Einführung
Als ich ungefähr zwölf Jahre alt war, kam mein Vater eines Tages von der Arbeit heim und brachte mir eine römische Münze mit, die er für mich gekauft hatte. Sie war schon ziemlich abgegriffen, auf der einen Seite war das Profil eines römischen Kaisers kaum noch zu erkennen. Aber ich war völlig fasziniert, als ich plötzlich begriff, dass es diese Münze schon eine so lange Zeit gab, wie ich es mir kaum vorstellen konnte. Sie gehörte in eine wirklich unglaubliche Welt, in der es Kaiser, riesige Gebäude, sagenhafte Kriege, Schurken und Helden gab. Und ich konnte einen Teil davon in meinen Händen halten.
Römische Geschichte ist wie ein Eintopf, in dem jeder Schnipsel ist, den Historiker und Archäologen in ihre Finger bekommen konnten. Es gibt keine Quelle zur römischen Geschichte, die alles auf einmal bietet. Kein umfangreiches römisches Lehrbuch, mit dem wir arbeiten können. Sogar die Römer selbst tappten ziemlich im Dunkeln, was ihre Geschichte anging. Sie hatten zwar Historiker, aber nur wenig Schriftliches ist uns erhalten geblieben. Schon die antiken Werke, die wir haben, sind meist unvollständig. Was wir wissen, ist Folgendes: Je weiter die Römer ihre Geschichte zurückverfolgten, desto größer wurden die Lücken, die sie dann mit Mythen und Legenden füllten.
Wenn man zurückdenkt an seinen Geschichtsunterricht oder die ein oder andere Fernsehsendung, dann ist man wahrscheinlich auf einiges gestoßen, das wirklich spannend klingt. Der Ausbruch des Vesuvs und die Zerstörung Pompejis 79 n. Chr. zum Beispiel. Man bekam aber wahrscheinlich auch den Eindruck, dass die Römer furchtbar ernste Menschen waren. Museen helfen oft auch nicht weiter, weil Vitrinen mit staubiger Keramik nicht besonders aufregend sind, vor allem dann, wenn man auf einem Klassenausflug mit einem Fragebogen losgeschickt wird.
Aber das Römische Reich gehört zu den spannendsten Epochen der Weltgeschichte. Diese Zeit ist nicht nur voll von echten Menschen, die ein echtes Leben führen, sondern sie ist auch voll von einer unendlichen Zahl an herausragenden Ereignissen, die den Aufstieg eines kleinen Dorfs in Italien kennzeichnen, das sich aus vorgeschichtlicher Belanglosigkeit heraus auf den Weg macht, um die bemerkenswerteste antike Hochkultur zu werden.
Die römische Welt umgibt uns. Europa, Nordafrika, der Nahe Osten, man findet ihre Trümmer überall. Vom zerfallenden Hadrianswall in Nordengland bis zu den Felsgräbern von Petra, wo die Römer auch waren, hinterließen sie etwas und schufen eine Weltmacht. Allein auf Grund der Tatsache, dass es das Römische Reich schon lange nicht mehr gibt, sollten wir es als Spiegel für unser eigenes Zeitalter nutzen. »All things must pass« hat George Harrison gesungen, und wenn es um Weltreiche geht, liegt er damit genau richtig.
Über dieses Buch
Lateinunterricht reicht zurück bis ins Mittelalter. Im 19. Jahrhundert, während der Regierungszeit von Königin Victoria, fanden die Briten die Römer ganz besonders toll und nutzten sie als eine Art Rechtfertigung für das, was sie taten: also im Wesentlichen die Welt erobern. So waren Latein und Alte Geschichte Hauptfächer, und das blieb für lange Zeit so. Generationen von Schulkindern – in den 1960ern war ich eins davon – mussten Latein lernen, um Zeilen wie »Caesar attackierte die Stellungen des Feindes« übersetzen zu können. Das Ergebnis war, dass die Römer wie ein recht langweiliges Volk von Generälen und Politikern erschienen, die ziemlich viel in ihren Togen rumstanden, wenn sie nicht gerade andere Leute massakrierten. Nicht gerade aufregender Stoff, und anscheinend völlig irrelevant für die Gegenwart. Aber dank der Archäologie, des Kinos und Fernsehens wecken sie wieder mehr Interesse.
Die Geschichte der Römer ist viel interessanter, als es den Anschein hat, deshalb ist die Idee des Buches, sie so zu erzählen, wie sie ist: eine Abenteuerreise mit erstaunlichen Ereignissen und erstaunlichen Menschen. Jetzt könnte man den Gedanken haben, dass alle Römer aus Rom kamen und dass sie das Römische Reich zu dem machten, was es war, und alle anderen schauten zu. Nein. Die Römer waren sehr geschickt bei dem, was sie taten. Sie verwandelten das Römersein in ein Konzept, einen Lebensstil, und jeder konnte das haben – zu bestimmten Bedingungen versteht sich. Man musste zum Beispiel die Herrschaft des Kaisers akzeptieren und zwar bedingungslos. Tatsache ist, dass viele Menschen genau das taten. Sie nahmen römische Namen an, lebten wie die Römer, und sie machten das, egal wo sie lebten. Es gab syrische Römer, nordafrikanische Römer, spanische Römer, britische Römer usw.
Stimmt, ich halte die Römer für brillant, aber deshalb halte ich sie noch lange nicht alle für gute Menschen. Und ich bilde mir ein, die Kehrseite des römischen Lebens erkannt zu haben. Alles in allem ist es schwierig, das Grauen des Amphitheaters, die Sklaverei oder die brutalen Massaker unschuldiger Zivilisten in den Eroberungskriegen zu verteidigen. Dieses Buch stellt zweifellos meine Sicht auf die römische Welt dar, aber ich habe versucht, sie ausgewogen zu beschreiben, sowohl das Gute als auch das Schlechte.
Ich musste natürlich vieles auslassen, also habe ich nur die Ereignisse und die Leute ausgewählt, die aus Rom gemacht haben, was es war – die Dinge, die zeigen, welche Auswirkungen das Römische Reich auf uns hat. Diese verbindenden Ereignisse sind allein meine Wahl, mit der man nicht zufrieden sein muss, aber das war schon immer das Vorrecht des Historikers.
Törichte Annahmen über den Leser
Beim Schreiben dieses Buches musste ich ein paar Vermutungen über meine Leser anstellen:
- Sie haben aus der Schulzeit eine ungefähre Vorstellung über die Römer.
- Sie wurden in den Ferien wohl zu der ein oder anderen römischen Sehenswürdigkeit geschleift.
- Sie sind im Grunde davon ausgegangen, dass die Römer aus Rom kamen.
- Sie sind begeistert von dem Gedanken, etwas Historisches zu lesen, das vollgepackt ist mit Mördern, Größenwahnsinnigen, Chaos, Korruption, Betrug, Dekadenz, Heldenmut und verrückten Göttern.
Wie dieses Buch aufgebaut ist
Es wäre sehr einfach gewesen, mit dem Anfang der römischen Geschichte zu beginnen und bis zum Ende über nichts anderes mehr zu schreiben. Aber wo bleibt der Spaß? Das Römische Reich war eine antike Hochkultur mit unzähligen aufregenden Ereignissen und interessanten Persönlichkeiten. In diesem Buch gibt es das Beste von beidem: Informationen darüber, was es bedeutete, ein Römer zu sein, und eine Zusammenfassung der römischen Geschichte. Die folgenden Abschnitte zeigen, was man in den einzelnen Teilen erwarten kann.
Teil I: Die Römer und ihre Welt
Im ersten Teil geht es darum, die Römer in den richtigen Zusammenhang zu setzen. Sie mögen ja heute recht populär sein, aber das waren sie eigentlich schon seit der Antike. Seitdem haben Herrscher und Regierungen immer wieder erkannt, dass die Römer gut darin waren, Verantwortung zu tragen. Dieser Teil beschreibt, wie und warum die Römer solch einen Einfluss auf spätere Kulturen hatten und das Vermächtnis einiger ihrer Ideen. Die Römer waren natürlich nicht nur rohe Kerle mit Brustpanzern. Sie hielten ihre Welt zusammen durch eine Mischung aus Gewalt und der Akzeptanz ihrer Gesellschaftsstruktur und ihrer Gesetze. Teil I untersucht auch die römische Gesellschaft: das Ständesystem vom Senator zum Sklaven; die Vorstellung der Römer ihre Herkunft betreffend, die harte Realität in der Armee und vieles mehr. Im Gegensatz zu den meisten anderen antiken Kulturen der westlichen Welt hatten die Römer ein Händchen dafür, eine Ordnung zu schaffen, die wirklich funktionierte – auch wenn der Chef manchmal ein rasender Irrer war.
Teil II: Man lässt sich’s gut gehen
Der Teil ist über den Alltag der Römer im Römischen Reich. Es kommt vieles darin vor, was man schon gehört haben wird, wie Gladiatoren im Kolosseum, Wagenrennen und Straßen. Daneben gibt es aber noch viel mehr, und der Gedanke ist, dass dieser Teil zeigt, wie die Menschen im Römischen Reich sich amüsierten, wie sie sich fortbewegten, wo und wie sie lebten; zu welchen Göttern sie in der Hoffnung beteten, dass diese sie vor all den üblen Dingen, die die Natur zu bieten hat, schützen. Hier gibt’s auch noch ein bisschen was über die römische Wirtschaft – nein, keine Kreisdiagramme und Statistiken –, über den internationalen Handelsplatz, den die Römer sich selbst geschaffen haben.
Teil III: Der Aufstieg Roms
Vor Urzeiten war Rom nur ein Dorf von Tausenden in Italien, deshalb scheint es fast unmöglich zu verstehen, warum gerade dieses Dorf so mächtig werden konnte. Unnötig zu erwähnen, dass das nicht über Nacht passiert ist. Wie bei vielen großen Erfolgsgeschichten üblich hatte das Römische Reich einen ziemlich holprigen Start. Nicht nur das, der Beginn liegt irgendwo mitten im Nebel von uralten Legenden verborgen. Dieser Teil führt von den allerfrühesten Anfängen über die Folge von Kriegen und Machtkämpfen, durch die die Römer nach und nach die Kontrolle über Italien gewannen. Es ist klar, dass niemand so mächtig wird, ohne dass andere es mitkriegen, deshalb beschreibt dieser Teil auch die ersten größeren internationalen Auseinandersetzungen wie die Punischen Kriege,...