2. Transaktionskostentheorie
Die Charakterisierung des theoretischen Grundgerüstes der Transaktionskostentheorie steht im Zentrum der folgenden Ausführungen. Es soll eine Basis für die Übertragung ihrer Aussagen auf Anwendungen im Rahmen einer Analyse der Transaktionskosten in Bezug zum Global Sourcing geschaffen werden.
Das zentrale Anliegen der Neuen Institutionenökonomik ist die Erklärung und Gestaltung der Organisationseffizienz von Institutionen unter der Annahme begrenzt rational und opportunistisch handelnder Individuen.[2] Die Null-Transaktionskosten-Welt der Neoklassik durch die Annahme des vollkommenen Marktes hört damit auf zu existieren. Coase[3] beschrieb dies u. a. mit den Worten: „Einzuwenden ist im Wesentlichen, dass die Theorie der Neoklassik in der Luft schwebt. Es ist so, als ob man den Blutkreislauf ohne einen dazugehörigen Körper erforscht; Märkte bestehen ohne Gesetze, Regeln und Verträge.“
Basierend auf den Annahmen der Neuen Institutionenökonomik entwickelten sich mehrere methodisch verwandte Ansätze. Die drei Hauptströme darunter bilden die Property-Rights-Theorie, die Principal-Agent-Theorie und die Transaktionskostentheorie. Im Mittelpunkt der Property-Rights-Theorie stehen Verfügungs- und Handlungsrechte sowie deren Wirkungen auf das Verhalten von ökonomischen Akteuren.[4] Property Rights legen für den Inhaber von Rechten an einem Gut fest, wie und in welchem Maße er über dieses Gut verfügen kann. Ausgangspunkt der Principal-Agent-Theorie sind die Informationsasymmetrien zwischen Auftraggeber(Principal) und Ausführendem (Agent) in arbeitsteiligen Prozessen.[5] Derartige Beziehungen bestehen z.B. zwischen Abnehmer und Lieferanten oder Eigentümer und Manager. Die Agenten müssen veranlasst werden sich im Sinne des Auftrages des Principals zu verhalten. Die beiden Theoriestränge werden bei dieser Arbeit nicht weiter verfolgt. Der Fokus liegt ausschließlich auf den Transaktionskosten.
Die Transaktionskostentheorie beschäftigt sich mit den vielfältigen Austauschbeziehungen, die zwischen spezialisierten Akteuren arbeitsteiliger Wirtschaftssysteme bestehen. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass die Allokation der Ressourcen über den Preismechanismus des Marktes mit spezifischen Kosten verbunden ist.[6] Institutionen stellen den Rahmen für die Abwicklung von Transaktionen dar und konstituieren sich aus diesen. Die Transaktionskostentheorie ist als Versuch zu werten, die Probleme, die durch begrenzte Rationalität, Opportunismus und Distanz entstehen, zu systematisieren. Im Mittelpunkt des Interesses stehen Transaktionen und Institutionen, deren Auswirkung auf das Verhalten der Wirtschaftobjekte betrachtet wird. Die Einbeziehung von menschlichem Verhalten in die theoretischen Prämissen stellt eine gravierende Neuerung dar. Als grundlegende menschliche Verhaltensweisen sind u. a. die eingeschränkte Rationalität des handelnden Menschen oder zum anderen die Möglichkeit opportunistisches Verhalten zu verstehen. Dies steht in direkter Tradition einer verhaltensorientierten und angewandten Betriebswirtschaftslehre. In diesem Zusammenhang wird meist die institutionelle Extremform Eigenfertigung (hierarchische Koordination) oder Fremdbezug (marktliche Form) betrachtet. Dieser Sichtweise wird hier jedoch nicht gefolgt. Es erfolgt ausschließlich eine Analyse externer Transaktionskosten durch Fremdbezug in Verbindung mit Global Sourcing. Die Transaktionskosten durch Eigenfertigung bleiben bei dieser Arbeit unberücksichtigt.
Abbildung 1: Eigene Darstellung - Transaktionsformen
Ein weiteres Element der Transaktionskostentheorie stellen die Einflussfaktoren auf die Transaktionskostenhöhe dar. Die Höhe der Transaktionskosten stehen in einer bestimmten institutionellen Koordinationsbeziehung zueinander.[7] Das von Williamson entwickelte Transaktionskostenmodell zur Systematisierung hat inzwischen sechs Faktoren im Rahmen von drei Kategorien eingeführt. Die drei Kategorien sind menschliche Faktoren (begrenzte Rationalität und Opportunismus), Umweltfaktoren (Transaktionsatmosphäre) und transaktionsbezogene Dimensionen (Unsicherheit, Komplexität, Spezifität), welche in Kapitel 2.2 ausführlicher beschrieben werden.
2.1 Arten von Transaktionskosten
Coase hat schon früh die Frage aufgeworfen: “why is not all production carried out by one big firm?“[8] Dies führt uns auf die Abgrenzung der Transaktionskosten nach ihrem Entstehungsort hin. Beispielhaft lässt sich dies beschreiben als Analogie zu einer Maschine. Hier kommt es bei der Übertragung von Kräften über eine Schnittstelle hinweg zu Reibungsverlusten. So gibt es auch bei der Übertragung wirtschaftlicher Güter oder Leistungen Verluste, da bei jeder Transaktion auf dem Markt Kosten anfallen, die so genannten Transaktionskosten.
In der Literatur wird der Begriff der Transaktionskosten sehr unterschiedlich abgegrenzt, da er sich aus der Begriffsbestimmung der Transaktion ableitet, bei der die Autoren unterschiedliche Definitionen vertreten. Bisher gibt es weder eine allgemeingültige noch eindeutige Definition für Transaktionskosten – ein zentrales Problem der Transaktionskostentheorie. In der Literatur herrscht einzig und allein Einigkeit darüber, dass Transaktionskosten durch Transaktionen verursacht werden – die Diskrepanzen beginnen bei den Transaktionskostenarten,[9] da die Begrifflichkeiten äußerst vielschichtig sind. Es werden allgemein Markttransaktionskosten und Unternehmenstransaktionskosten unterschieden – eine Einteilung, die auch Jost vertritt. Des Weiteren sind noch politische Transaktionskosten zu nennen, auf die in dieser Arbeit jedoch nicht weiter eingegangen wird. Zu den Unternehmenstransaktionskosten zählen Kosten für die Nutzung von Dienstleistungsverträgen zwischen Unternehmen und den Beschäftigten.
Bei den Markttransaktionskosten, welche im Anschluss weiter aufgeschlüsselt werden, sind nicht nur monetär erfassbare Größen mit einbezogen, sondern auch schwer quantifizierbare Komponenten wie Mühe, Zeit oder Ärger.[10] Eine klare Trennung der Transaktionskosten ist jedoch nicht möglich. Denn jede externe Transaktion lässt sich auf eine interne Transaktion zurückführen. Beispielsweise erteilt die Funktion Produktion der Funktion Beschaffung die Anweisung, Betriebsstoffe zu ordern. Die Beschaffungsabteilung sucht nach geeigneten Lieferanten, vergleicht Preise, überprüft die Qualität und wählt einen Lieferanten aus. Es folgen die Vertragsverhandlungen, bei denen die Bedingungen spezifiziert werden und letztendlich wird der Vertrag geschlossen. Nach dem Vertragsschluss findet eine Lieferterminüberwachung und eine Qualitätsmessung statt. Die Anweisung Betriebsstoffe zu ordern, setzt eine Reihe von Transaktionen in Gang. Diese werden in der folgenden Abbildung dargestellt und im Anschluss aufgeschlüsselt:
Abbildung 2: Eigene Darstellung - Transaktionskostenarten
Vertragsanbahnungsphase
Die Suche nach geeigneten Geschäftspartnern ist für das Unternehmen mit Kosten verbunden. Auf der Verkäuferseite entstehen unmittelbar Kosten für Werbung, Anzeigen, Beratung, Besuche potenzieller Kunden etc. Auf der Käuferseite sind hier die Suchkosten des Beschaffungsmarketing, Vorbereitung für Ausschreibungsunterlagen zu nennen. Zu den Anbahnungskosten zählen ebenso die Kosten für Porto, Telefon, Internet. Auch der Preisvergleich verschiedener Anbieter ist Kostenfaktor in dieser Phase.
Vertragsabschlusskosten
Verhandlungs- und Entscheidungskosten stehen in direktem Zusammenhang mit dem Vertrag. Verhandlungskosten umfassen die Spezifikation der Rahmenbedingungen der Transaktion, Einigungskosten, die Festlegung von Preisen und anderen Details. Ebenso zählen die Kosten für ineffiziente Vertragsergebnisse zu den Vertragskosten. Weitere zusätzliche Kosten entstehen oft durch kostenintensive Rechtsberatungen.[11]
Überwachungs- und Durchsetzungskosten
Zu den Überwachungs- und Durchsetzungskosten zählen Kosten der Qualitätsmessung, Qualitätsprüfung, der Überwachung der vereinbarten Lieferfristen und Vertragsbedingungen. Hierzu zählen auch Verhaltenskontrollen zur Antikorruption. Oft werden diese Kostenarten auch als Kontrollkosten bezeichnet.
Somit ist festzuhalten, dass die Marktnutzung generell mit Transaktionskosten verbunden ist und einen allgemeinen theoretischen Ansatz zur individuellen Anpassung unterschiedlicher Situationen bei Global Sourcing bietet.
2.2 Einordnung und Abgrenzung der Begriffe
2.2.1 Transaktion
Den Begriff der Transaktion in die ökonomische Analyse einzuführen, ist der Verdienst von Commons.[12] Nach seinem Verständnis besteht eine Transaktion nicht in dem physischen Austausch von Waren oder Dienstleistungen, sondern in der Vereinbarung und der Regelung eines Tausches. Mit dieser Definition macht Commons auf zwei unterschiedliche Ebenen des ökonomischen Handels aufmerksam. Er trennt zwischen einer...