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Traduire - Übersetzen. Übersetzungstheorien aus linguistischer Sicht am Beispiel von Georges-Arthur Goldschmidt

Übersetzungstheorien aus linguistischer Sicht am Beispiel von Georges-Arthur Goldschmidt

AutorBirgit Lonnemann
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl209 Seiten
ISBN9783640213986
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2000 im Fachbereich Romanistik - Französisch - Linguistik, Note: 2,0, Universität Osnabrück, 175 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Als Gegenstand der Übersetzungswissenschaft dient - wie der Name schon sagt - die Übersetzung. Im Deutschen und im Französischen, den beiden Sprachen, mit denen ich mich vorwiegend befasse, sind die Begriffe Übersetzung bzw. traduction doppeldeutig. Diese werden einerseits zur Bezeichnung des Prozesses, andererseits zur Bezeichnung des Produktes verwendet. Für die Übersetzungswissenschaft bedeutet dies, dass sie zum einen eine prospektive Wissenschaft ist, die Prozessforschung betreibt, zum anderen eine retrospektive, die sich mit Ergebnisforschung befasst. Da sich Übersetzungen nicht durch den bloßen Austausch von Wörtern verschiedener Sprachen bewerkstelligen lassen, sondern neben Denotationen und Konnotationen auch kultur- oder regionalspezifische Bedeutungen von Wörtern, Polysemien und Falsche Freunde zu bedenken sind, wundert es nicht, dass immer wieder Neuübersetzungen angefertigt werden, die die Frage nach dem Unterschied zwischen ewig jungen Originalen einerseits und alternden Übersetzungen andererseits aufwerfen. Im ersten Teil meiner Arbeit widme ich mich in erster Linie den Übersetzungstheorien, um einen theoretischen Rahmen für den zweiten Teil meiner Arbeit abstecken zu können. Dort steht Georges-Arthur Goldschmidts Übersetzung von Kafkas Proceß im Vordergrund. Sie dient, im Vergleich mit weiteren Übersetzungen, als Grundlage für die Erstellung eines semantischen Netzes nach Gerzymisch-Arbogast & Mudersbach (1998).

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Leseprobe

Teil II


 

5. Begründung der Textauswahl


 

Ursprünglich hatte ich geplant, eine Analyse der Übersetzung von Goldschmidts Autobiographie La Traversée des fleuves (1999) anzufertigen, da diese insofern interessant gewesen wäre, als dass der Autor sich dazu entschieden hat, diese selbst zu übersetzen[248], auch wenn er in verschiedenen Artikeln und Interviews immer wieder betont hat, ein Autor könne sein eigenes Werk auf keinen Fall übersetzen:

 

„Man kann sich selber nicht übersetzen, das ist total ausgeschlossen.“[249]

 

„[...] denn es ist unmöglich, die eigenen Texte zu übersetzen. Man kann immer nur einen anderen übersetzen, [...].“[250]

 

Wie mir der in Zürich ansässige Ammann-Verlag, der bereits mehrere deutsche Übersetzungen von Goldschmidts Werken herausgebracht hat – ebenso wie auch die beiden in deutscher Sprache verfassten Erzählungen -, auf Anfrage mitteilte, wird die Übersetzung der Autobiographie erst im Jahre 2001 erscheinen, so dass eine Analyse derselben für meine Arbeit nicht in Frage kam und ich mich nach etwas Anderem umsehen musste.

 

Letztendlich habe ich mich dann für eine Analyse der Übersetzung von Franz Kafkas Roman Der Proceß entschieden, aus dem ich die so genannte Türhüterlegende ausgewählt habe. Folgende Gründe waren für meine Auswahl entscheidend: Zum einen scheint Kafka zu den von Goldschmidt bevorzugten Autoren zu gehören. Zumanderen ist dieser Roman nicht nur von Goldschmidt, sondern auch von anderen Übersetzern ins Französische übersetzt worden. Zunennen sind hier neben dem Erstübersetzer Alexandre Vialatte z. B. auch Claude David und Bernard Lortholary. Um einen synchronen Vergleich mit einer zweiten französischen Übersetzung der Türhüterlegende aus Kafkas Proceß vornehmen zu können, habe ich mich dazu entschieden, die Übersetzung von Goldschmidt mit der im selben Jahr (1983) erschienenen Übersetzung von Lortholary zu vergleichen. Außerdem stand mir für meine Analyse noch eine Neuübersetzung der ersten drei Sätze zur Verfügung, die Georges-Arthur Goldschmidt extra für mich angefertigt hat, wofür ich mich an dieser Stelle nochmals bedanken möchte.

 

Dass ich mich nun gerade für die Türhüterlegende entschieden habe, hat zwei Gründe: Erstens handelt es sich dabei um eine abgeschlossene Legende, die auf Grund ihrer Länge (oder besser gesagt auf Grund ihrer Kürze) einen angemessenen Umfang für meine Arbeit darstellt. Sie ist auch als eigenständige Erzählung unter dem Titel Vor dem Gesetz[251] erschienen. Zweitens bildet die recht bekannte Türhüterlegende einen der wesentlichen und für den Verlauf des Proceß-Romans entscheidenden Stellen.

 

6. Georges-Arthur Goldschmidt: Leben und Werk


 

6.1 Stammbaum


 

Da eine Präsentation der Familie Goldschmidt auf Grund ihres Umfangs den Rahmen meiner Arbeit sprengen würde, sei an dieser Stelle ein von mir auf der Basis von Goldschmidts Autobiographie erstellter Stammbaum angeführt. Da mir an einigen Stellen nicht alle nötigen Informationen zur Verfügung standen, weist der Stammbaum einige Lücken auf.

 

 

Abbildung 16 – Stammbaum der Familie Goldschmidt

 

6.2 Biographie[252]


 

„[...] je ne suis pas ce que vous dites de moi e[t] je ne suis pas ce que j’en dis.“[253]

 

Georges-Arthur Goldschmidt[254] wird am 02.05.1928 in Reinbek bei Hamburg als jüngstes Kind von Dr. Arthur Goldschmidt und seiner Frau Catharina, geb. Horschitz geboren. Seine einundzwanzig Jahre ältere Schwester Ilse, nach deren Geburt die Mutter mehrere Fehlgeburten hat, und sein vier Jahre älterer Bruder Erich werden genau wie er protestantisch erzogen. Die zu dieser Zeit recht wohlhabende Familie Goldschmidt ist zwar jüdischer Herkunft, aber schon vor Generationen zum Protestantismus konvertiert.

 

Georges-Arthurs Vater Arthur Goldschmidt studiert zunächst in Freiburg Jura. Anfang 1900 wird er Amtsgerichtsrat und zwanzig Jahre später Oberlandesgerichtsrat. Zwei Mal lehnt er den Ruf an das Reichsgericht in Leipzig ab, und zwar in den Jahren 1925 und 1931.[255] Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland im Jahre 1933 wird Arthur Goldschmidt auf Grund seiner jüdischen Herkunft zwangspensioniert. Von da an widmet er einen Großteil seiner Zeit der Malerei.

 

Georges-Arthurs Mutter ist eine aus gutem Hause stammende hübsche Frau und eine begnadete Pianistin, jedoch manisch-depressiv und daher manchmal „unberechenbar“. Diese Situation ist für den kleinen Georges-Arthur häufig nur schwer verständlich und nicht nachvollziehbar.

Die seit Ende des sechzehnten Jahrhunderts in Norddeutschland ansässige Familie Goldschmidt hat Verbindungen zu heute berühmt gewordenen Familien wie den Heines, Mendelssohns, Fontanes und Oppenheimern. Arthur Goldschmidt und seine Frau Catharina, die im Jahre 1904 heiraten, verlassen Hamburg 1915 und ziehen in eine Villa in der Reinbeker Kückallee. Dort wird auch Georges-Arthur geboren; hier verbringt der am 30.12.1928 protestantisch getaufte Junge die ersten Jahre seines Lebens.

 

 

Abbildung 17 – Die Villa der Familie Goldschmidt in der Kückallee in Reinbek bei Hamburg[256]

 

Zu dieser Zeit ist die Familie Goldschmidt in hohem Maße in Deutschland integriert. Dieses geht sogar so weit, dass Georges-Arthur Goldschmidt in seiner Autobiographie schreibt:

„Il n’était peut-être guère possible d’être un enfant plus allemand que je ne l’étais alors.“[257]

 

Trotzdem bleibt die Familie von den grausamen Maßnahmen gegen die Juden, die seit der Machtübernahme Hitlers und der Nationalsozialisten immer stärker werden, nicht verschont. Das folgende Bild zeigt den kleinen Georges-Arthur und seine Familie im Garten ihres Hauses in Reinbek im Jahre 1931. Eine glückliche Familie – zumindest bis 1933.

 

 

Abbildung 18 – Die Familie Goldschmidt im Jahre 1931[258]

Doch wie schon mehrfach angedeutet, wird das Glück der Familie durch den Antisemitismus der Nationalsozialisten zerstört. Arthur Goldschmidt wird zwangspensioniert, die Familie darf keinerlei Personal mehr beschäftigen und muss in vielen Situationen mit geringen Mitteln auskommen. Der kleine Georges-Arthur, ein schwieriges Kind, darf die Volksschule, in die er seit 1935 geht, schon bald darauf nicht mehr besuchen. Er versteht all diese Dinge nicht, weil er nicht weiß, dass er Jude ist und auch nicht, was das Wort Jude bedeutet (Abgesehen davon sind die den Juden zur Zeit des Nationalsozialismus zugefügten Dinge ohnehin völlig unverständlich und nicht zu begreifen!).

 

Wegen der immer schwieriger werdenden Verhältnisse beschließen die Eltern, ihre beiden Söhne ins Ausland zu bringen, wo sie in Sicherheit wären. Dabei ist zunächst England im Gespräch,

 

„mais la branche anglaise de la famille, très satisfaite de ce qui nous arrivait – nous n’avions qu’à ne pas rester en Allemagne – fit savoir une nouvelle fois qu’elle ne lèverait pas le petit doigt.“[259]

 

Doch die Eltern geben nicht auf und finden für die beiden Söhne eine Unterkunft in Florenz. Und so ist Weihnachten 1937 das letzte Fest, welches die Familie gemeinsam in Deutschland feiern kann – und zwar in einem Sanatorium in Elbingerode im Harz, wo die Mutter zur Genesung verweilt – denn schon am Mittwoch, den 18.05.1938, müssen der zu diesem Zeitpunkt gerade elf Jahre alte Georges-Arthur und sein vier Jahre älterer Bruder Erich Deutschland verlassen. Sie kommen bei Paul und Ottilie Binswanger, jüdischen Emigranten, in Italien unter, wo sie sehr glücklich sind. Doch als auch Italien von den antisemitischen „Gesetzen“ heimgesucht wird, ist es nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Binswangers in Italien zu gefährlich. Letztere beschließen, nach Neuseeland zu emigrieren; die Kinder

werden von einer reichen Verwandten über die Grenze nach Frankreich gebracht, das zu diesem Zeitpunkt noch sicher ist. Am 08.03.1939 kommen Georges-Arthur und sein Bruder in Megève an. Sie werden im Collège Florimentane untergebracht, einem Kinderheim in den französischen Alpen, wo Georges-Arthur acht Jahre lang leben wird. In dem Kinderheim ist er körperlicher Gewalt und Bestrafung ausgesetzt, nicht nur durch seine Mitschüler, sondern auch durch die Direktorin Marie-José Lucas. Dennoch ist er hier zunächst in Sicherheit vor den Nationalsozialisten.

 

Aus der Zeit im Kinderheim bleiben Georges-Arthur Goldschmidt nicht nur die Züchtigungen in Erinnerung, sondern vor allem auch das sich zu Beginn seines Aufenthaltes stellende...

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