VORWORT
Seit über 10 Jahren kenne ich Donnie Yance, und seit 5 Jahren arbeite ich mit ihm zusammen. Was uns zusammenbrachte, war der gemeinsame Wunsch, eine Gesamtkonzeption zu entwickeln, um Menschen zu helfen, mit den Herausforderungen von Krebserkrankungen zurechtzukommen.
Nach meinem Medizinstudium und – praktikum begann ich 1975 einen Fachbereich zu erforschen, der inzwischen abwechselnd integrative, holistische (ganzheitliche) oder funktionelle Medizin genannt wird. Viele Krebspatienten, die an einem ähnlichen Konzept interessiert waren, suchten mich als Arzt auf.
Nachdem ich viele Konzepte der Komplementär- und Alternativmedizin (Complementary and Alternative Medicine, CAM) zur Krebstherapie untersucht und 12 Jahre lang in der integrativen Medizin praktiziert hatte, frustrierten mich die Grenzen dessen, was man erreichen konnte, immer mehr. Ich beschloss, dass ich die »andere Seite« studieren musste. Später konnte ich das, was ich mit CAM erreichen konnte, mehr schätzen – nachdem ich nämlich die irgendwie sinnlosen Konzepte der konventionellen Onkologie gegen metastasenbildenden Krebs (mit Ausnahme von Keimzelltumoren, Lymphomen und Leukämie) kennengelernt hatte.
1988 nahm ich eine krankenhausbasierte Weiterbildung auf, schloss am Los Angeles County Hospital eine Fachausbildung zum Internisten ab und machte weitere Facharztausbildungen am Santa Clara Valley Medical Center und am Klinikum der Stanford University. In der Folge absolvierte ich ein 3-jähriges Stipendium in medizinischer Onkologie und Hämatologie an der Scripps Clinic in La Jolla, Kalifornien, und forschte 2 Jahre lang an der Abteilung für Immunologie des Scripps Research Institute über Tumorimmunologie. Zunächst erwarb ich eine Zulassung als Facharzt für Innere Medizin, medizinische Onkologie und Hämatologie, später dann auch als Ernährungsspezialist sowie in integrativer und ganzheitlicher Medizin (für diese Bereiche hatte es zwischen 1975 und 1988, als ich darin klinisch tätig war, noch gar keine Zulassungen gegeben). Danach wandte ich mich der aufstrebenden Disziplin der integrativen Onkologie zu, zuerst in einer Privatpraxis und als Krankenhausarzt und dann als Berater anderer Ärzte, die Krebspatienten behandelten, sowohl mit integrativer Medizin als auch mit klassischer Onkologie.
Als ich Donnie 1999 kennenlernte, war ich von seinem tief greifenden und breit gefächerten Wissen auf den Gebieten der Laboratoriumsmedizin, der onkologischen Pathologie und der Molekularonkologie sowie von seiner Kompetenz in puncto Ernährung und Pflanzenheilkunde beeindruckt. Obwohl er keine formale medizinische Ausbildung vorzuweisen hat, weiß Donnie mehr über Molekularonkologie als jeder mir bekannte Onkologe – vielleicht mit Ausnahme von mir selbst. Und obwohl ich seit 5 Jahren intensiv die Pflanzenheilkunde studiere, habe ich keine Hoffnung, jemals Donnies Fachkenntnis zu erreichen, die er in mehr als 25 Jahren intensiver Studien erworben und verfeinert hat.
Die Pflanzenheilkunde umfasst eine riesige Wissensdatenbank. Studenten aus 4-jährigen didaktischen Pflanzenheilkunde-Programmen (wie es sie in Großbritannien gab) kennen bei ihrem Abschluss 400 pflanzliche Arzneistoffe. Über den Erdball verteilt werden aber mehr als 4000 Pflanzenheilstoffe angewendet, und mehr als zehnmal so viele haben heilkundliche Eigenschaften. Die einzigen mir bekannten Ärzte, die echte Experten auf diesem Gebiet sind, haben die Pflanzenheilkunde viele Jahre lang studiert und praktiziert, ehe sie eine medizinische Hochschule besuchten. Und hat man erst einmal studiert und praktiziert später als Arzt, ist es sehr schwer, die nötige Zeit und die Mittel aufzubringen, um die Pflanzenheilkunde überhaupt auszuführen und zu integrieren. Selbst die Ausbildung zum Naturheilarzt, die viel mehr Wert auf Ernährungs- und Pflanzenheilkunde legt als das Studium der konventionellen Schulmedizin, widmet sich der Pflanzenheilkunde nicht viel länger als 1 Jahr. Das reicht zwar aus, um einen Überblick über diesen Bereich zu bekommen, aber um wirkliche Fachkenntnis zu erlangen, ist sehr viel nachuniversitäre Weiterbildung erforderlich.
Durch die aufkommende Wissenschaft der Epigenetik – der Art und Weise, wie Umwelt, Ernährung und Lebensstil die Expression unserer Gene stark beeinflussen und regulieren – wurde mir klar, dass Kräuterkundige aufgrund ihres großen Wissens über den Einfluss der Kräuterheilkunde auf die Gesundheit des Menschen eigentlich virtuose Epigenetiker sind. Nur ist ihnen gar nicht bewusst, dass sie die Genexpression manipulieren.
Im 20. Jahrhundert entstand im Zuge der rapide eskalierenden Wissenschaften der Chemie und der Pharmakologie die pharmazeutische Industrie, die immer stärkere Substanzen entwickelte, um spezifische Ziele im menschlichen Stoffwechsel und der menschlichen Pathologie zu blockieren. Viele unserer modernen pharmazeutischen Komponenten wurden ursprünglich aus Pflanzen extrahiert, dann veredelt, synthetisiert und verändert – um sie sowohl wirkungsvoller als auch patentfähig zu machen (da aus unerfindlichen Gründen unser derzeitiges Patentrecht »natürliche Komponenten« als nicht patentfähig erachtet). In der entwickelten Welt haben solche pharmazeutischen Verbindungen, die im nanomolaren bis pikomolaren Bereich aktiv sind, die pflanzlichen Arzneistoffe unserer Vorfahren großteils ersetzt. Von Letzteren aber wissen wir inzwischen, dass sie viele komplexe chemische Komponenten enthalten, die im millimolaren bis mikromolaren Bereich aktiv – also etwa tausend- bis millionenfach weniger wirksam – sind.
Die hohe Wirksamkeit pharmazeutischer Arzneistoffe ist in medizinischen Notfallsituationen von hohem Wert, in denen wir die Physiologie der Patienten »besitzen« wollen, um sie des kurzfristigen Nutzens wegen zu kontrollieren. Doch wir sind erst dabei zu lernen: Genau dieser Mangel einer solchen Potenz ist es, der der Fähigkeit pflanzlicher Arzneistoffe zugrunde liegt, die Humanphysiologie zu regulieren und zu integrieren, statt sie zu kontrollieren. Und genau das macht sie in der langfristigen Einnahme so wertvoll. Beispielsweise zeigt die zunehmende Forschung auf dem Gebiet der Epigenetik bei Krebs, dass Wirkstoffe, die Methylgruppen von der DNA entfernen, dies in Regionen tun, wo wir dies wünschen, aber auch in Regionen, in denen es unerwünscht ist. Pflanzliche Polyphenole wie Kurkumin (aus dem Gewürz Kurkuma) entfernen tatsächlich Methylgruppen von der DNA in Tumoren aus Bereichen, wo wir dies wünschen (um die Expression von Tumorsuppressorgenen zu verbessern) und fügen sie zudem DNA-Sequenzen hinzu, die wir ausschalten möchten (wie etwa Onkogenen). Dadurch verhalten sich die Tumorzellen eher wie normale Zellen. Keine unserer pharmazeutischen Drogen besitzt diese offensichtliche Intelligenz. Donnie würde sagen, die Intelligenz der pflanzlichen Arznei stamme von der göttlichen Quelle der Schöpfung; Evolutionärbiologen würden sagen, sie stamme von der Intelligenz der Evolution, was im Grunde wohl das Gleiche bedeutet.
Einfach gesagt sind pharmazeutische Drogen dafür konzipiert, Symptome zu unterdrücken, nicht dafür, die Physiologie umzustrukturieren und in Einklang zu bringen. Seit 1980 ist der Konsum verschreibungspflichtiger Medikamente in den USA um das 18-Fache gestiegen, während gleichzeitig die meisten Gesundheitsmarker zurückgingen. Ganz offensichtlich funktioniert die Strategie »Eine Pille für jede Krankheit« nicht wirklich gut, zumindest in Bezug auf die öffentliche Gesundheit.
Dieses Buch konzentriert sich auf die speziellen pflanzlichen Komponenten und Pflanzen, die als Adaptogene identifiziert wurden. Den Begriff »Adaptogene« prägten in den 1960er-Jahren russische Wissenschaftler, deren Geschichte hier ebenfalls erzählt wird. Adaptogene Substanzen sind nahezu ausschließlich pflanzlichen Ursprungs und haben durchweg die Fähigkeit, die Widerstandskraft gegen Stress jedweder Art – sei er umweltbedingt, emotionaler, mentaler oder physischer Natur – zu erhöhen. Zudem normalisieren sie Funktionen, indem sie jene erhöhen, die zu dürftig sind, und andere dämpfen, die zu stark sind. Im Hinblick auf pflanzliche Intelligenz sind sie sozusagen die Genies im Pflanzenreich. Viele der »primären« Adaptogene sind Pflanzen, die in extremen und rauen Umgebungen wie etwa Sibirien gedeihen. Wahrscheinlich produzieren sie diese adaptogenen Komponenten, um unter diesen Bedingungen zu überleben. Dieselben Substanzen verleihen uns diese Fähigkeit, wenn wir diese Pflanzen zu uns nehmen.
Trotz aller Komplexität und Perfektion der modernen Medizin sind ihr die pflanzlichen Arzneistoffe – die Wissenschaftler nun mit anspruchsvollen Technologien erforschen – nachweislich mindestens ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen. Nur werden sie häufig auf einem mechanischen Niveau nicht wirklich durchschaut – trotz der Tatsache, dass wir sie Hunderte, zum Teil Tausende von Jahren erfolgreich nutzen, um die Gesundheit des Menschen zu erhalten und wiederherzustellen. Viele Wissenschaftler, die sich dem Studium der inneren Funktionsweise von Pflanzenverbindungen verschreiben, stammen aus asiatischen Kulturen, die ihre eigenen tief greifenden Traditionen im Bereich der Pflanzenmedizin haben und deren Mitglieder nach wie vor zur Heilung zum großen Teil auf diese Kräuterarzneien angewiesen sind.
Ich möchte nun sehen, wie in der pharmazeutischen Medizin ein neues Zeitalter anbricht, in dem wir zu bioidentischen Komponenten zurückfinden – zu Substanzen also, die in genau derselben Form in Pflanzen vorkommen, die aber durch moderne chemische Synthese in viel größeren Mengen zu viel geringeren Kosten hergestellt werden können – und wegkommen von ihren...