E I N F Ü H R U N G
Es verfloss schon eine geraume Zeit, als der Name des französischen Wundermannes Coué durch Zeitungen, Zeitschriften, begeisterte Lobartikel wie fanatische Ablehnungen in die Laien- und Wissenschaftlerkreise der ganzen Kulturmenschheit drang. Es war ein Taumel, der Zeppelinbegeisterung zu vergleichen. Hatte dieser durch seinen Ballon das Reich der Lüfte bezwungen, so drang dieser wunderbare Heilarzt in die geheimsten Schlupfwinkel der Krankheiten, der seelischen und der körperlichen, rief ihnen seine Bannformel zu: Mit jedem Tag geht es mir in jeder Hinsicht immer besser und besser.
Der große Traum der Menschheit schien sich erfüllt zu haben. Diese geheimnisvolle Formel sollte nicht nur Krankheiten, sondern überhaupt alle Schicksalsschläge aus dem menschlichen Leben ausschalten.
So hoffte man wenigstens, solange der Couétaumel anhielt.
Es ging aber Coué wie seinem großen Vorgänger Mesmer in Paris, der den tierischen Magnetismus wieder in das Gedächtnis der europäischen Kulturmenschheit zurückrief. Der Mann, den die Königin Antoinette, der ganze Hof, die erlauchtesten Geister Frankreichs bewundert hatten, der eine Sensation für Frankreich geworden war, sank dann wieder in das Zwielicht erkaltender Interessennahme zurück.
Warum vergaß man auch Coué so schnell, wo er doch zweifellos vielen Menschen geholfen hatte?
War mit dem Couéismus der Stein der Weisen, das Universalheilmittel der leidenden Menschheit doch noch nicht gefunden worden?
Damals, als der Name Coué aufflammte, war es mein höchstes Ideal, das aufzubauen, was ein Theoprastus Bombastus Paracelsus, Faria, Mesmer usw. Gewollt hatten – und mit dem Schlussstein zu krönen, zum Heile der Menschheit.
Ich hatte eine Reihe von Patienten mit verschiedenen organischen und seelischen Krankheiten. Ich behandelte mit Hypnose, Suggestion, Magnetismus und Couéismus. In manchen Fällen genügte es, dass die Patienten nur zu mir kamen, um schon zu gesunden, manchmal ein beruhigendes, trostversprechendes Wort, um die Krankheit zum Weichen zu bringen. Offensichtlich war es der Glaube der Patienten an meine Heilkraft, der diese vermeintlichen Heilwunder vollbrachte.
Ich behandelte also nach psychischer Behandlungsart alter Meister wie auch des neuen Coué. Alle diese Männer sahen die ungeheuren Möglichkeiten der Heilung durch die Macht des Geistes. Sie erweckten durch ihre Persönlichkeit oder ihr mystisches Manipulieren in den Patienten den Glauben an eine geheimnisvolle Kraft, die ihnen helfen wird. Die Patienten glaubten an ihre Heilung – und deshalb kam sie, da der Glaube an die Gesundung ihre seelischen und körperlichen Vorgänge wieder normal funktionieren ließ.
Aber nicht immer gelingt dieses scheinbare Wunder der Heilung, da nicht alle Menschen blind daran glauben können, was man ihnen als Tatsache hinstellt. Die Unfähigkeit zu glauben steigert sich mit dem Grade der Höherentwicklung eines Menschen. An Stelle des Glaubens tritt dann die Erkenntnis. Sobald ein Mensch einen bestimmten Entwicklungsgrad erreicht hat, kann er nur dann eine Behauptung akzeptieren, wenn er von ihrer Richtigkeit überzeugt ist.
Bei solchen Menschen verläuft eine jede Suggestion vollkommen wirkungslos. Man kann ihnen nicht helfen, indem man einfach behauptet, dass es nun besser werden wird, man kann ihnen nur dann helfen, wenn man sie überzeugt, warum es nun besser werden muss. Ist dies geschehen, so gelingt allerdings das gleiche Wunder der Heilung wie früher beim blinden Glauben.
Solchen Menschen, und deren gibt es immer mehr, kann man mit den bisher üblichen Behandlungsarten nicht helfen. Damit ist aber durchaus nicht gesagt, dass solche Patienten vielleicht misstrauisch wären und sich den Suggestionen widersetzen würden. Das Gegenteil ist der Fall – sie geben sich sogar die allergrößte Mühe, dass sie wirken sollen. Nur ihr kritischer Verstand lässt sie die Suggestionen nicht vorurteilslos hinnehmen. Das Phänomen der sogenannten Glaubensheilung wirkt aber von dem Moment an nicht mehr, wo man dasselbe kritisch ergründen will.
Bei solchen Patienten versagte auch meine Kunst. Besondere Schwierigkeiten bereitete mir eine 73jährige Patientin, die an veralteter Arthritis, schwerem Magen- und Herzleiden und Alterserscheinungen litt. Ich unterwarf sie den verschiedensten psychischen Behandlungsarten. Sie hatte schon vor meiner Behandlung alles mögliche erfolglos versucht. Überall machte ihr kritischer Verstand den Erfolg zunichte. Ich erzielte wohl einige Erfolge, aber der Weg, um sie zu heilen, denn ich habe sie schließlich geheilt, war noch ein sehr weiter.
Es dauerte längere Zeit, bis ich all diesen Rätseln auf den Grund kam.
Allen, die mehr oder weniger mit einer diesbezüglichen Literatur vertraut sind, wird es als eine Binsenwahrheit vorkommen, wenn ich sage:
Der menschliche Gedanke ist realer als ein Motor mit Hunderten von Pferdekräften. Der Gedanke, der Zweifel des Philosophen, der Anruf des Philanthropen, das im Kopf des Agitators wühlende Räsonnement, dieses unsichtbare Ding, das sich bei ihm höchstens in einem zornigen Stirnrunzeln ausprägt und kenntlich macht, hat Bastillen umgeworfen, Throne gestürzt, Heere in die Flucht getrieben, Könige aufs Schafott geführt. Dieser Gedanke, den der grobklotzige Materialismus als eine Ausschwitzung des Gehirns gleich der des Urins durch die Nieren erklärte, wird heute doch höher eingeschätzt, heute, wo wir wissen, dass er unser gesamtes Schicksal bestimmt, über alles Materielle entscheidet und deshalb auch imstande ist, unseren Körper, diesen Komplex von Millionen Zellen, aufzubauen oder niederzureißen.
Sehen wir doch, dass traurige Gedanken: Spleen, Melancholie, Verzweiflung, Depression, Weltekel, Misanthropie usw. den Menschen auch körperlich niederdrücken, seinen Gang schleichend machen, seine Stirne furchen, seine Verdauung schwächen, seine körperliche Energie aufheben und lähmend seine Tätigkeit beeinflussen. Sehen wir doch, dass der Kranke, der über sein Leiden klagt und sich mutlos ins Bett legt, täglich kränker wird.
In einer medizinischen Wochenschrift stand eine auffallende Notiz. Ein Arzt ging in die Sommerfrische. Er hatte unter anderem zwei lungenkranke Patienten. Der eine war leicht lungenkrank, der andere schwer, reif für Davos oder Ägypten. Der Arzt gab seinem Stellvertreter Anweisungen bezüglich seiner Kranken. Bezüglich dieser zwei Kranken sagte er: dem Leichtkranken leichte Kur, dem Schwerkranken Aufenthalt in Davos. Der stellvertretende Arzt verwechselte die beiden Rezepte, bzw. Anweisungen und spricht zu dem Leichtkranken von Davos und umgekehrt. Die Folge dieser Verwechslung war: der Schwerkranke erfuhr eine auffallende Besserung, der Leichtkranke wurde aber in der Tat ernstlich und schwer krank.
Nehmen wir an, diese Darstellung sei übertrieben, obwohl die medizinische Wochenschrift für höchst gewissenhafte Berichterstattung bürgt, so muss sogar der Skeptiker zugeben, dass im Falle des Schwerkranken, davosreifen Lungenschwindsüchtigen die Ankündigung des Arztes, er sei nur sehr leicht krank, zunächst eine frohe, optimistische und gehobene Stimmung hervorbrachte, dass diese Stimmung unter anderem den Appetit und die Verdauung förderte, Bazillen vernichtete und so zur Folge hatte, dass sich sein körperliches Gesamtbefinden überraschend besserte.
Beim Leichtkranken dagegen rief die Ankündigung des Arztes eine seelische Depression hervor, die die schwere Erkrankung des früher Leichtkranken bedingte.
Die Gedankenkraft kann heilen oder töten. Sie hat Wunden geschlossen, die kein Balsam heilen konnte. Der Gedanke war die Arznei.
Marden berichtet, dass ein Mann in ein Krankenhaus gebracht wurde, schrecklich litt und so schwach war, dass er kaum den Kopf heben konnte. Er gab an, dass er sein aus mehreren Zähnen und der Platte bestehendes falsches Gebiss verschluckt habe, was ihm die schrecklichsten Schmerzen im Magen verursache. Der Arzt versuchte ihm diese Vorstellung auszureden, aber alles umsonst, bis endlich ein Telegramm von zu Hause eintraf, dass man das Gebiss unter dem Bett gefunden habe. Von seinem Leiden plötzlich befreit, stand der Mann auf, zog sich an und ging gesund nach Hause. Solange er meinte, dass das Gebiss in seinem Magen liege, konnte ihn nichts von seinen Schmerzen befreien. Was zuerst geändert werden musste, war eben sein Denken.
Auch die Empfänglichkeit für Ansteckung beruht auf geistigem Zustand. Man kann mit voller Sicherheit unter Kranken arbeiten, die ansteckende Leiden haben, wenn man diesen Krankheiten furchtlos und gelassen gegenübersteht.
Napoleon besuchte die Pestkranken, selbst wenn die Ärzte sich fürchteten hinzugehen und scheute sich nicht, die Hand auf manchen der Kranken zu legen. “Wer sich nicht fürchte“, sagte er, “werde auch die Pest bezwingen.“
Menschen mit nervöser Verdauungsstörung, ganz besonders Frauen, können selbst nicht recht begreifen, wie es möglich ist, dass sie bei...