen sicherzustellen.5 Wie kommt es aber, dass sie heute von so vielen als unmenschlich und unnatürlich empfunden wird?

Erklärung einiger Eigentümlichkeiten des kirchlichen Umgangs mit der Ehe

Bevor wir uns dieser Frage zuwenden, möchte ich zunächst auf einige Eigentümlichkeiten im kirchlichen Umgang mit der Ehe zu sprechen kommen. Eigentümlich ist es zum Beispiel, dass das Sakrament der Ehe auch ohne Gottesdienst zustande kommen kann. Das gibt es bei keinem anderen Sakrament. Das Sakrament der Ehe wird »gespendet«, wenn die Brautleute einen gültigen Ehevertrag schließen bzw., was dasselbe meint, wenn sie ihren gegenseitigen Konsens für ein eheliches Zusammenleben als Mann und Frau erklären. Deswegen sagt man auch: Die Brautleute spenden sich das Sakrament gegenseitig – nämlich indem sie den Ehekonsens erklären. Dabei müssen keine Gebete gesprochen werden, muss keine liturgische Feier stattfinden und muss keine Gemeinde anwesend sein. Zwar besteht für katholische Eheleute die »Formpflicht«, nach der die Ehe vor einem amtlichen Vertreter der...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt2
Geleitwort3
Vorwort5
Wirklichkeit und Kraft der sakramentalen Ehe7
1. Das Sakrament der Ehe in Bedrängnis8
Ein wertvolles Erbstück, das nur im Weg herumsteht8
Die Entkoppelung von Naturehe und Sakrament10
2. Beziehungswirklichkeiten17
Paare in Not17
»Gemeinschaft in bleibender Verschiedenheit«: das biblische Leitbild der gerechten Beziehung17
3. 1 + 1 = 3. Vom »Mehrwert« der Beziehung29
Der Engel der Beziehung29
Die Wahrhaftigkeit der Beziehung leben29
4. Die Unauflöslichkeit als tragende Kraft37
Irgendwie muss es gehen, aber wie?37
Gnade und Freiheit des Ehesakraments37
5. Liebe – Glaube – Hoffnung in der Ehe47
Das Dreieck in der Beziehung47
Die theologischen Tugenden47
Zur Frage des kirchlichen Umgangs mit den wiederverheirateten Geschiedenen56
6. Das Scheitern gültiger Ehen im Verlauf57
»Pluralisierung des Scheiterns«57
Der Ehebruch und die Mächte und Gewalten unserer Zeit57
7. Wer »spendet« das Sakrament der Ehe?68
Es kann nicht dabei bleiben, dass sich die Brautleute das Ehesakrament gegenseitig spenden!68
8. Die Kirche kann nichtsakramentale Ehen anerkennen75
Sakramentale und nichtsakramentale Ehen können zugleich in der Kirche bestehen75
9. Zweite Ehen sind anders das Eheband besteht weiter80
»Die Familie nach der Familie«80
Augustinus und die Beständigkeit des Ehebandes82
Fazit93
10. Ergebnis: Die Gnade des Ehesakraments und die Schritte zur Überwindung der Ausgrenzung der wiederverheirateten Geschiedenen94
11. Ausblick: Die Kirche vor der Vielfalt der Beziehungswirklichkeiten100

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