Studienarbeit aus dem Jahr 2001 im Fachbereich BWL - Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Note: 1, Universität Wien (Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte), Veranstaltung: Arbeitsgemeinschaft: Schmelztiegel Wien? Das goldene Wienerherz und die Fremden, Sprache: Deutsch, Abstract: Nach der amtlichen Volkszählung wohnten im Jahr 1910 in Wien 98.481 Tschechen und Slowaken. In der Tat waren es viel mehr. Allein die Zahl der in Wien lebenden Tschechen wird für das Jahr 1918 auf ca. 185.000 geschätzt, was ca. 8,3 Prozent der damaligen Wiener Bevölkerung entspricht.
In der vorliegenden Arbeit wurde eine Annäherung an das Thema auf zwei verschiedenen Wegen versucht. Einerseits wurden für das Frühjahr 1911 drei verschiedene Zeitungen der Wiener Tschechen durchgesehen, andererseits dienten Aufzeichnungen von Interviews, die Ende der 1990er Jahre mit älteren Menschen aus diesem Personenkreis aufgenommen worden waren, als Quelle. Aus beiden Arten von Quellen wird ersichtlich, wie groß die Schwierigkeiten sein können, sich als Gruppe zu behaupten und die eigenen Interessen durchzusetzen. Auf der einen Seite drohte die Gefahr der Abschottung und Isolierung, auf der anderen jene einer raschen und restlosen Assimilation. Immer wieder musste auch entschieden werden, wie weit man Kompromisse schließen kann, wenn es nicht zur völligen Zersplitterung der eigenen Gruppe kommen soll. Andererseits kamen bei den Interviews jedoch auch gelungene Versuche einzelner zur Sprache, sich in verschiedener Weise in eine vorerst neue Umgebung zu integrieren. Integration wird dabei als eine Form der Eingliederung verstanden, die mit gegenseitiger Akzeptanz und dem Zulassen von Mehrfachloyalitäten verbunden ist, während unter Assimilation der Prozess der Angleichung einer Gruppe an eine andere verstanden wird.
Sichtbar wurde bei dieser Untersuchung vor allem, dass zu einem gelungenen Zusammenleben zwischen verschiedenen Ethnien beide Seiten beitragen müssen. Das Modell 'Schmelztiegel Wien' der Jahrhundertwende war kein gutes Modell, da es einseitig war und auf Kosten der Eigenart der Immigranten ging. Andererseits führt die Bildung einer Art Ghetto der Einwanderer, um die eigene Kultur zu erhalten, wie es die ältere Generation der Wiener Tschechen teilweise versucht hat, zu kultureller Erstarrung. Da die Abschottung vor Zuwanderung weder eine humane, noch eine auf die Dauer praktikable Lösung ist, wird die Bildung einer 'multikulturellen Stadtgesellschaft', wie sie Fassmann vorschlägt, als erstrebenswerte Zukunftsperspektive angesehen.
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