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ABER VATI! (1974/79)
P DFF 1974/79 Sd 1., 4., 6.1.1974, 25.8.1979, DFF (4 Teile) R Klaus Gendries B Hermann Rodigast, Klaus Gendries K Eberhard Borkmann, Hans-Jürgen Sasse M Rudi Werion Sz Norbert Günther, Udo Scharnowski S Vera Nowark T Rosemarie Linde, Horst Mathuschek Ko Maria Welzig
D Erik S. Klein (Erwin Mai), Rolf und Rudi Lemcke (Kalle und Kulle), Marianne Wünscher (Elsbeth), Martin Trettau (Fred), Helga Labudda (Monika), Ewa Szykulska (Sybille), Erich Petraschk (Opa Büttner), Ina Reuter (Fränze), Volkmar Kleinert (Edgar Seinert), Maria Mallé (Ulla Lindig), Hans Teuscher (Buchholz), Janett Koos (Sophia), Kathrin Brose (Birgit), Günter Wolf (Bork)
Der geschiedene Erwin Mai ist als Alleinerziehender mit seinen 11-jährigen Zwillingen Kalle und Kulle überfordert. In seinem Betrieb ist er zwar ein As, aber zu Hause ein Versager. Das findet zumindest seine Schwester Elsbeth, die sich um die Zwillinge kümmert. Sie drängt Erwin, wieder zu heiraten, da die Kinder, die mit ihren Streichen Nachbarn und Lehrer zur Verzweiflung bringen, unbedingt eine Mutter brauchen. Gegen diesen Wunsch sträuben sich sowohl Erwin als auch Kalle und Kulle, aber Erwin kommt schließlich zur Einsicht, dass es so nicht mehr weiter geht. Seine Partnersuche führt zunächst zu einer ziemlich jungen Reisebekanntschaft, doch die Zwillinge favorisieren die Karussellbesitzerin Marion, die er dann auch heiratet. Kalle und Kulle sind zufrieden, sie haben nicht nur eine Mutter, sondern auch eine 7-jährige Schwester. Doch neue Turbulenzen lassen nicht lange auf sich warten, vor allem, als die erste Ehekrise ausbricht. Der vierte Teil spielt fünf Jahre später. Die Kinder sind inzwischen Teenager und haben nun ganz andere Probleme. Außerdem ist noch ein vierjähriges Schwesterchen da. Als die Mutter auf einen Lehrgang geht, steht schon kurz nach ihrer Abreise alles Kopf.
Dieser familienserienartige TV-Mehrteiler war einer der größten Publikumserfolge des DDR-Fernsehens. Er spiegelt einen Trend im DDR-Fernsehspiel der 70er Jahre wider, den des betont apolitischen, komödiantischen Reflektierens der Alltagswelt (vgl. FLORENTINER 73). ABER VATI bezweckte jedoch nicht nur Unterhaltung, sondern sollte auch die Bewältigung alltäglicher Erziehungsprobleme vermitteln. Diese didaktische Komponente zeigt sich vor allem im sich verändernden Verhalten des Vaters, der zu einem größeren Verantwortungsbewusstsein findet und seine neue Frau, die er zunächst nur der Kinder wegen geheiratet hat, als wirkliche Partnerin schätzen lernt. Auf einem wesentlich höheren Niveau und mit negativ akzentuierten Männerfiguren problematisiert der Mehrteiler EVA UND ADAM die Partnerbeziehung in der sozialistischen Gesellschaft.
Literatur: Klaudia Wick: Ein Herz und eine Serie. Wie das Fernsehen Familie spielt, Freiburg 2006, S. 98–112.
DVD: Studio Hamburg / DDR TV-Archiv
P ZDF 1995 Sd 20.3.1995, ZDF R/B Uwe Frießner K Hartwig Strobel M Axel Donner Ko Anne-Gret Oehme
D Susanne Bormann (Pattie), Pierre René Müller (Sven), Philipp Dümcke (Fabian), Ilona Schulz (Mutter), Eduard Burza (Olaf), Thomas Frindt (Lars), Stefan Riedner (Pit), Markus Kunze (Aki), Janusz Cichocki (Leszek)
Eine Straßengang von noch nicht ganz 14-jährigen (also noch nicht strafmündigen) Kids im Plattenbau-Milieu des Berliner Ostens klaut Autos. Sie veranstalten damit Wettrennen und ab und zu auch einen Crash. Da sie noch nicht strafmündig sind, kann die Polizei nicht mehr tun, als sie jedesmal nach Hause zu schicken zu ihren kaputten Familien. Svens Mutter nimmt Drogen, Patties Mutter, Kassiererin im Supermarkt, angelt sich ständig die falschen Kerle. Den Eltern flattern allerdings saftige Rechnungen der Autoversicherer ins Haus. Pattie unterschlägt diese Post, da ihre Mutter niemals 12000 Mark aufbringen könnte. Deshalb «professionalisieren» Pattie und Sven ihr Hobby: Sie verschachern die geklauten Wagen an eine polnische Autoschieber-Gang. Bei Verfolgungsjagden mit der Polizei gibt es neue Blechschäden und neue Forderungen der Autoversicherer. Aus diesem Teufelskreis finden die Protagonisten nicht mehr heraus, Patties Mutter erhängt sich. Dennoch hat der Film einen harmoniehaft-irrealen, wohl ironisch gemeinten Schluss: Pattie und ihr Freund verlassen Hand in Hand das Bild in eine Mond-Kulisse.
Frießners Film dringt zwar nicht zu den gesellschaftlichen Hintergründen von Jugendkriminalität vor, doch zeichnet er sentimentalitäts- und pathosfrei ein stimmiges Bild einer von ihren Eltern sich selbst überlassenen Generation, die unentschieden zwischen Abenteuerlust und Sehnsucht nach Harmonie schwankt. Die Jury des Adolf-Grimme-Preises würdigte bei ihrer Preiszuerkennung vor allem die Sprache des Mädchens: «Im Mittelpunkt und am Ende des Films (...) steht die knapp 14-jährige Pattie, die eine eigene, überlebenstüchtige Individualität gewonnen hat. Sie ist nicht den Verhältnissen ausgeliefert, sondern gewinnt ein beeindruckend eigenständiges Profil. Dies gelingt vor allem durch zweierlei: Das Mädchen spricht mit anderen (...) in einer Sprache, die genau ist. Kein Wort überflüssig, aufgesetzt, belehrend. Dies wird abgesichert durch die überzeugende schauspielerische Leistung von Susanne Bormann. Was ‹cool› unter Jugendlichen meint, kann man selten so genau erfahren, wie bei Pattie.»
«Kein Meisterwerk, aber eine sehr direkte, zum Nachdenken anregende Momentaufnahme.»
(Dieter Deul, FR,22.3.1995)
P WDR 1998 Sd 3.6.1998, ARD R Frank Beyer B Ulrich Plenzdorf, Frank Beyer L Manfred Krug K Eberhard Geick Sz Thomas Knappe S Clarissa Ambach T Elisabeth Mondi Ko Ingrid Zoré RAss Irene Weigel D Peter Lohmeyer (Manfred Krug), Karoline Eichhorn (Ottilie), Hermann Lause (Werner Lambertz), Peter Donath (Manfred S), Ann-Kathrin Kramer (Erika S), Uwe Kockisch (Jurek Becker), Jürgen Hentsch (Stefan Heym), Ute Lubosch (Christa Wolf), Manfred Gorr (Gerhard W), Karl Kranzkowski (Heiner Müller), Hermann Beyer (Frank Beyer), Thomas Dehler (Ulrich Plenzdorf), Matthias Günther (Klaus S), Ulrich Matthes (Eberhard Esche), Thomas Neumann (Eberhard H), Viktor Deiß (Heinz A), Günter Junghans (Jochen H), Gunter Schoß (Hans Dieter M)
Am 20.11.1976, kurz nach der Biermann-Ausbürgerung, wogegen die herausragenden DDR-Künstler eine Protestnote unterschrieben hatten, versammelten sich in Manfred Krugs Haus Autoren, Regisseure und Schauspieler (u. a. Stefan Heym, Christa Wolf, Jurek Becker, Heiner Müller, Frank Beyer, Ulrich Plenzdorf) und eine Abordnung des Politbüros, um «vertraulich» über die Krise zwischen Staat und Künstlern zu reden. Denn die Protestnote hatte bei den DDR-Oberen wie ein Bombe eingeschlagen: «Das Wort ‹Protest› rast wie eine Bowling-Kugel unter die Politbüro-Kegel: Alle Neune» (Krug). Krug ließ bei dem Gespräch heimlich ein Tonband mitlaufen. Die Künstler drängen auf eine Rücknahme der Ausbürgerungs-Entscheidung und auf eine Veröffentlichung ihrer Protestnote in der DDR (die dort nur aus den West-Medien bekannt ist). Werner Lambertz, Chef der Agitations-Abteilung im Politbüro, mimt den Gekränkten, zu einer Einigung kommt es nicht. Am 19.4.1977 stellt Krug einen Ausreiseantrag und pocht auf den offiziellen Instanzenweg. Der Kulturminister versucht, ihn mit Zugeständnissen zu halten. Lambertz erhebt Einspruch gegen den Antrag und will Krug «zwingen» hierzubleiben, sieht aber letztlich ein, dass es keinen Sinn hat. Krug hat Angst, dass eine Rufmordkampagne das Verhältnis zu seinem Publikum zerstört, und dass er im Westen in seinem Alter von vorn beginnen müsste. Außerdem ist er mit einem IM unter seinen Freunden konfrontiert. Schließlich ist es soweit: Manfred Krug wird an der Bornholmer Brücke von TV-Reporter Dirk Sager in Empfang genommen.
Gedreht wurde zwar im Westen, aber mit Original-Requisiten aus Krugs Haus. Er selbst tritt als ironischer Kommentator zwischen den Szenen auf.
Die als «Docu-Fiction» inszenierte und sich ganz auf die wörtlichen Dialoge konzentrierende Umsetzung von Manfred Krugs Erinnerungsbuch wurde mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. Die Jury konstatierte in ihrer Begründung: «Die für Unbeteiligte unbegreifliche...