Vorwort
Nach 17 intensiven Jahren als Organisations- und Führungskräfteberater habe ich mir 2008 eine Auszeit von diesem anspruchsvollen Job genommen. Ich hatte Zeit zum Reisen, Denken, Reflektieren, Schreiben und vor allem zum Neugierigsein. Dabei bin ich immer wieder auf das Generationenthema gestoßen. Es begann mit einem Buch, das mir mein bester Freund am Flughafen im Januar 2008 vor meinem Abflug mit den Worten in die Hand drückte: „Das solltest du lesen, hier in Australien kennen das viele, für einen Coach und Personalentwickler ist das wichtig, auch wenn du zur Generation der Baby Boomer gehörst.” Es handelte sich um Peter Sheahans1, Generation Y, Thriving and Surviving With Generation Y at Work.
Ich fühlte mich auf einmal alt. Was heißt hier Baby Boomer, was Generation Y? Was hat das mit mir zu tun?
Für einen Österreichischen Dermatologie-Professor, der seit einem Jahr an der University of Queensland, School of Medicine in Brisbane lehrt, ist es vielleicht ungewöhnlich, gerade dieses Buch zu lesen, aber für einen, nach allen Seiten interessierten Menschen schon nicht mehr. Insbesondere dann, wenn er in seinem Institut nicht nur mit unterschiedlichen Nationalitäten, sondern auch mit vier verschiedenen Generationen zusammenarbeiten muss.
Das Buch über die Generation Y habe ich auf dem Heimflug ausgelesen, es hat mich fasziniert. Bei der Lektüre erinnerte ich mich immer wieder an unzählige Erlebnisse in Beratungsprozessen und Situationen in meiner Managementtätigkeit.
Mir wurde auf einmal klar, warum bestimme Prozesse oder Entscheidungen in gewisser Weise ihren Lauf genommen haben, warum engagierte und gute Mitarbeiter das Unternehmen verließen, wieso Konflikte so oder so verlaufen sind, warum vielleicht bestimmte Teams erfolgreicher waren als andere. Mir schossen immer wieder Diskussionen wie die folgende durch den Kopf:
Ich sehe nicht ein, warum dieses attraktive Projekt nur mit alten, eingesessenen Beratern besetzt wird. Für mich ist das intransparent und ungerecht. Ich kann bestimmt genauso gut diesen Kunden betreuen, warum darf ich – als Junger – da nicht mitmachen? Und außerdem sehe ich nicht ein, warum die da so viel mehr verdienen als ich! Was macht es aus, Gesellschafter zu sein und warum soll ich darauf warten müssen, ich kann das bestimmt jetzt schon in meinem Alter”.
„Die Jungen sollen mal zeigen, was sie können und sich ihre Sporen verdienen, bevor sie überall mitreden!” oder „Brauchen wir wirklich diese neuen EDV-Systeme und müssen wir das alles lernen – geht doch auch ohne?
Solche oder ähnliche Aussagen habe ich immer wieder von jungen, ambitionierten aber unerfahrenen Beratern einerseits und alteingesessenen „Platzhirschen” andererseits gehört. Beide Parteien reagierten mit Staunen und beharrten auf ihrem Standpunkt.
Ich war richtig erschrocken darüber, wie unreflektiert und blauäugig ich selbst bestimmte Prozesse geleitet habe, ohne auf die unterschiedlichen Muster und Verhaltensweisen von Menschen verschiedener Altersgruppen Rücksicht zu nehmen.
Bei meinem zweiten Australienaufenthalt im November 2008 traf ich den Autor Peter Sheahan persönlich – ein junger, erfolgreicher Generation Y-Mann. Er strahlte eines der typischen Lebensgefühle der begabten und talentierten Vertreter dieser Generation aus: „Ich bin gut, will erfolgreich sein und das sofort!”, ohne dabei arrogant zu wirken. Er war Speaker of the Year 2007 in Australien – eigentlich eine untypische Qualität für ein Mitglied der Generation Y. Ich kann mich noch gut erinnern wie er, Generation Y, und ich, Baby Boomer, uns über unsere Erfahrungen und Beobachtungen bezüglich der Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Zusammenspiel der Generationen am Arbeitslatz unterhielten. Es war mein erstes bewusstes Generationen-Management-Gespräch. Wir sprachen aber auch darüber, was es heißt, ein Buch zu schreiben und seine Erfahrungen haben mir dabei geholfen.
„Ich notiere mir die Geschichten, die mir Menschen erzählen, sammle die Aussage und Bilder von Situationen, die Verwunderung über Leute verschiedener Generationen auslösen oder sich immer wieder wiederholen, und versuche, die Hintergründe zu erfragen”, berichtete er mir. Damit gibt es einen Wiedererkennungseffekt und es fällt leichter, Verständnis zu entwickeln, womit wir dem zentralen Problem näherkommen. Er fuhr fort: „You can’t manage a generation you don’t understand.” Man kann eine Generation nicht managen, die man nicht versteht.
Jahre später las ich ein passendes Zitat in abgewandelter Form, das sich in diesem Fall auf die Generation Z bezog, die mittlerweile in die Arbeitswelt einzieht und damit die Aufmerksamkeit von Forschern, Führungskräften und Beratern bekommt: „Don’t manage us – understand us.” (Managt uns nicht, versteht uns.)
2008 begann für mich eine lange Reise. In der ersten Euphorie habe ich Bücher über Bücher bestellt und gelesen, die damals zu diesem Thema fast ausschließlich im englischsprachigen Raum zu finden waren. Ich habe Ideen aufgegriffen, begonnen, selbst zu schreiben und habe vieles wieder verworfen. Mein Exposé für ein mögliches eigenes Buch akzeptierte der Schäffer-Poeschel Verlag 2009! Der Alltag als selbstständiger Berater holte mich ein. Außerdem schien das Thema Generationen-Management in der Unternehmenswelt in Österreich bzw. Deutschland noch nicht angekommen zu sein. Viele meiner Kunden waren interessiert, aber Projekte oder Vorträge wollte keiner dazu beauftragen. Mein Buchprojekt blieb liegen. Nach der zweiten Terminverschiebung sagte ich dem Verlag ab und beschränkte mich 2010 darauf, kleinere Artikel zu schreiben und in Führungstrainings das Thema unterzubringen. Nach einiger Zeit wollten aber die Teilnehmer meiner Workshops und Seminare immer öfter mehr zu diesem Thema wissen. Immer häufiger sprachen mich Kunden und Freunde darauf an, wann sie mein Buch lesen könnten, wo doch alle über die unterschiedlichen Generationen redeten und das immer wichtiger werde? Es gab erste Anfragen für Vorträge und Workshops auf Konferenzen und Berichte meiner Arbeit wurden in Wirtschaftszeitungen veröffentlicht.
Ende 2014 erschien ein weiteres einschlägiges Buch und wieder kam die Lust, meines zu schreiben. Vor allem meiner Lebensgefährtin Uschi gilt besonderer Dank an dieser Stelle. Sie hat mich ermutig, dranzubleiben: „Du sollst weniger lesen und mehr schreiben!” Sie hatte recht.
Ich sammelte Artikel und Bücher und sie lächelte und diskutierte immer wieder meine Gedanken und auch ihre beruflichen Erfahrungen mit mir. Sie machte mir Mut, mischte sich ein und ließ mir auch die Ruhe, die ich zum Schreiben brauchte.
Getrieben durch verschieden Veröffentlichungen, die meiner Meinung nach zu kurz griffen und wenig spezifisch auf das Führungsthema eingingen, nach einigen sehr spannenden Coaching- und Beratungsaufträgen, fasste ich Anfang 2015 den Entschluss, einen neuen und letzten Buch-Versuch zu starten. Jetzt oder nie.
Dazu kam ein gewisser Ehrgeiz (wiederum typisch für den Baby Boomer) der durch meinen Sohn Paul (an der Grenze zwischen Z und Y) gesteigert wurde, wenn er sagte: „Wann wirst du fertig? Ich glaub das wird nix, das dauert schon zu lange … Und wer, bitte schön, soll überhaupt heute noch ein Buch lesen?”
Eine typische Reaktion von Mitgliedern dieser Generation, für die nichts schnell genug gehen kann, deren Aufmerksamkeitsspannen sehr klein ist und die mit Büchern sowieso wenig anfangen können, weil sie viel lieber Videos ansehen und wenn, dann nur kurze Texte lesen.
Ich schrieb ein neues Exposé, diesmal fokussiert auf ein aktives praxisorientiertes Generationen-Management mit Schwerpunkt Führung. Der Schäffer-Poeschel Verlag schenkte mir wieder das Vertrauen und gab mir eine zweite Chance, nicht ohne auf die Termine deutlich hinzuweisen. Dafür und für die gute Unterstützung und Zusammenarbeit mit meiner Lektorin Friederike Moldenhauer, die wesentlich zur besseren Lesbarkeit meiner Gedanken beitrug, möchte ich mich herzlich bedanken!
Ich fand einen Freund und Coach für mein Vorhaben, der am Thema interessiert war, und der mir half, Strukturen zu entwickeln und durchzuhalten. Er führte mich immer wieder kritisch auf Kernaussagen zurück und half mir, einen roten Faden zu verfolgen. Mein herzlicher Dank gilt ihm genauso wie anderen Freunden, die mich immer wieder ermutigten, dranzubleiben. Sie halfen mir, indem sie mir interessante Links und Artikel schickten, mit mir Diskussionen führten und immer wieder nachfragten, wann es den endlich soweit sei. Nun, es ist soweit.
Ich möchte mich bei allen Kunden bedanken, die mir die Möglichkeit gaben, in ihre Führungsarbeit Einblick zu nehmen. In vielen kleinen Geschichten habe ich diese Erlebnisse eingearbeitet. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und unbeabsichtigt.
Das Buch soll einen Beitrag dazu leisten, einen aktiven und wertschätzenden Dialog zwischen Jung und Alt zu fördern, und Führung im Mix der Generationen erfolgreicher zu machen.
Herzlichst Peter Tavolato
Noch ein wichtiger Hinweis:
Wir ertappen uns immer wieder dabei, Stereotypen zu verwenden, die Mitglieder bestimmter Generationen in Schubladen zu stecken und sie dort nicht mehr hinauszulassen. Das passiert ebenso oft mit Mitgliedern bestimmter Berufsgruppen: „Die Lehrer schauen nur auf sich und nicht auf die Schüler, wenn es um die Schulorganisation geht”, „Die Götter in Weiß hören nicht wirklich zu”, „Menschen, die zu uns zuwandern, wollen sich nicht in unsere Kultur einfügen”. Die Medien unterstützen dies leider...