Zeichen 5 – Wandel der Werte
Soziale Unruhen werden gegebenenfalls aus dem gesellschaftlichen Kontext entstehen, in dem wir uns derzeit befinden. Bisher geltende Normen sind bereits im Wandel begriffen.
Hier ein analytischer Blick auf die aktuellen Veränderungen, die als weitere Zeichen der Zeitenwende zu werten sind.
Wir leben – ich möchte fast sagen, wir lebten – in einer Wertschöpfungsgesellschaft, also in einer Gesellschaft, in der es geltende Ausrichtung ist, Werte zu schaffen, zu erhalten und zu mehren.
Diese allgemein weitverbreitete Norm unseres Zusammenlebens auf der Basis einer immanenten Wertschöpfung ist die wahrscheinlich größte Fehlleitung unserer Lebensweise, wie ich später noch erläutern werde, denn bisher wurden gesellschaftliche Werte stets mit Besitz und Ausschließlichkeit verbunden, anstatt mit Toleranz und Achtsamkeit.
Hier eine Aufzählung der gültigen Werte unserer Gesellschaftsform unter Einbeziehung des derzeit stattfindenden Werteniedergangs:
Der Wert von Leistung und Arbeit
Arbeitsplätze werden wegrationalisiert, und die Arbeitsleistung von Menschen wird immer geringer geschätzt und bezahlt – dies gilt für das Inland als auch im Ausland und ist ein Trend im Westen wie im Osten der Welt, also in Industrienationen wie in Schwellen- oder Entwicklungsländern. Produktivität und Effizienz ist ein hochgeschätztes Gut, aber nicht der Mensch als produzierendes Wesen. Der Wert des Guts Arbeit sinkt.
Der Wert des Geldes
Nicht nur das reale Einkommen der arbeitsleistenden Menschen sinkt, sondern auch der Wert des Geldes als solches nimmt ab. Weltweit ist über Aktien und elektronische Zahlungsmittel weit mehr virtuelles Geld im Umlauf, als real überhaupt vorhanden ist. Nicht nur Unternehmen und produzierende oder dienstleistende Firmen fundieren auf geborgtem Geld durch Kredite der Banken, sondern auch die überwiegende Zahl der Privathaushalte. Allein in Deutschland zählen sogar drei Millionen Privathaushalte als überschuldet, also de facto insolvent, so wie es viele Betriebe inzwischen auch sind. Einzig und allein virtuelles, also nicht vorhandenes Geld durch Kredite hält sie über Wasser.
Auch wenn im Herbst 2010 Zahlen für einen wirtschaftlichen Aufschwung und positive Stimmung aus der Industrie gemeldet werden, so muss man doch realistisch eingestehen, dass die wenigsten ohne Bankkredite existieren können und eigentlich nur die Banken wieder Gewinne einfahren. Hinzu kommen die ebenfalls virtuellen Haushaltsetats der Länder, die nicht mehr kalkulierbare Schulden anhäuften und weiter anhäufen. Im Januar 2011 melden die USA eine Staatsverschuldung von 14 Billionen Dollar und sprengen damit alle bisher bekannten Rekorde.
Eine gänzlich absurde Ausprägung des modernen Wirtschaftssystems ist außerdem der Handel mit Geld. Handel mit Ware gegen Ware war früher ein Tauschgeschäft mit einem materiellen Wert gegen einen anderen materiellen Wert. Es folgte der Handel mit Ware gegen Geld – aber der heute geltende Handel mit Geld gegen Geld ist das beste System, um Werte zu vernichten. Börsen und Banken waren einst Institute, um Geld zum Aufbau von Unternehmungen zu unterstützen, es waren Einrichtungen, um Werte zu schaffen. Wie die Bankenkrise gezeigt hat, sind Börsen und Banken heute schwarze Löcher und Geldvernichtungsplätze, die nicht mehr kontrollierbar sind, weil sie lediglich mit virtuellem Geld handeln. Der Wert des Geldes sinkt.
Das Gut des Wohlstands
Noch nie wurden so viele Güter produziert, noch nie war so viel Geld im Umlauf (reales oder virtuelles) wie heute, und dennoch ist Wohlstand ein Gut, das trotz allen technischen und sozialen Fortschritts nicht gleichmäßig unter den rund sieben Milliarden Erdenbewohnern verteilt ist. Selbst in Deutschland nimmt die Verarmung der Bevölkerung zu, wie die Studie »Verarmungsatlas Deutschland« erschreckend aufzeigt (veröffentlicht im Mai 2009 vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband). Wer alleinlebend weniger als 764 Euro oder als Paar 1376 Euro verdient, gilt offiziell als arm, und dies trifft laut der Studie je nach Bundesland auf sieben bis zu 27 Prozent der deutschen Bevölkerung zu. Im Mai 2010 gründete die Regierung – still und leise, fast unbemerkt von den Medien – eine Ethikkommission, die sich damit beschäftigen soll, wie der Wohlstand in Deutschland erhalten bleiben kann.
Weltweit ist die finanzielle Unausgewogenheit katastrophal. Als absolut arm gelten Menschen, die pro Tag einen Dollar oder weniger zur Verfügung haben – dies trifft auf 1,2 Milliarden Mitmenschen der circa sieben Milliarden der Weltbevölkerung zu. Wohlstand ist etwas, was immer weniger Menschen haben.
Das Gut der Vorsorge und Absicherung
Das besonders in Europa und speziell in Deutschland hochgeschätzte Gut der finanziellen Absicherung für spätere Lebensjahre ist zum Problemfeld Nummer eins geworden. Eine zunehmend überalterte Bevölkerung macht den Generationenvertrag zwischen Jung und Alt zunichte. Aktiv Arbeitsschaffende stehen älteren Jahrgängen im Rentenalter in einer rechnerischen Gleichung gegenüber, die nicht mehr aufgeht. Die in Deutschland geltenden Systeme der Renten- und Arbeitslosigkeitsversicherung sowie die Sozialleistungen des Staates an Hilfebedürftige basieren auf Bevölkerungszahlen und Demographien, die schon lange keine Relevanz mehr haben und in den Nachkriegsjahren errechnet wurden. Diese Systeme erlahmen und implodieren allmählich.
Rentenbezüge und Sozialleistungen sinken.
Das Gut Gesundheit
Die Krankenkassenbeiträge sowie Versicherungstarife werden regelmäßig erhöht, trotz anderslautender Beteuerungen von Politik und Wirtschaft. Krankheit ist überdies ein Gut, mit dem gewinnbringend Umsatz gemacht werden kann. Medizintechnische Errungenschaften und pharmakologische Erfindungen machen Krankheiten einerseits immer teurer, andererseits wird Krankheit aufgrund dessen stetig hochpreisiger.
Ferner sind eine ganzheitliche Heilung des Einzelnen und ein gänzlich gesundes und glückliches Volk eigentlich unerwünscht, da Medizin ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Europa ist und bei gesunden Menschen nicht zum Tragen kommt. Zunehmend höhere Lebenserwartungen der Bevölkerung und steigende Anzahlen rüstiger Rentner lassen die Kostenspirale im Gesundheitssystem weiter anwachsen. Die Deutschen sind außerdem Weltmeister in Frequenz und Anzahl der jährlichen Arztbesuche, was allein schon ein Vermögen der Kassenbeiträge verschlingt. Fehlen uns die Geduld, die Zeit zur Selbstheilung und vor allem das Wissen um die Heilungskräfte des Körpers? Die derzeitige systemerzwungene Ausrichtung auf klassische Schulmedizin schwächt das Finanzsystem der Gesundheitsabsicherung.
Solange kein immanenter Wandel hin zu wesentlich kostengünstigeren, psychosomatischen und naturheilkundlichen Heilweisen stattfindet, wird das Gut Gesundheit stetig teurer bis unbezahlbar.
Die Produktvielfalt als Wert
Der Überfluss der Produktvielfalt und -menge der Welt steht im krassen Gegensatz zur Armut der Welt. Der Westen ist stolz darauf, alles, was begehrt wird, zur Verfügung zu haben, doch die Armen der Welt verfügen noch nicht einmal über Grundnahrungsmittel, Strom oder sauberes Wasser. Erst spät, lange nach Gründung der UNO, erklärt diese Vereinigung der Länder der Welt am 28. Juli 2010 den Zugang zu sauberem Wasser endlich als Menschenrecht. Alle dreieinhalb Sekunden stirbt ein Kind, weil es keinen Zugang zu sauberem Wasser hat, und die Industriestaaten suhlen sich nicht nur im Wasser, sondern auch in Hunderten von Joghurtsorten, Schinkenausführungen und Brotarten im Überfluss.
In den Industriestaaten ist Produktvielfalt ein wertvolles, Kapital erwirtschaftendes Gut, aber ist diese Produktvielfalt auch wirklich ein Wert von Bestand in Anbetracht der Armut der Welt? Pro Jahr werden allein in Deutschland 30 000 neue Konsum- und Lebensmittel zugelassen, und dabei sind technische Errungenschaften nicht mitgezählt! Die Entwicklung und Produktion von Konsumgütern im Übermaß kostet viel Energie, schröpft die natürlichen Ressourcen der Erde und benötigt viel Zeit, was aufgrund der Konzentration in reichen Staaten an anderen Stellen der Erde fehlt, um die Gesamtheit der Menschheit zu nähren.
Die Produktvielfalt der reichen Staaten nimmt in dem Maß zu, wie der Hunger der Bevölkerung armer Länder zunimmt.
Der Wert der Demokratie
Demokratie, freiheitliche Ordnung und Solidarität sind die Markenkerne unserer Weltordnung, auf der jedoch längst nicht alle Nationen fußen. Viele Bewohner der Welt können ihre Regierungen nicht frei wählen oder die Politik ihrer Nation in einem freien Meinungsbildungsprozess mitbestimmen. Die in Washington beheimatete Forschungseinrichtung zur Entwicklung der Demokratie kategorisiert noch nicht mal die Hälfte aller Staaten der Welt als frei und demokratisch.
Realistisch betrachtet bestimmt auch in Europa oder den USA nicht das Volk die Ausrichtung der Politik, sondern es kann lediglich durch Wahlen Tendenzen vorgeben, die dann letztlich von Berufspolitikern in Machtpositionen unter Einfluss der Wirtschaft andere Färbungen erhalten. Die politische Klasse der nur sogenannten Volksvertreter besteht realistisch gesehen aus Vertretern der Wirtschaft und nicht aus...