Sie sind hier
E-Book

Herr Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft

Vollständige Ausgabe

AutorFriedrich Engels
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl278 Seiten
ISBN9783849611712
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft oder kurz: 'Anti-Dühring', ist eine von Friedrich Engels zuerst 1877 fortsetzungsweise im Vorwärts veröffentlichte Streitschrift unter Mitarbeit von Karl Marx. Sie muss zu den einflussreichsten Texten des Marxismus gerechnet werden. (aus wikipedia.de)

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

 

Philosophie ist, nach Herrn Dühring, die Entwicklung der höchsten Form des Bewußtseins von Welt und Leben und umfaßt in einem weitern Sinne die Prinzipien alles Wissens und Wollens. Wo irgendeine Reihe von Erkenntnissen oder Antrieben oder eine Gruppe von Existenzformen für das menschliche Bewußtsein in Frage kommt, müssen die Prinzipien dieser Gestalten ein Gegenstand der Philosophie sein. Diese Prinzipien sind die einfachen oder bis jetzt als einfach vorausgesetzten Bestandteile, aus denen sich das mannigfaltige Wissen und Wollen zusammensetzen läßt. Ähnlich wie die chemische Konstitution der Körper kann auch die allgemeine Verfassung der Dinge auf Grundformen und Grundelemente zurückgeführt werden. Diese letzten Bestandteile oder Prinzipien gelten, sobald sie einmal gewonnen sind, nicht bloß für das unmittelbar Bekannte und Zugängliche, sondern auch für die uns unbekannte und unzugängliche Welt. Die philosophischen Prinzipien bilden mithin die letzte Ergänzung, deren die Wissenschaften bedürfen, um zu einem einheitlichen System der Erklärung von Natur und Menschenleben zu werden. Außer den Grundformen aller Existenz hat die Philosophie nur zwei eigentliche Gegenstände der Untersuchung, nämlich die Natur und die Menschenwelt. Hiernach ergeben sich für die Anordnung unsres Stoffs völlig ungezwungen drei Gruppen, nämlich die allgemeine Weltschematik, die Lehre von den Naturprinzipien und schließlich diejenige vom Menschen. In dieser Abfolge ist zugleich eine innere logische Ordnung enthalten; denn die formalen Grundsätze, welche für alles Sein gelten, gehn voran, und die gegenständlichen Gebiete, auf die sie anzuwenden sind, folgen in der Abstufung ihrer Unterordnung nach.

 

So weit Herr Dühring, und fast ausschließlich wörtlich.

 

Also um Prinzipien handelt es sich bei ihm, um aus dem Denken, nicht aus der äußern Welt, abgeleitete formale Grundsätze, die auf die Natur und das Reich des Menschen anzuwenden sind, nach denen also Natur und Mensch sich zu richten haben. Aber woher nimmt das Denken diese Grundsätze? Aus sich selbst? Nein, denn Herr Dühring sagt selbst: das rein ideelle Gebiet beschränkt sich auf logische Schemata und mathematische Gebilde (welches letztere noch dazu falsch ist, wie wir sehn werden). Die logischen Schemata können sich nur auf Denkformen beziehn; hier aber handelt es sich nur um die Formen des Seins, der Außenwelt, und diese Formen kann das Denken niemals aus sich selbst, sondern eben nur aus der Außenwelt schöpfen und ableiten. Damit aber kehrt sich das ganze Verhältnis um: die Prinzipien sind nicht der Ausgangspunkt der Untersuchung, sondern ihr Endergebnis; sie werden nicht auf Natur und Menschengeschichte angewandt, sondern aus ihnen abstrahiert; nicht die Natur und das Reich des Menschen richten sich nach den Prinzipien, sondern die Prinzipien sind nur insoweit richtig, als sie mit Natur und Geschichte stimmen. Das ist die einzige materialistische Auffassung der Sache, und die entgegenstehende des Herrn Dühring ist idealistisch, stellt die Sache vollständig auf den Kopf und konstruiert die wirkliche Welt aus dem Gedanken, aus irgendwo vor der Welt von Ewigkeit bestehenden Schematen, Schemen oder Kategorien, ganz wie – ein Hegel.

 

In der Tat. Legen wir die »Enzyklopädie« Hegels mit all ihren Fieberphantasien neben die endgültigen Wahrheiten letzter Instanz des Herrn Dühring. Bei Herrn Dühring haben wir erstens die allgemeine Weltschematik, die bei Hegel die Logik heißt. Dann haben wir bei beiden die Anwendung dieser Schemata, beziehungsweise logischen Kategorien auf die Natur: Naturphilosophie, und endlich deren Anwendung auf das Reich des Menschen, was Hegel die Philosophie des Geistes nennt. Die »innerlich logische Ordnung« der Dühringschen Abfolge führt uns also »völlig ungezwungen« auf Hegels »Enzyklopädie« zurück, aus der sie mit einer Treue entnommen ist, die den Ewigen Juden der Hegelschen Schule, den Professor Michelet in Berlin, zu Tränen rühren wird.

 

Das kommt davon, wenn man »das Bewußtsein«, »das Denken« ganz naturalistisch als etwas Gegebnes, von vornherein dem Sein, der Natur Entgegengesetztes, so hinnimmt. Dann muß man es auch höchst merkwürdig finden, daß Bewußtsein und Natur, Denken und Sein, Denkgesetze und Naturgesetze so sehr zusammenstimmen. Fragt man aber weiter, was denn Denken und Bewußtsein sind und woher sie stammen, so findet man, daß es Produkte des menschlichen Hirns und daß der Mensch selbst ein Naturprodukt, das sich in und mit seiner Umgebung entwickelt hat; wobei es sich dann von selbst versteht, daß die Erzeugnisse des menschlichen Hirns, die in letzter Instanz ja auch Naturprodukte sind, dem übrigen Naturzusammenhang nicht widersprechen, sondern entsprechen.

 

Aber Herr Dühring darf sich diese einfache Behandlung der Sache nicht erlauben. Er denkt nicht nur im Namen der Menschheit – was doch schon eine ganz hübsche Sache wäre –, sondern im Namen der bewußten und denkenden Wesen aller Weltkörper:

 

In der Tat, es wäre »eine Herabwürdigung der Grundgestalten des Bewußtseins und Wissens, wenn man ihre souveräne Geltung und ihren unbedingten Anspruch auf Wahrheit durch das Epitheton menschlich ausschließen oder auch nur verdächtigen wollte«.

 

Damit also nicht der Verdacht aufkomme, als sei auf irgendeinem andern Weltkörper zwei mal zwei gleich fünf, darf Herr Dühring das Denken nicht als menschliches bezeichnen, muß es damit abtrennen von der einzigen wirklichen Grundlage, auf der es für uns vorkommt, nämlich vom Menschen und der Natur, und plumpst damit rettungslos in eine Ideologie, die ihn als Epigonen des »Epigonen« Hegel auftreten macht. Übrigens werden wir Herrn Dühring noch öfters auf andern Weltkörpern begrüßen.

 

Es versteht sich von selbst, daß man auf so ideologischer Grundlage keine materialistische Lehre gründen kann. Wir werden später sehn, daß Herr Dühring genötigt ist, der Natur mehr als einmal bewußte Handlungsweise unterzuschieben, also das, was man auf deutsch Gott nennt.

 

Indes hatte unser Wirklichkeitsphilosoph auch noch andre Beweggründe, die Grundlage aller Wirklichkeit aus der wirklichen Welt in die Gedankenwelt zu übertragen. Die Wissenschaft von diesem allgemeinen Weltschematismus, von diesen formellen Grundsätzen des Seins, ist ja grade die Grundlage von Herrn Dührings Philosophie. Wenn wir den Weltschematismus nicht aus dem Kopf, sondern bloß vermittelst des Kopfs aus der wirklichen Welt, die Grundsätze des Seins aus dem, was ist, ableiten, so brauchen wir dazu keine Philosophie, sondern positive Kenntnisse von der Welt und was in ihr vorgeht; und was dabei herauskommt, ist ebenfalls keine Philosophie, sondern positive Wissenschaft. Damit wäre aber Herrn Dührings ganzer Band nichts als verlerne Liebesmüh.

 

Ferner: wenn keine Philosophie als solche mehr nötig, dann auch kein System, selbst kein natürliches System der Philosophie mehr. Die Einsicht, daß die Gesamtheit der Naturvorgänge in einem systematischen Zusammenhang steht, treibt die Wissenschaft dahin, diesen systematischen Zusammenhang überall im einzelnen wie im ganzen nachzuweisen. Aber eine entsprechende, erschöpfende, wissenschaftliche Darstellung dieses Zusammenhangs, die Abfassung eines exakten Gedankenabbildes des Weltsystems, in dem wir leben, bleibt für uns sowohl wie für alle Zeiten eine Unmöglichkeit. Würde an irgendeinem Zeitpunkt der Menschheitsentwicklung ein solches endgültig abschließendes System der Weltzusammenhänge, physischer wie geistiger und geschichtlicher, fertiggebracht, so wäre damit das Reich der menschlichen Erkenntnis abgeschlossen, und die zukünftige geschichtliche Fortentwicklung abgeschnitten von dem Augenblick an, wo die Gesellschaft im Einklang mit jenem System eingerichtet ist – was eine Absurdität, ein reiner Widersinn wäre. Die Menschen finden sich also vor den Widerspruch gestellt: einerseits das Weltsystem erschöpfend in seinem Gesamtzusammenhang zu erkennen, und andrerseits, sowohl ihrer eignen wie der Natur des Weltsystems nach, diese Aufgabe nie vollständig lösen zu können. Aber dieser Widerspruch liegt nicht nur in der Natur der beiden Faktoren: Welt und Menschen, sondern er ist auch der Haupthebel des gesamten intellektuellen Fortschritts und löst sich tagtäglich und fortwährend in der unendlichen progressiven Entwicklung der Menschheit, ganz wie z.B. mathematische Aufgaben in einer unendlichen Reihe oder einem Kettenbruch ihre Lösung finden. Tatsächlich ist und bleibt jedes Gedankenabbild des Weltsystems objektiv durch die geschichtliche Lage und subjektiv durch die Körper- und Geistesverfassung seines Urhebers beschränkt. Aber Herr Dühring erklärt von vornherein seine Denkweise für eine solche, die jede Anwandlung zu einer subjektivistisch beschränkten Weltvorstellung ausschließt. Wir sahn vorher, er war allgegenwärtig – auf allen möglichen Weltkörpern. Jetzt sehn wir auch, daß er allwissend ist. Er hat die letzten Aufgaben der Wissenschaft gelöst und so die Zukunft aller Wissenschaft mit Brettern zugenagelt.

 

Wie die Grundgestalten des Seins, meint Herr Dühring, auch die gesamte reine Mathematik apriorisch, d.h. ohne Benutzung...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Metaphysik - Philosophie

Die Lebenswelt

E-Book Die Lebenswelt
Auslegungen der vorgegebenen Welt und ihrer Konstitution. Format: PDF

Der Band versammelt Forschungsmanuskripte Edmund Husserls aus zwei Jahrzehnten, in denen er das bis heute auf die Sozialwissenschaften wirkende Konzept der Lebenswelt detailliert entwickelt. In den…

Die Lebenswelt

E-Book Die Lebenswelt
Auslegungen der vorgegebenen Welt und ihrer Konstitution. Format: PDF

Der Band versammelt Forschungsmanuskripte Edmund Husserls aus zwei Jahrzehnten, in denen er das bis heute auf die Sozialwissenschaften wirkende Konzept der Lebenswelt detailliert entwickelt. In den…

Überschüsse der Erfahrung

E-Book Überschüsse der Erfahrung
Grenzdimensionen des Ich nach Husserl Format: PDF

Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, Momente der Husserlschen Phänomenologie hervorzuheben, in denen diese an ihre Grenzen stößt. Der Ausweis dieser Grenzphänomene, die in der Husserl-Literatur…

Selbstbewusstsein in der Spätantike

E-Book Selbstbewusstsein in der Spätantike
Die neuplatonischen Kommentare zu Aristoteles' 'De anima' - Quellen und Studien zur PhilosophieISSN 85 Format: PDF

The three ancient commentaries on Aristotle's On the Soul (De anima) are interesting because the commentators, as neo-Platonists, understand the soul completely differently than Aristotle. For…

Selbstbewusstsein in der Spätantike

E-Book Selbstbewusstsein in der Spätantike
Die neuplatonischen Kommentare zu Aristoteles' 'De anima' - Quellen und Studien zur PhilosophieISSN 85 Format: PDF

The three ancient commentaries on Aristotle's On the Soul (De anima) are interesting because the commentators, as neo-Platonists, understand the soul completely differently than Aristotle. For…

Bacon und Kant

E-Book Bacon und Kant
Ein erkenntnistheoretischer Vergleich zwischen dem 'Novum Organum' und der 'Kritik der reinen Vernunft' - Kantstudien-ErgänzungshefteISSN 156 Format: PDF

Anyone interested in establishing an intellectual connection between Kant and Bacon must first ask the question as to what similarity could exist between Kant, who carried out a transcendental…

Bacon und Kant

E-Book Bacon und Kant
Ein erkenntnistheoretischer Vergleich zwischen dem 'Novum Organum' und der 'Kritik der reinen Vernunft' - Kantstudien-ErgänzungshefteISSN 156 Format: PDF

Anyone interested in establishing an intellectual connection between Kant and Bacon must first ask the question as to what similarity could exist between Kant, who carried out a transcendental…

Bacon und Kant

E-Book Bacon und Kant
Ein erkenntnistheoretischer Vergleich zwischen dem 'Novum Organum' und der 'Kritik der reinen Vernunft' - Kantstudien-ErgänzungshefteISSN 156 Format: PDF

Anyone interested in establishing an intellectual connection between Kant and Bacon must first ask the question as to what similarity could exist between Kant, who carried out a transcendental…

Normativität

E-Book Normativität
Eine ontologische Untersuchung Format: PDF

The book deals with a central question for the understanding of reality and the way in which human beings relate to it. Humans are creatures that can deliberate and define their actions by virtue…

Normativität

E-Book Normativität
Eine ontologische Untersuchung Format: PDF

The book deals with a central question for the understanding of reality and the way in which human beings relate to it. Humans are creatures that can deliberate and define their actions by virtue…

Weitere Zeitschriften

Atalanta

Atalanta

Atalanta ist die Zeitschrift der Deutschen Forschungszentrale für Schmetterlingswanderung. Im Atalanta-Magazin werden Themen behandelt wie Wanderfalterforschung, Systematik, Taxonomie und Ökologie. ...

AUTOCAD Magazin

AUTOCAD Magazin

Die herstellerunabhängige Fachzeitschrift wendet sich an alle Anwender und Entscheider, die mit Softwarelösungen von Autodesk arbeiten. Das Magazin gibt praktische ...

Gastronomie Report

Gastronomie Report

News & Infos für die Gastronomie: Tipps, Trends und Ideen, Produkte aus aller Welt, Innovative Konzepte, Küchentechnik der Zukunft, Service mit Zusatznutzen und vieles mehr. Frech, offensiv, ...

DHS

DHS

Die Flugzeuge der NVA Neben unser F-40 Reihe, soll mit der DHS die Geschichte der "anderen" deutschen Luftwaffe, den Luftstreitkräften der Nationalen Volksarmee (NVA-LSK) der ehemaligen DDR ...

ea evangelische aspekte

ea evangelische aspekte

evangelische Beiträge zum Leben in Kirche und Gesellschaft Die Evangelische Akademikerschaft in Deutschland ist Herausgeberin der Zeitschrift evangelische aspekte Sie erscheint viermal im Jahr. In ...