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Dialektik der Natur

Vollständige Ausgabe

AutorFriedrich Engels
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl244 Seiten
ISBN9783849611699
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Dialektik der Natur ist das unvollendete Werk von Friedrich Engels zur Philosophie der Naturwissenschaften, das die Grundzüge des dialektischen Materialismus darstellt, in einer Kritik der Naturphilosophie und der metaphysischen Ideen, die in den Naturwissenschaften der Mitte des 19. Jahrhunderts verbreitet waren. Die Manuskripte bestehen aus insgesamt vier Konvoluten, die aus den Jahren vor und nach der Veröffentlichung des Anti-Dühring stammen, woraus zu Lebzeiten Engels' nichts veröffentlicht worden war. Nach seinem Tode erschienen daraus zwei Artikel in Zeitschriften. (aus wikipedia.de)

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Leseprobe

 


Wie wir sahen, gibt es zweierlei Formen, in denen mechanische Bewegung, lebendige Kraft verschwindet. Die erste ist ihre Verwandlung in mechanische potentielle Energie, durch Hebung eines Gewichts zum Beispiel. Diese Form hat das Eigentümliche, daß sie nicht nur sich in mechanische Bewegung rückverwandeln kann, und zwar in mechanische Bewegung von derselben lebendigen Kraft wie die ursprüngliche, sondern auch, daß sie nur dieses einen Formwechsels fähig ist. Mechanische potentielle Energie kann nie Wärme oder Elektrizität erzeugen, es sei denn, sie gehe vorher in wirkliche mechanische Bewegung über. Es ist, um einen Clausiusschen Ausdruck zu gebrauchen, ein »umkehrbarer Prozeß«.

 

Die zweite Form des Verschwindens mechanischer Bewegung findet statt bei Reibung und Stoß – die beide nur dem Grade nach unterschieden sind. Reibung kann gefaßt werden als eine Reihe nach- und nebeneinander vorgehender kleiner Stöße, Stoß als in einem Zeitmoment und auf einen Ort konzentrierte Reibung. Reibung ist chronischer Stoß, Stoß akute Reibung. Die mechanische Bewegung, die hier verschwindet, verschwindet als solche. Sie ist aus sich selbst zunächst nicht wieder herstellbar. Der Prozeß ist nicht unmittelbar umkehrbar. Sie hat sich verwandelt in qualitativ verschiedne Bewegungsformen, in Wärme, in Elektrizität – in Formen der Molekularbewegung.

 

Reibung und Stoß führen also hinüber von der Massenbewegung, dem Gegenstand der Mechanik, zur Molekularbewegung, dem Gegenstand der Physik.

 

Wenn wir die Physik als Mechanik der Molekularbewegung bezeichnet haben, so wurde dabei nicht übersehn, daß dieser Ausdruck keineswegs das Gebiet der heutigen Physik ganz umfaßt. Im Gegenteil. Die Ätherschwingungen, die die Erscheinungen des Lichts und der strahlenden Wärme vermitteln, sind sicher keine Molekularbewegungen im heutigen Sinn des Worts. Aber ihre irdischen Wirkungen treffen zunächst die Moleküle: Lichtbrechung, Lichtpolarisation usw. sind bedingt durch die Molekularkonstitution der betreffenden Körper. Ebenso wird jetzt von den bedeutendsten Forschern fast allgemein die Elektrizität als eine Bewegung von Ätherteilchen angesehn, und von der Wärme sogar sagt Clausius, daß an der

 

»Bewegung der ponderablen Atome« (wofür wohl besser Moleküle zu setzen wäre) »...auch der im Körper befindliche Äther teilnehmen kann« (»Mech. Wärmetheorie«, I, S. 22).

 

Aber bei den elektrischen und Wärmeerscheinungen kommen doch wieder in erster Linie Molekularbewegungen in Betracht, wie dies nicht anders sein kann, solange wir über den Äther so wenig wissen. Sind wir aber erst so weit, die Mechanik des Äthers darstellen zu können, so wird sie auch wohl manches umfassen, was heute notgedrungen zur Physik geschlagen wird.

 

Von den physikalischen Vorgängen, bei denen die Struktur der Moleküle verändert oder gar aufgehoben wird, soll später die Rede sein. Sie bilden den Übergang von der Physik zur Chemie.

 

Mit der Molekularbewegung erst erhält der Formwechsel der Bewegung seine volle Freiheit. Während, an der Grenze der Mechanik, die Massenbewegung nur einzelne andre Formen annehmen kann: Wärme oder Elektrizität, sehen wir hier eine ganz andre Lebendigkeit des Formwechsels: Wärme geht über in Elektrizität in der Thermosäule, wird identisch mit dem Licht auf gewisser Stufe der Strahlung, erzeugt ihrerseits wieder mechanische Bewegung; Elektrizität und Magnetismus, ein ähnliches Geschwisterpaar bildend wie Wärme und Licht, schlagen um, nicht nur ineinander, sondern auch in Wärme und Licht und ebenfalls in mechanische Bewegung. Und das nach so bestimmten Maßverhältnissen, daß wir eine gegebne Menge einer jeden in jeder andern, in Meterkilogrammen, in Wärmeeinheiten, in Volts ausdrücken können und ebenso jedes Maß in jedes andre übersetzen.

 

Die praktische Entdeckung der Verwandlung mechanischer Bewegung in Wärme ist so uralt, daß man von ihr den Anfang der Menschheitsgeschichte datieren könnte. Welche Erfindungen von Werkzeugen und Tierzähmung auch vorhergegangen sein mögen, es war das Reibfeuer, wodurch die Menschen zum erstenmal eine leblose Naturkraft in ihren Dienst preßten. Und wie sehr sich die fast unermeßliche Tragweite dieses Riesenfortschritts ihrem Gefühl einprägte, das zeigt noch der heutige Volksaberglaube. Die Erfindung des Steinmessers, des ersten Werkzeugs, wurde lange Zeit nach Einführung der Bronze und des Eisens noch gefeiert, indem alle religiösen Opferhandlungen mit Steinmessern vollzogen wurden. Nach der jüdischen Sage ließ Josua die in der Wüste gebornen Männer mit Steinmessern beschneiden; Kelten und Germanen gebrauchten nur Steinmesser bei ihren Menschenopfern. Das alles ist längst verschollen. Anders mit dem Reibfeuer. Lange nachdem man andre Arten der Feuererzeugung kannte, mußte alles heilige Feuer bei den meisten Völkern durch Reibung erzeugt sein. Aber bis auf den heutigen Tag besteht der Volksaberglaube in den meisten europäischen Ländern darauf, daß wunderkräftiges Feuer (z.B. unser deutsches Notfeuer) nur durch Reibung entzündet sein darf. So daß bis auf unsre Zeit das dankbare Gedächtnis des ersten großen Siegs des Menschen über die Natur im Volksaberglauben, in den Resten heidnischmythologischer Erinnerung der gebildetsten Völker der Welt noch – halb unbewußt – fortlebt.

 

Indes ist der Prozeß beim Reibfeuer noch einseitig. Es wird mechanische Bewegung in Wärme verwandelt. Um den Vorgang zu vervollständigen, muß er umgekehrt, muß Wärme in mechanische Bewegung verwandelt werden. Dann erst ist der Dialektik des Prozesses Genüge geleistet, der Prozeß im Kreislauf erschöpft – wenigstens zunächst. Aber die Geschichte hat ihren eignen Gang, und so dialektisch dieser schließlich auch verlaufen mag, so muß die Dialektik doch oft lange genug auf die Geschichte warten. Der Zeitraum muß nach Jahrtausenden zu messen sein, der seit der Entdeckung des Reibfeuers verfloß, bis Hero von Alexandrien (gegen -120) eine Maschine erfand, die durch den von ihr ausströmenden Wasserdampf in rotierende Bewegung versetzt wurde. Und wieder verflossen fast 2000 Jahre, bis die erste Dampfmaschine, die erste Vorrichtung zur Verwandlung von Wärme in wirklich nutzbare mechanische Bewegung, hergestellt wurde.

 

Die Dampfmaschine war die erste wirklich internationale Erfindung, und diese Tatsache bekundet wieder einen gewaltigen geschichtlichen Fortschritt. Der Franzose Papin erfand sie, und zwar in Deutschland. Der Deutsche Leibniz, wie immer geniale Ideen um sich streuend ohne Rücksicht darauf, ob ihm oder andern das Verdienst daran zugerechnet würde -Leibniz, wie wir jetzt aus Papins Briefwechsel (herausgegeben von Gerland) wissen, gab ihm die Hauptidee dabei an: die Anwendung von Zylinder und Kolben. Die Engländer Savery und Newcomen erfanden bald darauf ähnliche Maschinen; ihr Landsmann Watt endlich brachte sie, durch Einführung des getrennten Kondensators, im Prinzip auf den heutigen Standpunkt. Der Kreislauf der Erfindungen war auf diesem Gebiet vollendet: Die Verwandlung von Wärme in mechanische Bewegung war durchgeführt. Was nachher kam, waren Einzelverbesserungen.

 

Die Praxis hatte also in ihrer Weise die Frage von den Beziehungen zwischen mechanischer Bewegung und Wärme gelöst. Sie hatte zuvörderst die erste in die zweite und dann die zweite in die erste verwandelt. Wie aber sah es mit der Theorie aus?

 

Kläglich genug. Obwohl grade im 17. und 18. Jahrhundert die zahllosen Reisebeschreibungen wimmelten von Schilderungen wilder Völker, die keine andre Art der Feuererzeugung kannten als das Reibfeuer, so blieben die Physiker doch davon fast unberührt; und ebenso gleichgültig blieb ihnen im ganzen 18. Jahrhundert und in den ersten Jahrzehnten des 19. die Dampfmaschine. Sie begnügten sich meistens damit, die Tatsachen einfach zu registrieren.

 

Endlich, in den zwanziger Jahren, nahm Sadi Carnot die Sache auf, und zwar in sehr geschickter Weise, so daß seine besten nachher von Clapeyron geometrisch dargestellten Rechnungen bis auf den heutigen Tag bei Clausius und Clerk Maxwell ihre Geltung haben, und er der Sache fast auf den Grund kam. Was ihn verhinderte, sie vollständig zu ergründen, war nicht der Mangel an tatsächlichem Material, es war einzig – eine vorgefaßte falsche Theorie. Und zwar eine falsche Theorie, die den Physikern nicht durch irgendeine bösartige Philosophie aufgenötigt war, sondern eine, die sie mit ihrer eignen, der metaphysisch-philosophierenden so sehr überlegnen, naturalistischen Denkweise herausgeklügelt hatten.

 

Im 17. Jahrhundert galt, wenigstens in England, die Wärme als eine Eigenschaft der Körper, als

 

»eine Bewegung besondrer Art« (»a motion of a particular kind, the nature of which has never been explained in a satisfactory manner«.

 

So bezeichnet sie Th. Thomson zwei Jahre vor der Entdeckung der mechanischen Wärmetheorie (»Outline of the Sciences of Heat and Electricity«, 2nd ed., London 1840, [p. 281]). Aber im 18. Jahrhundert trat mehr und mehr die Auffassung in den Vordergrund, die Wärme sei wie auch das Licht, die Elektrizität, der Magnetismus, ein besondrer Stoff, und alle diese eigentümlichen Stoffe unterschieden sich von der alltäglichen Materie dadurch, daß sie kein Gewicht hätten, Imponderabilien seien.

 

Elektrizität10


 


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