Die (neue) Beikost – Wie, wo, was, wann?
Liebe Eva,
nachdem Du Karline und mir vor einiger Zeit so toll das Stillen erklärt hast ;-), komme ich nun gerne auf Deinen Vorschlag zurück, uns bei der Beikosteinführung beratend zur Seite zu stehen.
Karline ist jetzt bald fünf Monate alt, glücklicherweise ja kern-gesund, altersgerecht entwickelt und putzmunter, und so langsam mache ich mir nun also Gedanken, wie das alles vonstattengehen soll.
Über ein wenig halbseidenes Halbwissen verfüge ich sehr wohl – allerdings reicht das nicht aus, um so einfache Dinge beschließen zu können wie: Zu welchem Zeitpunkt und wann fange ich an? Und, viel wichtiger: womit!!!? Mittags mit einer Sorte Gemüse? Wie genau zubereitet? In welcher Darreichungsform? Irgendwie kann ich mir das praktisch noch nicht so richtig vorstellen. Welche Mengen muss man denn da ungefähr zubereiten? Biete ich ihr vor oder nach dem Stillen etwas an?
Wenn sie großen Hunger hat, ist sie ja ziemlich unleidlich und hat sicher keine Geduld für einen Vorgang, der sich ihr ja überhaupt nicht erschließt (sie weiß ja noch gar nicht, dass durch Essen das blöde Gefühl im Bauch verschwindet!) – aber wenn sie schon satt ist, macht das Ganze ja sicher noch weniger Spaß!
Fragen über Fragen – vielleicht zerdenke ich das Ganze auch unnötig und mache es komplizierter, als es ist? Können wir uns bald treffen? Ich freu mich darauf.
Liebe Grüße
Loretta
Der richtige Zeitpunkt
Erst einmal: Das Thema Beikost ist viel weniger kompliziert, als es vielleicht auf den ersten Blick scheint, denn Ihr Baby wird Ihnen Zeitpunkt, Tempo, Sorte, Konsistenz und Menge auf seine Weise mitteilen! Wenn Ihr Kind noch völlig desinteressiert mit am Familientisch sitzt, ist es noch nicht bereit für die Beikost.
Wenn es hingegen schon:
- aufmerksam zuschaut, wie das Essen in Ihrem Mund verschwindet, vielleicht sogar schon Ihre Kaubewegungen nachahmt,
- mit nur wenig Unterstützung aufrecht auf Ihrem Schoß sitzen kann und den Kopf gut und stabil hält,
- nach Essbarem greift und es sich auch mal in den Mund steckt,
- sich vom Rücken auf den Bauch drehen kann,
- der Zungenstoßreflex (mit dem das Kind automatisch alles aus dem Mund herausschiebt) verschwunden ist
- … und alle Beteiligten gut drauf sind,
dann können Sie loslegen!
Interessant dabei ist, dass die Mund-Zungen- und Schluckmotorik eine Verbindung zum Drehen vom Rücken auf den Bauch hat. Durch das Drehen kann die Zunge im Mund auch eine gute seitliche Bewegung machen – sehr praktisch, wenn man das Essen im Mund herumschieben will, denn das ist die Voraussetzung, damit es mit der Beikost überhaupt klappt.
Das bedeutet im Umkehrschluss: Wenn ein Kind sich noch nicht drehen kann, wird es wahrscheinlich auch noch nicht so richtig bereit für die Beikost sein. Sie können es aber natürlich dennoch ausprobieren, wenn Sie möchten!
Mit etwa einem halben Jahr sind die meisten Kinder bereit für die Beikost – manche ein wenig früher, manche allerdings auch erst mit zehn Monaten oder später. Es ist übrigens vollkommen egal, ob schon erste Zähne vorhanden sind oder nicht, sie werden anfangs überhaupt nicht benötigt.
Gängige Empfehlung ist, mit einem Brei zu beginnen: Sie garen also ein Stück Gemüse oder Obst Ihrer Wahl und pürieren es mit ein wenig Garwasser zu einem möglichst homogenen Brei. (Oder natürlich: Sie kaufen ein Gläschen. Bitte achten Sie auf das Kleingedruckte, denn manchmal sind unnötige Zusätze, wie z.B. Zucker als Maltose, Fructose oder Glucose enthalten.) Sie lassen das Ganze auf Körpertemperatur (ca. 37 °C) abkühlen und probieren dann aus, ob sich das Baby mit dem Löffel füttern lässt.
Breiessen ist etwas ganz Neues für Ihr Kind, es sieht Sie mit einem Löffel, da ist was drauf – und weiter? Es muss erst einmal darauf kommen, dass es seinen Mund öffnen soll, wenn der Löffel in seiner Nähe ist. Wie bekommt es den Brei vom Löffel und wie kann es ihn schlucken? Einige Kinder kriegen ganz schnell raus, wie das alles funktioniert, und essen schon beim ersten Mal die Schüssel leer, andere sind erst nach Wochen so weit, einen Löffel Brei zu schlucken.
Bei Beikost geht es nicht um Sattwerden
Manche Kinder wollen lieber selbst essen, statt gefüttert zu werden. Für sie gibt es einen anderen Weg, den wir hier »Fingerfood« nennen, denn genau darum geht es: Sie bieten Ihrem Kind Essen an, das Kind greift es mit seinen Händen und entscheidet, was und wie viel es davon essen möchte.
Geben Sie Ihrem Kind z.B. gegartes Obst oder Gemüse in »Pommes-frites-Größe«. So kann es gut gegriffen werden und verschwindet nicht in der kleinen Faust. Wenn das Kind das Essen in der Hand hält, sollte davon oben und unten jeweils ein Stückchen aus der Faust rausschauen.
Es sollte so weich sein, dass Ihr Kind das Stück mit der Zunge am Gaumen oder mit den wahrscheinlich noch zahnlosen Kauleisten zerdrücken kann, es aber beim Zugreifen nicht zerfällt. Zum Kennenlernen, An- und Auslutschen können Sie Ihrem Kind z.B. ein Stück Gurke, Wassermelone oder Karotte (roh oder gekocht) anbieten. Natürlich kann das Baby die rohe Karotte und die Gurke (mehr dazu hier) nicht im Mund zerdrücken, es geht ja anfangs beim Selbstessen auch nicht unbedingt um Nahrungsaufnahme, sondern vielmehr um spielerische Kontaktaufnahme mit dem Essen, um Greifen, Zum-Mund-Führen, Abschlecken, Neue-Geschmäcker-Erleben.
Gut zu wissen: Anfangs geht es bei der Beikost nicht um Sättigung, sondern um Spielen, Nachahmen und Dabeisein am Familientisch – auf diese Weise wird das Baby langsam verschiedene Nahrungsmittel kennen- und essen lernen.
In den ersten Fingerfood-Beikost-Wochen wird Ihr Kind auf Essens-Entdeckungsreise gehen:
- Wie sieht das Essen aus, was ist überhaupt essbar, was ist nur Spielzeug?
- Wie lässt sich ein gegarter Brokkoli am besten greifen? Wie ein Stück Banane?
- Wie fühlt sich das Essen in der Hand an, wie im Mund?
- Wie schmeckt es, wie riecht es?
Beikost bedeutet: Muttermilch wird mit anderer Nahrung ergänzt, nicht ersetzt.
Anfangs wird am Essen konzentriert herumgelutscht, etwas wird vielleicht eingespeichelt und zermalmt, mal ein klitzekleines Stückchen heruntergeschluckt. Das hat eben noch nichts mit Nahrungsaufnahme und Sättigung zu tun. Macht aber nichts, denn Sie stillen nach wie vor nach Bedarf bzw. geben weiterhin Formulanahrung.
So ist Ihr Baby weiterhin gut mit allen Nährstoffen versorgt, die es braucht, und Sie haben überhaupt keinen Zeitdruck, möglichst schnell von Milch auf »unsere« Kost umzustellen. Ganz im Gegenteil: Ihr Kind sollte die Möglichkeit haben, langsam und gemütlich die Nahrungsvielfalt kennenzulernen. Die Umstellung darf ruhig ein halbes Jahr (oder länger) dauern. Wichtig ist, abwechslungs- und nährstoffreiche Kost anzubieten.
Ob Sie zuerst stillen oder erst feste Nahrung anbieten, ist dabei nicht festgelegt, denn Ihr Kind wird Ihnen auch hier den Weg zeigen. Vielleicht ist es so neugierig und aufgeregt, dass es erst Beikost haben will und Stillen erst im Anschluss interessant ist. Oder sie oder er möchte sich zuerst an der Brust satt trinken und kann sich dann mit vollem Magen ganz in Ruhe dem neuen Essen widmen. Kinder sind eben ganz verschieden. Mit der Zeit wird Ihr Kind schließlich immer mehr Beikost essen, wodurch sich die Mahlzeiten an der Brust langsam reduzieren werden. Spätestens dann hat Ihr Kind auch herausgefunden, dass nicht nur Muttermilch satt macht! Bei Flaschen-Kindern verhält sich das übrigens sehr ähnlich wie bei Still-Kindern.
Wenn Sie Ihrem Kind Fingerfood anbieten, wird es nicht gefüttert, sondern es soll selbstständig nach dem Essen greifen und es sich in den Mund stecken – wenn es das möchte!
Mit Zunge, Gaumen und Kiefer wird Ihr Kind dabei mit der Zeit so geschickt werden, dass es schließlich das Essen ganz klein zermanschen bzw. zermalmen und dann schlucken kann.
Diese andere Variante der Beikosteinführung ist in England vornehmlich durch das Buch Baby-led Weaning von Gill Rapley und Tracey Murkett bekannt geworden. Die meisten Babys finden diesen Weg sehr spannend! UNICEF und das Britische Gesundheitsministerium befürworten diese Art der Beikosteinführung.1
Sie müssen sich nicht für Brei ODER Fingerfood entscheiden (das sehen wir weniger strikt als die oben erwähnten Autorinnen), Sie können auch einfach beides ausprobieren oder kombinieren. Die Kinder zeigen schnell, welche Vorlieben sie haben. Beispielsweise bekommen manche Babys einen Brei (z.B. Fleisch-Kartoffel-Gemüse-Brei) gefüttert, und zum »Nachtisch« gibt es ein Stück Banane, Melone oder Apfel etc. zum Selbstessen als Fingerfood – warum nicht! Hauptsache, Eltern und Kind sind damit zufrieden! Jede Familie sucht und findet ihren eigenen Weg.
Alle Füße unter einen Tisch!
Kinder sind neugierig und lernen ganz viel durch Nachahmen, deswegen bietet es sich an, dass Sie auch essen, wenn das Baby isst, bzw. alle gemeinsam am Familientisch essen, so kann sich Ihr Kind von Ihnen etwas abschauen. Je nach Alter wird Ihr Kind sich auch am Gespräch mit beteiligen wollen, genau beobachten, wie so eine...